Todesstrafe - Der zweite Fall für Schmalenbeck und Paulsen. Brigitte Krächan
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Читать онлайн книгу Todesstrafe - Der zweite Fall für Schmalenbeck und Paulsen - Brigitte Krächan страница 6
„Gab es damals Drohungen von der Familie Kömen gegen Sie oder Ihren Bruder?“, fragte Ulli.
Frau Burger schaute wieder zum Fenster.
„Das alles ist jetzt schon zehn Jahre her. Stand am Donnerstag sogar in der Zeitung. Deshalb habe ich doch den Kuchen gebacken, um den Willi aufzuheitern. Er hat sich die Sache sehr zu Herzen genommen.“
„Dann haben Sie Ihren Bruder am Donnerstag noch gesehen?“, hakte Paule nach.
„Ich habe ihn nach der Arbeit angerufen. Ich wollte ihn zum Abendessen einladen. Er hatte ja sicher auch den Artikel gelesen. Aber er wollte seine Ruhe haben. Wenn er zum Abendessen gekommen wäre ….“ Frau Burger verstummte.
Ulli wiederholte ihre Frage. „Wissen Sie von Drohungen gegen Ihren Bruder? Damals oder in den letzten Tagen?“
Die Frau schüttelte den Kopf. „Das hätte Willi mir nicht erzählt. Er hat nie über die Sache gesprochen. Aber der alte Kömen ist einmal ziemlich ausfällig geworden. Das ist aber schon ein paar Monate her. Auf dem Friedhof Diebsteich drüben. Ich hatte meine Eltern besucht, kurz vor Allerheiligen. Hatte eine Kerze und eine Pflanzschale vorbeigebracht. Astern. Und ich dachte, wenn du schon da bist, bringst du der kleinen Kömen auch ein paar Blumen. Als ich am Grab stand, ist Heinz Kömen gekommen und hat mich weggezerrt. Richtig grob ist er geworden. Ich solle die Finger vom Grab seiner Tochter lassen und mich schämen, wo ich doch den Mörder decken würde.“
„Und?“ Paule schob seinen leeren Kuchenteller beiseite, lehnte sich zurück und sah Gertrud Burger herausfordernd an: „Haben Sie den Mörder gedeckt?“
Die alte Frau zuckte zusammen, sie atmete tief durch und erwiderte Paules Blick: „Ich sage heute das Gleiche, was ich damals dem Richter gesagt habe: Ich kann mich an die genaue Uhrzeit nicht erinnern. Und außerdem: Was hätte es denn geändert? Die kleine Kömen wäre nicht mehr lebendig geworden. Und mein Bruder hat sich seit damals nichts zu Schulden kommen lassen. Er ist also bestimmt keiner von diesen perversen Triebtätern.“
Gertrud Burger war aufgestanden und begann, das Kaffeegeschirr auf das Tablett zu räumen. Dann hielt sie inne und schaute Paule herausfordernd an: „Glauben Sie mir: Ob schuldig oder nicht, wir alle haben für den Tod der Kleinen büßen müssen. Was damals geschehen ist, hat meine Familie zerstört, meine Kinder und meinen Mann aus Hamburg getrieben. Wir sind zurückgeblieben, Willi und ich. Willi war keine angenehme Gesellschaft all die Jahre. Aber was hätte ich denn machen sollen? Er war mein Bruder. Und was Willi da hatte, das war kein Leben mehr.“
Paule schnaubte verächtlich, verkniff sich aber einen Kommentar, als er Ullis warnenden Blick bemerkte.
„Können Sie sich außer der Familie Kömen noch jemanden vorstellen, der Ihren Bruder hasste?“, griff Ulli ihre Frage wieder auf. „Gab es vielleicht Streit mit Kollegen oder Nachbarn?“
Frau Burger setzte sich wieder hin und schüttelte nachdenklich den Kopf. „Willi hatte mit seinen Nachbarn seit Jahren nichts mehr zu tun. Was Kollegen betrifft, fragen Sie besser den jungen Mann von heute Morgen. Und Feinde von damals? Vielleicht der damalige Freund der Kleinen. Aber der ist jetzt verheiratet und hat Kinder. Er hat es so besser getroffen. Wie gesagt, die Kleine war nicht zum Heiraten. Soll ich Ihnen noch ein Stück Kuchen einpacken?“
„Nein, danke“, Ulli beeilte sich, Paules Antwort zuvorzukommen. Die alte Frau tat ihr leid, außerdem schien sie bisher die Einzige, die das Opfer wirklich gekannt hatte. Sie würden noch weitere Informationen von ihr brauchen. Da war es besser, neutral zu bleiben und sie nicht durch unbedachte Äußerungen zu verärgern. „Die Spurensicherung ist jetzt im Haus Ihres Bruders fertig. Können Sie uns noch einmal dorthin begleiten, um nachzusehen, ob der Täter etwas mitgenommen hat?“
Frau Burger schluckte. Dann nickte sie. „Ja sicher, ich ziehe mich nur noch um.“
„Gut“, Ulli lächelte der Frau aufmunternd zu, „wir warten am Wagen.“
Draußen machte Paule seinem Ärger Luft.
„Deckt einen Mörder, macht die Tote schlecht und stellt sich selbst als Opfer dar“, schimpfte er.
„Na ja“, versuchte Ulli, ihn zu beruhigen, „in gewissem Sinne ist sie ein Opfer. Was damals geschah, hat sie einsam gemacht. Und sie leidet unter dieser Einsamkeit. Sie redet sehr viel. Alle einsamen Menschen tun das, wenn ihnen endlich jemand zuhört. Wir sollten ihr zuhören. Wir müssen einen Mord aufklären. Egal ob ihr Bruder damals schuldig oder unschuldig war: Seit heute Morgen ist Wilhelm Tieck ein Mordopfer.“
Paule schnaubte unwillig und nickte dann widerstrebend: „Aber glaub mir, es gab schon Fälle, die ich dringender aufklären wollte.“ „Andere anscheinend auch“, Ulli hatte gerade einen Nachricht auf ihrem Smartphone erhalten. „Oskar fragt, ob wir die Leichenöffnung auf morgen früh verschieben können. Seine Frau hat schon vor Wochen Karten zum Phantom der Oper heute Abend gekauft. CT und MRT seien schon durch.“
Paule schaute auf die Uhr. „Warum nicht? Der Tote läuft uns nicht davon. Wir fahren mit der Schwester noch einmal zum Tatort und machen dann für heute Schluss. Setzt du mich am Pferdemarkt ab? Zum Feierabendbier? Von dort komme ich bequem mit der U-Bahn nach Hause.“
Ulli seufze resigniert. Es schien niemand ein besonderes Interesse daran zu haben, den Mord aufzuklären. So gleichgültig kannte sie ihre Kollegen sonst nicht. Vielleicht sollte sie noch einmal im Präsidium vorbeischauen und die Akte Karin Kömen am Computer aufrufen. Andererseits war Rocco schon den ganzen Tag alleine, und Walter würde in der Sitzung morgen ohnehin über den Fall berichten.
KAPITEL 3
Montag, 26.08.2013, Hamburger Aktuelle Wilhelm T. tot!
Mutmaßlicher Vergewaltiger und Mörder von Karin K. tot in Eimsbüttel aufgefunden. Polizei geht von Gewaltverbrechen aus.
Hat jemand vollendet, was Richter vor zehn Jahren verpasst haben?
Als Ulli um acht Uhr ihren Citroën im Butenfeld abstellte und kurz danach den Obduktionsaal im Institut für Rechtsmedizin betrat, warteten Paule und Oskar schon auf sie. Oskar bot Ulli Minzöl an.
„Ich kann dir auch eine Maske geben, wenn du möchtest. Unser Freund hier riecht nicht mehr so appetitlich frisch, obwohl er direkt aus der Kühlung kommt.“
Dankbar nahm Ulli das Minzöl und strich sich einen Tropfen unter die Nase. Auch ohne rechtsmedizinisches Gutachten hätte sie mit Sicherheit sagen können, dass das Opfer schon mehr als vierundzwanzig Stunden tot war. Der süßliche Leichengeruch, der von vielen Anfängern als der typische Geruch in der Rechtsmedizin beschrieben wurde, trat erst auf, wenn Bakterien begonnen hatten, den Körper von innen zu zersetzen. In den meisten Fällen passierte die Leichenschau, bevor dieser Zersetzungsprozess begann. In den Räumen der Rechtsmedizin roch es daher meistens nach Desinfektionsmitteln und anderen chemischen Lösungen. Aber dieses Mal wurden diese Gerüche von dem moschusartigen Geruch nach verwesendem Fleisch überlagert. Paule hielt, wie immer bei einer Leichenschau, den einzigen Stuhl im Raum besetzt. Er blätterte in einem dünnen Schnellhefter.
Oskar nickte ihm zu: „Ich war gestern nicht ganz untätig. Toxikologische Befunde, Stellungnahme zu MRT und CT, alles da drin. Ich weiß, dass du die gedruckte Version bevorzugst. Es ist aber auch schon alles im Zentralcomputer.“
Paule reichte den Befund an Ulli weiter: „MRT und CT – ist das nicht ziemlich