Shinobi - Der Weg der Schatten. Danny Seel
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70. Hindernde Wunden
71. Von der Vergangenheit eingeholt
72. Der Morgen der Trauer
73. Eine angenehme Überraschung
Nachwort
Japanisches Glossar
Vorwort
Das Hauptanliegen dieses Buches ist keinesfalls der Zeitvertreib oder die Unterhaltung. Dessen Verfassung dient auch dazu, dem Leser eine neue Perspektive auf die geheimnisvollen Shinobi zu verschaffen, eine Perspektive, die versucht Mythos und Legenden von der Wahrheit zu trennen.
Das Ziel dieses Werkes ist es, das Leben der sagenumwobenen Shinobi oder Ninja, wie man sie heutzutage nennt, zu beleuchten – ihren Lebensstil, ihre Denkart sowie ihre Rolle in der Geschichte Japans. Hätten die Shinobi nie existiert, so wäre die japanische Staatsgewalt vielleicht nicht so, wie wir sie heute kennen. Ohne sie hätte der Fall des Ashikaga-Shogunats höchstwahrscheinlich nie stattfinden können und – obwohl dieses Buch nicht von dem obenerwähnten Geschehnis berichtet – das fortgeschrittene Japan von heute wäre womöglich nicht eines der Länder, das mit seinem technologischen Wissen zu den Besten der Welt zählt.
Aus historischen und chronologischen Gründen wird der Monat sowie das Jahr bei ausgewählten Kapiteln angegeben. Hierbei sind die Übersetzung und Erklärung sämtlicher japanischer Begriffe und Wörter am Ende des Buches, im Glossar, zu finden. Da die Mehrzahl im Japanischen mit der Einzahl identisch ist, wird dies in diesem Buch ebenfalls berücksichtigt, sodass sich hier der Plural dem Singular gleicht.
Der Familienname wird in dieser Kultur vor dem Vornamen gestellt. Außerdem wird in Japan viel Wert auf das Verhalten sowie die Etikette gelegt, weshalb die Suffixe an Vor- oder Nachnamen angehängt werden, die dem Rang, dem Alter und/oder dem Geschlecht der Person entsprechen. Es sei noch angemerkt, dass nur Samurai das Recht hatten, einen Nachnamen zu besitzen, doch aus praktischen Gründen wurde dies in dieser Buchreihe nicht für alle Bauern übernommen.
Obwohl der Autor sich dessen bewusst ist, dass manche Historiker nicht einer Meinung mit ihm sein werden, hat er beschlossen, die Kurzschwerter, die die Shinobi in diesem Buch anwenden, als Ninjatō zu bezeichnen, wenngleich ihre Existenz fraglich ist. Praktische Gründe haben ihn dazu veranlasst sie trotz alledem Teil seiner Saga werden zu lassen.
Die Organisation im damaligen Japan ist äußerst gut, auch wenn nicht immer gerecht, gewesen, wobei die Rangordnung von wesentlicher Bedeutung war. Normale Menschen mussten sich immer vor Samurai verbeugen, während die Letzteren sie komplett ignorieren durften, was oftmals auch der Fall gewesen war. Wenn ein Bauer Diebstahl oder eine andere kriminelle Tat beging, war seine Strafe weitaus schlimmer als die eines Samurai. Zudem hatten die Samurai das Recht, einen einfachen Bauern hinzurichten, ohne dafür einen validen Grund zu haben. Beispielsweise wurde die Qualität des Stahls eines neuen Schwertes am Torso eines Bauern geprüft, was immer zur Todesfolge des Letzteren führte.
Während der Großteil des Volkes aus Bauern, Handwerkern und Kaufleuten bestand, umfassten die Samurai ungefähr zehn Prozent der gesamten Bevölkerung Japans, wobei jeder einzelne Samurai als Elite bezeichnet werden konnte. Die gewöhnlichen Krieger wurden „Ashigaru“ genannt. Meistens war ein Ashigaru ein Bauer, der gezwungen wurde zu den Waffen zu greifen, um für die Interessen eines Daimyō, eines Kriegsherrn, zu kämpfen, und ohne große Zweifel für ihn sogar zu sterben.
Das Zeitalter, in dem die folgende Geschichte stattfindet, wird heute als Sengoku Jidai (1467-1603) bezeichnet, die Ära des bürgerlichen Krieges. Diese Kriege, die sich über eine einhundert Jahre lange Zeitspanne erstreckten, scheuten das ganze Land auf, in dem sich die überwältigende Mehrheit den Frieden herbeiwünschte. Viele zehntausende Leben wurden für sinnlose Ziele eines Daimyō verschwendet und unzählige Dörfer sowie Städte niedergebrannt und geplündert.
Während dieser Zeit des Grauens gab es eine Gruppe von Menschen, die ihre Isolation im Gebirge von Iga genoss. Dieser Clan, der wegen des Namens seiner Provinz „Iga-Clan“ getauft wurde, stammte vermutlich von örtlichen Jizamurai-Familien ab, die in Iga lebten. Diese Landsamurai, die Landgut besaßen, brachten ihren Bauern das Kämpfen bei, wobei sie auch Taktiken und Techniken in den Mittelpunkt stellten, die zuvor größtenteils von Banditen und Spionen angewandt worden waren. Es waren die Jizamurai, die aus diesen unorthodoxen Fertigkeiten eine Militärstrategie aufbauten, weil sie auf Guerilla-Taktiken zurückgreifen mussten, um sich vor Kriegsherren oder größeren Armeen beschützen zu können. Schließlich war die Bevölkerung Igas nicht sehr zahlreich.
Trotz des Friedens, der oftmals in Iga herrschte, gerieten ihre neuen Künste nicht in Vergessenheit, sondern wurden immer wieder praktiziert und weiter ausgebaut, bis eine Kunst namens Ninjutsu geboren wurde. Es ist eine Kunst der Spionage, der Irreführung, der Strategie, der Informationsgewinnung und der Infiltration. Raffinierte Taktiken und Techniken gingen in Fleisch und Blut über und wurden durch schonungsloses Training in den Gehirnen dieser einfachen Menschen versiegelt. Darüber hinaus ist es womöglich auf die Tatsache zurückzuführen, dass ihre völlige Isolation zu der Entwicklung der Vielfalt von geheimen Künsten beigetragen hat, die sich deshalb in besonderem Maße der Aufklärung sowie der Spionage widmete.
Dazu muss es noch erwähnt werden, dass während die sozialen Unterschiede im ganzen Land von erheblicher Bedeutung waren, fanden sie in Iga allerdings keine große Beachtung. Obwohl der soziale Status dort allen bekannt war, konnte sogar ein einfacher Bauer ein Samurai werden, wenn er sich, zum Beispiel, als ein begabter Krieger bewährte.
Wegen der eher unzugänglichen Landschaft ihrer Heimat wurde dieser kleine Clan von allen umgebenden Kriegsherren stets ignoriert, da er weder strategisch wichtig war, noch eine große wirtschaftliche Bedeutung besaß. Inmitten der Kriegszeit verbrachten die Iga ihr Leben friedlich in den Bergen, ohne von jeglichen Daimyō unterdrückt zu werden. Doch als viele Jahrhunderte später die Blicke einiger machtgieriger Daimyō immer häufiger auf Iga hängen blieben, kam die Zeit, sich auf den Krieg vorzubereiten. Dieses Buch berichtet genau über diese Zeitperiode.
In diesem Werk, welches der Autor während seiner vierzehnten und fünfzehnten Lebensjahre geschrieben hat, sowie den zwei darauffolgenden Bänden, werden wahre, historische Ereignisse beleuchtet, die nicht wenige reale Persönlichkeiten, wie zum Beispiel Momochi Tanba, Oda Nobukatsu sowie andere enthalten. Und obwohl das Buch mögliche Ungenauigkeiten oder gar Fehler beinhalten könnte, hat sich der Autor viel Mühe gegeben, nebst einer unterhaltsamen Saga, möglichst geschichtstreu über die damaligen Ereignisse zu berichten.
1. Ein alter Bekannter
Japan, Nabari, Juli 1565
Ein eisiger Wind wehte ungestüm über das große Tal und hörte sich wie das Geflüster von Geistern an, die ein schreckliches Ereignis vorhersagten. Grollender Donner und erleuchtende Blitze, die am Horizont einschlugen, erhellten den dunklen Nachthimmel, begleitet vom lauten Peitschen des Regens, der sich über das gesamte Dorf von Nabari ergoss.
Doch Jiraiya schien nichts davon zur Kenntnis zu nehmen. Bis auf die Haut durchnässt eilte er durch die menschenleeren Straßen seines Heimatorts. Nachdem er eine Besorgung in einem benachbarten Dorf gemacht hatte, in dem er länger geblieben war, als geplant, hatte er keinen sehnlicheren Wunsch, als wieder zurück in seinem gemütlichen Zuhause zu sein.
Hastig öffnete er die Tür seines Hauses und flüchtete hinein. Kaum hatte er den Eingangsbereich