Götter und Göttinnen. Manfred Ehmer

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Götter und Göttinnen - Manfred Ehmer Edition Theophanie

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wird zuweilen als der „erste Dichter auf europäischem Boden“ bezeichnet, denn Heimat und Wirkungskreis des Homer lagen ja noch im ionischen Kleinasien. Hesiod entstammte jedoch der Kulturlandschaft Böotien, die in Griechenland selbst an der ägäischen Mittelmeerküste gelegen ist; um 700 v. Chr. soll er dort in Askra geboren worden sein. Am Helikon (im Altertum der Name für den Bergrücken östlich vom Parnass in Böotien) erlebte er – friedlich inmitten der unberührten Natur die Schafe hütend – seine Berufung durch die Musen und wurde daraufhin ein Rhapsode. Unter einem Rhapsoden versteht man einen Dichter-Sänger, der als ein fahrender Spielmann durch die Lande zieht und im festlichen Kreis homerische oder selbstverfasste Epik vorträgt.

      Das Lebensmilieu des Hesiod war ganz offensichtlich das der Bauern und Schafhirten, und aus einer tiefen Naturverbundenheit konnte er die lebendig tätigen Wesenheiten der übersinnlichen Welt wahrnehmen und das geistig Geschaute in dichterische Worte fassen. Der Höhepunkt seiner Laufbahn war sein Sieg im Dichterwettstreit bei den Leichenspielen für König Amphidamas in Chalkis. Sein bedeutendstes Werk stellt eindeutig die Theogonie dar, ein großartiges Gesamtsystem griechischer Göttermythologie, das in ebenso düsteren wie grandiosen Bildern den Prozess des Weltwerdens darstellt, wie er vom Seherauge geschaut wurde.

      Theogonie bedeutet ja eigentlich „Gottwerdung“, also das Entstehen und Vergehen der Göttergeschlechter, aber Theogonie ist im griechischen Denken immer zugleich Kosmogonie; Götterwerdung ist also auch Weltwerdung, denn die Weltentwicklung im Diesseits ist untrennbar verknüpft mit dem Wirken der Geistigen Hierarchien in der übersinnlichen Welt. Deshalb muss die hesiodische Theogonie zusammen mit der Genesis der Bibel und dem Völuspa-Lied der germanischen Edda zu den großen Weltschöpfungs- und Weltentstehungsmythen gerechnet werden, die aus dem dumpfen Ahnen der noch kindlich-hellsichtigen Menschheit der Frühzeit hervorgegangen sind.

      Man sagt, dass Homer und Hesiod den Griechen ihre Götterwelt gegeben haben; aber Tatsache ist, dass beide auch an uralte vorgriechische Mythen anknüpfen, vor allem an die Gaia-Religion der Pelasger, jener unbekannten mediterranen Urbevölkerung Griechenlands, die von den um 1700 v. Chr. aus dem Norden eingewanderten Stämmen der Ionier, Dorer und Achäer auf der hellenischen Halbinsel und in der Ägäis vorgefunden wurde. Gaia ist vermutlich eine chthonische Fruchtbarkeitsgöttin der Pelasger. Gaia wird bei Homer mit Zeus und Helios zusammen im Eid als Zeugin angerufen; sie steht an Rang und Bedeutung Zeus und dem Sonnengott nicht nach.

      Nach der Theogonie Hesiods war zuerst nur das „Chaos“ da: die Urgöttin Chaos als der Urstoff allen Lebens! Aus diesem Urstoff Chaos ging dann Gaia, die „breitbrüstige Erde“ hervor, die ihrerseits aus sich heraus den Himmelsgott Uranos gebar wie auch das Gebirge und das Meer, den Pontos und den okeanos. Von Uranos befruchtet, dem Sohn und Gatten zugleich, gebar die Ur- und Allmutter Gaia die Titanen, die Kyklopen und die Hekatoncheiren. Da Uranos seine Kinder hasste und er sie in den Schoß der Erde zurückstieß, erhob sich der jüngste der Titanen, Kronos, und entmannte ihn. Aus den Blutstropfen, die auf die Erde fielen, gebar Gaia die Erinnyen und die Giganten. Später half sie den von ihrem Vater Kronos unterdrückten Titanenkindern, vor allem dem Zeus, der ja dann das olympische Göttergeschlecht begründete. Am Anfang also war, wie gesagt, das Chaos. Und nachdem Hesiod als Rhapsode am Beginn seiner Dichtung die Musen als Schutzgeister angerufen hatte, fährt er fort:

      Gaia, die Erde, erzeugte zuerst den sternigen Himmel, gleich sich selber, damit er sie dann völlig umhülle, unverrückbar für immer als Sitz der ewigen Götter, zeugte auch hohe Gebirge, der Göttinnen holde Behausung, Nymphen, die die Schluchten und Klüfte der Berge bewohnen; auch das verödete Meer, die brausende Brandung gebar sie ohne beglückende Liebe, den Pontos; aber dann später gebar sie Okeanos' wirbelnde Tiefe.23

      Im Europa der Jungsteinzeit nahm die Verehrung der Erdenmutter als der Magna Mater sowie der Gedanke einer Heiligen Hochzeit oder Hieros Gamos zwischen Himmel und Erde eine herausragende Bedeutung ein. Auch Hesiod spricht von einer solchen Heiligen Hochzeit, wenn er den Mythos von Uranos und Gaia erzählt, zu deren Kindern unter anderem auch die Titanen gezählt werden:

      Koios und Kreios dazu und Iapetos und Hyperion, Theia sodann und Rheia und Themis, Mnemosyne ferner, Phoibe, die goldbekränzte, und auch die liebliche Tethys; als der jüngste nach ihnen entstand der verschlagene Kronos, dieses schrecklichste Kind, er hasste den blühenden Vater.24

      Es gibt im Verborgenen chthonische Kräfte und Wesenheiten, tellurische Energien in den Eingeweiden der Erde, und der Seherblick des Dichters erkennt in diesen Urkräften das Wirken der Titanen. In den Titanen sind also die Personifizierungen von Naturkräften und Erdenergien zu sehen, die in der Aura unseres Planeten tätig sind. Die Geist- und Götterkräfte der Titanen waren in allen Elementen wirksam, im Himmel, auf der Erde und im großen Weltmeer. Die Titanen sind nach hesiodischer Theogonie das zweite Göttergeschlecht innerhalb der Weltentwicklung, während das erste und älteste Göttergeschlecht von den Geschöpfen des Chaos und den Kindern der Nacht gebildet wurde. Aber noch andere Kinder sind der Ehe von Uranos und Gaia entsprossen – die Kyklopen, stirnäugige Riesen, und die Hekatoncheiren: hundertarmige Ungeheuer!

      Auch die Kyklopen gebar sie, die wildüberhebenden Herzens, Brontes und Steropes auch und den finstergewaltigen Arges; diese dann gaben dem Zeus den Donner und schufen die Blitze.

      Zwar in allem glichen sie sonst den ewigen Göttern, doch inmitten der Stirn lag ihnen ein einziges Auge, und so hatte man ihnen den Namen Kyklopen gegeben, weil auf der Stirn das Rund des einzigen Auges gelegen, in ihren Werken aber lag Stärke, Gewalt und Erfindung.

      Aber noch andere waren von Himmel und Erde entsprossen: drei ganz riesige Söhne, gewaltig, unnennbaren Namens: Kottos, Briareos auch und Gyges, Kinder voll Hochmut.

      Hundert Arme streckten aus ihren Schultern sich vorwärts, klotzig und ungefügig und fünfzig Köpfe entsprossen Jedem aus seinen Schultern auf starken gedrungenen Gliedern.25

      Titanen, Kyklopen und Hekatoncheiren, dies also sind die schrecklichen Kinder der Gaia! Uranos aber, der Beherrscher des Ätherraumes, hasste seine eigenen Kinder und stieß sie zurück in den Schoß der Erde, in den Tartaros. Und dann wird berichtet, wie der mächtigste der Titanen, der listenreiche Kronos, sich wider den Vater erhebt und ihn mit Hilfe einer eisernen Sichel entmannt; und aus der Nachkommenschaft des Kronos wird ein neues Göttergeschlecht geboren, das der olympischen Götter, dessen Hauptstammvater Zeus ist. Gaia bleibt jedoch die Ur- und Allmutter; und es gibt einen dem Homer zugeschriebenen Hymnus An die Allmutter Erde, der als Zeugnis einer Mutter-Erde-Religion im gesamten archaischen Griechenland gelten kann:

      Erde, du aller Mutter, du festgegründete, singen will ich von dir, uralte Nährerin der Geschöpfe, die du alles, was im Meer und auf heiligem Boden, was in den Lüften lebt, ernährst mit quellendem Segen; du nur lässt sie gedeihen so reich an Kindern und Früchten.

      Heilige Göttin, es steht bei dir, den sterblichen Menschen Leben zu geben, zu nehmen.

      O selig, wem du in Güte segnend gewogen, denn alles erblüht ihm in üppiger Fülle; schwellende Saat bedeckt ihm alle Felder und reiche Herden beweiden sein Land, sein Haus birgt Schätze in Menge.

      Und so herrschen sie denn in der Stadt voll lieblicher Frauen mild nach rechtem Gesetz, begleitet von Segen und Reichtum.

      Jünglinge schreiten stolz in junger, blühender Freude, Jungfrauen spielen fröhlich in blütenumschlungenen Reigen tanzbeseligt dahin auf den weichen Blumen der Wiese:

      alle, die du gesegnet, du spendende, heilige Göttin. Heil dir, Mutter der Götter, du Gattin des sternübersäten Himmels. Für meinen Gesang gewähre mir glückliches Dasein.

      Ich aber werde deiner und andrer Gesänge gedenken.26

      Es ist die innewohnende Seele des Erdplaneten,

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