Von Get Back zu Let It Be. Friedhelm Rathjen

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Von Get Back zu Let It Be - Friedhelm Rathjen

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sehr der Text. Was der Text aussagt, spielt keine Rolle.“ Paul möchte nämlich den Text nachbessern, weil er bestimmte Stellen zu kitschig findet: Sie klingen ihm „zu hübsch“. Und er ist genervt: „Wir sind zwar mit Verbesserungen beschäftigt, aber wir kommen einfach nicht weiter. Wir machen jetzt seit einer Stunde daran herum und sind wieder da, wo wir am Anfang waren. Lasst uns die Middle Eight jetzt mal abhaken und vorankommen.“ Aber dann ist es Paul selbst, der wieder neue (und wiederum fruchtlose) Vorschläge für den Gesang der Middle Eight macht, und aus dem Vorankommen wird nichts – sie treten auf der Stelle. George findet (zu recht) den ganzen Harmoniegesang von Nachteil; könnten sie sich ihre Versuche per Playback anhören (was immer noch nicht möglich ist, da eine Lautsprecheranlage fehlt), würden alle das einsehen. John: „Wir haben festgestellt, dass die Middle Eight die Schwachstelle ist – gut. Und wir haben an den Gesangsstimmen herumprobiert. Aber es ist immer noch der Rhythmus, an dem’s hängt.“ Als George etwas dazu sagen will, klinkt John sich aus und singt ein paar Takte aus Little Richards SEND ME SOME LOVIN’ (0:10). Am nächsten Versuch eines veränderten Gesangsarrangements beteiligt George sich gar nicht erst, und als der allgemeine Überdruss mit Händen zu greifen ist, versuchen die Beatles die unergiebige Tüftelei mit einem Komplettdurchlauf von DON’T LET ME DOWN (3:14) abzuschließen, der – angesichts der vielen Probleme – erstaunlich sicher und überzeugend ausfällt. Aber nun hat ausgerechnet George noch einen Vorschlag für die Middle Eight, der kurz ausprobiert und dann auf Pauls Geheiß in einem letzten, wiederum sehr geschlossen klingenden Durchgang von DON’T LET ME DOWN (3:32) umgesetzt wird, bei dem die allzu schmalzigen Gesangsideen Pauls zugunsten eines schlichteren Harmoniegesangs im Duett mit George entfallen. Die Richtung stimmt – die Arbeitsstimmung aber nicht, Abwechslung tut not.

      Paul schlägt einen Song vor, der für einen musikalischen Stimmungswechsel gut ist, und so wird von nun an – es ist ungefähr 16.40 Uhr – etwa eine Stunde lang nur an TWO OF US gearbeitet. Erschwert wird diese Arbeit zunächst dadurch, dass John in seinem ausgedruckten „Plan“ erst den Text finden muss und sich nicht einmal mehr daran erinnern kann, welchen Part er an welcher Stelle des Songs zu singen hat. Mehrere Versuche, das Stück zunächst einmal komplett durchzuspielen, brechen ab, weil entweder John desorientiert ist oder Paul bemerkt, dass das Tempo verschleppt werde, der Rhythmus nicht stimme oder das Zusammenspiel mangelhaft sei.

      Ganz offensichtlich möchte Paul nicht in dieselbe Falle laufen wie zuvor bei der fruchtlosen Detailarbeit an Don’t Let Me Down: „Lasst es uns erst einmal so spielen, dass wir’s auf einfache Weise beherrschen; anschließend können wir dann Sachen hinzufügen.“ George allerdings, den allzu einfaches Gitarrenspiel offenbar langweilt, ist anderer Meinung, er möchte Riffs ausarbeiten. Paul: „Aber wenn wir dauernd dafür unterbrechen, spielen wir nicht richtig zusammen. Das ist jetzt zu kompliziert. Schau mal, wir können’s schlichter spielen – und dann anschließend verkomplizieren, wo es was Kompliziertes braucht.“ George widerspricht: „Es ist gar nicht kompliziert, ich spiele einfach, wie es passt.“ Paul: „Ich versuch doch nur, dir zu helfen. Aber am Ende kommt dabei immer heraus, dass ich dich verärgere.“ George: „Du verärgerst mich nicht.“ Paul: „Dann mach es halt.“ George und Paul sind drauf und dran, in offenen Streit zu geraten, doch George bremst sich: „Auf Film kann ich das nicht, vor laufender Kamera.“ Der innerlich erregte Paul ist aber noch nicht fertig, er kann sich nicht zurückhalten: „Wir sind uns doch wohl alle einig, dass im Moment alles durcheinander ist, und wir sollten dieses Durcheinander erst einmal beseitigen. Und dann können wir anfangen, es komplexer zu gestalten. Wir haben nur noch zwölf Tage.“ Also versuchen sie, zunächst eine möglichst schlichte Fassung ihres Songs zu spielen, damit er nicht sofort zusammenfällt – aber das tut er auch so, denn für John ist schon das gegenwärtige Riff zu kompliziert.

      Paul schlägt George einen Kompromiss vor: Er solle ruhig schon beim Solo improvisieren, aber nicht während des Gesangsparts, damit Paul und John nicht verwirrt werden. Und Paul erinnert George an eine ähnliche Meinungsverschiedenheit bei der Aufnahme von Hey Jude Ende Juli 1968 – ein Vorfall, den George nicht wieder aufwärmen möchte, weshalb er kategorisch erklärt: „Mir ist es jetzt egal – ich spiel alles, was du von mir willst, oder ich spiel auch gar nicht, wenn du’s nicht willst. Egal, womit ich dich zufriedenstellen kann, ich werd’s tun.“ Aber das fuchst Paul noch mehr: „Mach sowas nicht – wir müssen das wirklich klären. Wir sind hier beim Proben, und wir versuchen, etwas für die Fernsehshow auf die Beine zu stellen, also sollten wir es allmählich mal mit System angehen.“ Leider verfolgen sie jedoch unterschiedliche Systeme – Paul will von einfachen Fassungen ausgehen und dann jedes Detail einzeln nacharbeiten, George hingegen möchte von Anfang an alles ausprobieren, was ihm einfällt. Ein Kompromiss scheint unmöglich, und dementsprechend lautet der einzige konstruktive Vorschlag, der Paul einfällt: „Lass uns eine anderen Song machen.“ George: „Wie wär’s mit Maxwell’s Silver Hammer?“ Ausgerechnet in diesem Moment erwacht John aus seinem Koma und meint, sie sollten erst mal bei Two Of Us bleiben. Paul kann kaum noch an sich halten; sie hätten damit schon viel zu viel Zeit verschwendet, entgegnet er.

      Also murksen sie an TWO OF US weiter, und John legt nach, indem er zu Paul sagt: „Du bist der Boss.“ Paul jammert, das sei er nun schon ein paar Jahre. Zufrieden damit klingt er nicht, beschwert sich vielmehr, dass alle immer nur mäkeln, aber außer ihm niemand die Initiative ergreife, und bringt seine Kritik auf den Punkt: „Das Problem ist, dass jeder für seine eigenen Stücke verantwortlich sein sollte und bestimmen müsste, wer wo improvisiert.“ George ist das recht, aber John findet, dieses Verfahren sei ihm zu mühselig. (Das Beispiel Don’t Let Me Down hat ja schon gezeigt, dass John es vorzieht, seine halbgaren Sachen von Paul perfektionieren zu lassen.)

      Paul tritt die Flucht nach vorn an, in die Arbeit, und beginnt an einzelnen Passagen seines Songs herumzuprobieren. John wünscht eine Teepause, George zieht Bier vor. So dümpelt die Probe weiter vor sich hin. Irgendjemand fängt an, das französische Volkslied FRERE JACQUES (0:41) zu murksen; George reagiert mit einem Dylan-Song, IT AIN’T ME BABE (0:22), bei dem Paul mitsingt, doch John unterbricht sie und will den Rhythmus von Two Of Us diskutieren. George findet, der Song sei zu „heavy“ geworden – ob sie nicht mal eine mehr vom Country-Stil angehauchte Version versuchen wollten? Paul, offenbar um Gutwetter bemüht, stimmt zu, und so spielen sie sich in einer leichtfüßigen, transparenter als zuvor klingenden Version zum ersten Mal an diesem Tag komplett durch TWO OF US (3:20). Paul ist sehr zufrieden mit dem „lustigen Rhythmus“, versucht noch Veränderungen am Harmoniegesang, dann folgen zwei weitere Komplettproben von TWO OF US (2:45/2:47), die deutliche Fortschritte zeigten – sie sind endlich auf dem richtigen Weg „back home“.

      Und auch wieder besserer Stimmung. Unbeschwert gibt Paul Anweisungen, um Detailverbesserungen zu probieren, und stößt sich nicht an den kleinen Schnörkeln, die George in das Stück einflicht. Eine der neuen Phrasen, meint Paul, klinge ein bisschen wie ein bekanntes Lied, das er kurz anstimmt: WHEN THE SAINTS GO MARCHING IN (0:06). George weiß es besser und singt einen Schnipsel aus dem Lied, das Paul eigentlich meint: LOOP DE LOOP (0:07) von Johnny Thunder. Paul muss sich kratzen, denn er hat sich eine Pilzinfektion in der Leistenbeuge zugezogen; John und George empfehlen ihm belustigt, sich unten mal zu waschen. Sauberer hinkriegen möchte George nun auch den Schluss von Two Of Us; auf seinen Vorschlag hin wird noch etwas dran gefeilt, bis Paul ein Gitarrenriff einfällt, das John spielen soll. Dem gelingt das aber nicht, und so flüchtet er sich in den Vorschlag, lieber Across The Universe zu proben.

      Dummerweise hat niemand den Text des Songs parat. George nutzt die Situation und spielt rasch HEAR ME LORD (0:08) an, aber niemand geht drauf ein, und John funkt dazwischen, indem er trotz mangelnder Textbeherrschung ACROSS THE UNIVERSE (3:02) zu spielen beginnt. Die anderen machen zwar lustlos mit, doch da das Proben ohne Text wenig Sinn hat, bekommt George eine zweite Chance zu HEAR ME LORD (1:43), diesmal ansatzweise unterstützt von John, der dann jedoch abbricht und fragt: „Willst du nicht das ältere von dir machen? Das mit mir an der Orgel?“ Paul: „Ich hatte das letzte Nacht in meinem Kopf.“ George: „Prima.“ Offenbar hat Paul von Verbesserungen am Arrangement des Stücks geträumt, die er sogleich vorschlägt, und so spielen sich die Beatles nun – kurz nach sechs Uhr – nach einigen Detailtests zweimal mehr oder weniger komplett

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