Du bist ok, so wie du bist. Katharina Saalfrank

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Du bist ok, so wie du bist - Katharina Saalfrank

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gegen Kinder, so war die EINDEUTIGE BOTSCHAFT, die heute für jeden Schweden eine Selbstverständlichkeit ist, ist keine Privatsache.

      Was dieser Haltungswandel bewirkt, zeigt ein Fall aus dem Jahr 2011. Ein italienischer Lokalpolitiker hatte seinen zwölfjährigen Sohn im Urlaub in Stockholm bei einem Streit über die Wahl eines Restaurants geohrfeigt. Der Vater wurde festgenommen und verbrachte drei Tage in Haft.

      Gewalt ist und bleibt Gewalt

      Zurück nach Deutschland: Die Deutsche Kinderhilfe setzt sich seit Jahren für Kinderrechte ein und fordert einen Nationalen Aktionsplan Kinderschutz, der auf Kampagnen und eine gezielte Beratung und Unterstützung der Eltern setzt. Sie plädiert für einen gesamtgesellschaftlichen Mentalitätswandel und mahnt, bei Gewalt müsse der Null-Toleranz-Grundsatz gelten.

      »Ohne bürgerschaftliches Engagement und eine Kultur des Hinsehens wird es nicht gelingen, Gewalt gegen Kinder zu ächten. Dazu bedarf es aber auch des politischen Willens.«

      »Gäbe es vergleichbare verheerende Zahlen über rassistische, homophobe oder antifeministische Gesinnungen in der Gesellschaft, würde es zu Recht einen Aufschrei aller Interessengruppen, Gewerkschaften, Parteien, Verbände bis hin zu den Kirchen geben. Die tägliche Gewalt gegen Kinder in Deutschland sollte Gleiches hervorrufen«, so Georg Ehrmann, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe.

      Keine Frage: Spätestens seit den siebziger Jahren hat sich in Deutschland einiges geändert in der Art und Weise, wie wir Kinder in unserer Gesellschaft wahrnehmen und mit ihnen umgehen. Wenn wir jedoch die Augen vor den Folgen von Gewalt an Kindern verschließen, haben wir nicht wirklich etwas erreicht.

      Ein kleiner Klaps hat noch niemandem geschadet?

      2005 – fünf Jahre nach der Novellierung des §1631 Abs. 2 BGB – sorgte ein Berliner Generalstaatsanwalt für Aufruhr, als er öffentlich bekannte: »Einen Klaps lasse ich mir nicht verbieten.« Mit diesem Statement wurde eine neue Diskussion über den Sinn und Unsinn von körperlicher Gewalt, Ohrfeigen und Klapsen angestoßen. Jeder Klaps schadet! Die Haltung, dass die Erwachsenen ihre Macht über Kinder gewaltvoll ausüben dürfen, zeugt von einer geradezu archaischen, tief verwurzelten, oft selbst erfahrenen und nicht verarbeiteten Verletzung. Gewalt ist Gewalt. Genauso wenig, wie Frauen »ein bisschen schwanger« sein können, gibt es »ein bisschen Gewalt«. Dabei rechtfertigen Eltern ihr Tun meist als notwendige Erziehungsmaßnahme.

      Eine Mutter ist an einem sonnigen Frühlingstag mit ihrer einjährigen Tochter auf dem Weg zum Spielplatz. Das Mädchen sitzt im Kinderwagen und schaut interessiert in die Welt. Die Mütze rutscht ihr über die Augen, und sie zieht die störende Kopfbedeckung vom Kopf. Die Mutter wird nicht müde, ihr aus Sorge die Mütze immer wieder schützend über die Ohren zu ziehen. So entwickelt sich ein Hin und Her, und die Unzufriedenheit von Mutter und Kind steigert sich sekündlich. »Wenn du jetzt nicht aufhörst, dann muss ich dir wehtun! Wer nicht hören will, muss fühlen«, sagt die Mutter schließlich, nimmt die Hand des kleinen Mädchens, schlägt einmal fest zu und setzt ihm dann mit Nachdruck die Mütze wieder auf den Kopf.

      Freunde haben zum gemeinsamen Essen eingeladen. So sitzt ein junges Elternpaar mit seinem anderthalbjährigen Sohn am Tisch des befreundeten Pärchens. Der volle Teller steht vor dem Jungen, und er greift zu. Der Vater steht daraufhin auf, nimmt den Jungen vom Stuhl und stellt ihn vor sich hin. Mit der flachen Hand schlägt er ihm dann an den Kopf, nimmt ihn grob am Arm und setzt ihn unsanft wieder auf den Stuhl zurück. Die Freunde der Eltern sind schockiert und fragen verwundert nach, woraufhin der Vater mit Überzeugung in der Stimme begründet: »Wir beginnen immer gemeinsam mit dem Essen. Das weiß er ganz genau. Er muss lernen, dass er nicht alles mit uns machen kann und uns respektvoll begegnen soll.« Die Freunde der Eltern werfen ein, dass der Kleine doch erst anderthalb Jahre alt sei, der Vater jedoch beharrt auf seiner Meinung.

      In beiden Situationen übernehmen die Erwachsenen keine Verantwortung für ihr Handeln, im Gegenteil: Sie suggerieren noch, dass das Kind selbst daran schuld sei, dass es geschlagen wird. Für den Vater des kleinen Jungen gehört Gewalt als allgemein akzeptiertes Erziehungsmittel zum Umgang mit Kindern selbstverständlich dazu; die Mutter des kleinen Mädchens setzt ebenfalls Gewalt ein, wird jedoch von schlechtem Gewissen geplagt und rechtfertigt ihr Tun mit dem Satz: »Wer nicht hören will, muss fühlen!«

      Dabei erfahren die Kinder mit jedem Schlag eine ganz bestimmte Botschaft von ihren Eltern, nämlich die, dass sie »unpassend« sind, dass sie so, wie sie sind, »nicht richtig«, nicht gewollt und wertlos sind. Du bist nicht o. k., so wie du bist – es ist eine persönliche DEMÜTIGUNG, die zu einer Beschädigung des Selbst dieser Kinder führt und sie in ihrer seelischen Entwicklung stark beeinträchtigt. Dadurch kann es langfristig zu schweren ENTWICKLUNGSSTÖRUNGEN kommen.

      »Aggression, Wut und weitere Gewalt werden später dauerhaft Bestandteil in eigenen Beziehungen sein.«

      Beide Kinder drücken ihren Schmerz mit lautem Weinen aus. Dies hat zwei Gründe. Zunächst sind sie erschrocken über den unerwarteten Schmerz, den ihnen eine nahe, sonst so liebevolle Bezugsperson zugefügt hat. Dieser Person vertrauen sie ansonsten bedingungslos. Umso größer ist der jetzt empfundene Schmerz. Die Tränen drücken jedoch auch Schuldgefühle und die Empfindung von SCHAM angesichts der erfahrenen Entwürdigung aus. Dies spüren Kinder in jedem Alter. Später kann dieses Gefühl umschlagen in VERACHTUNG der einst vertrauten und geliebten Bezugsperson. Schwierig wird es auch, wenn Kinder aufgrund der erlebten Reaktion der Umwelt ihre Gefühle irgendwann für sich behalten und sie nicht mehr zum Ausdruck bringen, denn dann ist das Vertrauen nachhaltig gestört.

      Oft reagieren Eltern nicht nur auf das »Fehlverhalten« der Kinder mit Vorwürfen und Drohungen, sondern schimpfen und kritisieren sie auch noch wegen der folgenden Tränen. Dies stellt eine weitere Kränkung des Kindes dar. Es empfängt folgende Botschaft: Nicht nur mein Verhalten war verkehrt und hat Mutter / Vater gekränkt, auch mein Gefühl, die aufkommende Trauer, ist falsch und wird negativ bewertet.

      Diese stark emotionalen Erfahrungen werden gespeichert, miteinander gekoppelt und führen so im Gehirn zu bestimmten Vernetzungen, die die Betroffenen im Erwachsenenalter dann die erlebte Gewalt weitergeben lassen werden. Diese Mechanismen sind oft subtil und müssen sich nicht immer im sichtbaren Ausagieren von Gewalt manifestieren. Manchmal verdrängen Betroffene die erlittenen Demütigungen und Kränkungen sogar und glauben sich an eine gute Kindheit zu erinnern. Dennoch bringen genau diese verdrängten Erfahrungen die Menschen dann später dazu, ebenjene Gewalt, die sie selbst erfahren haben, als Erziehungsmittel einzusetzen. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um einen starren Automatismus, sondern um ein erkennbares Muster. Wir sind unseren Erfahrungen nicht hilflos ausgeliefert. Kommt ein innerer Prozess der Selbsterkenntnis in Gang, haben wir die Chance, diese erlebten Muster zu unterbrechen.

      Alice Miller hat schon vor Jahrzehnten aus psychoanalytischer Sicht eindrucksvoll nachgewiesen, dass »Klapse« die kindliche Entwicklung aus verschiedenen Gründen beschädigen: Sie …

       … bringen dem Kind Gewalt bei. Denn die Eltern fungieren als Vorbild!

       … zerstören beim Säugling und Kleinkind die unersetzliche Sicherheit, geliebt zu werden. Das Urvertrauen ist gestört – wie man auch beim Erwachsenen später erleben kann.

       … erzeugen Ängste beim Kind. Die Erwartung der nächsten Strafe ist immerzu präsent. Die Beziehung ist also nicht von Liebe und Vertrauen, sondern von Angst geprägt, und das Kind befindet sich im Dauerstress.

       … zerstören das Mitgefühl und die Sensibilität für andere und für sich selbst. Desensibilisierung

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