Du bist ok, so wie du bist. Katharina Saalfrank

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Du bist ok, so wie du bist - Katharina Saalfrank

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physiologische Bedingungen als Antwort auf unsere Erfahrungen entstehen.

      Was wir allerdings tun können, ist, von unseren eigenen Erfahrungen zu berichten, in einen ernsthaften und konstruktiven DIALOG mit Kindern zu gehen und ihnen zu erzählen, wie es bei uns war. Auch können wir Stellung beziehen: »Ich finde das gut« oder »Das habe ich anders gemacht«. Wir sollten jedoch nicht die Erwartung haben, dass das Kind dann den Drang, die Erfahrung selbst machen zu wollen, nicht mehr verspürt. Wichtig ist, dass Kinder (auch mit schwierigen Erfahrungen) nicht allein sind, dass sie Eltern haben, die sie in allen diesen Situationen begleiten und die als authentische Ansprechpartner zur Verfügung stehen.

      Unechte Harmonie schadet

      Ein anderer Erziehungsansatz – als der von Überbehütung und Schmerzvermeidung – beruht darauf, dass Eltern gleichbleibend »nett« agieren, um Konflikten aus dem Weg zu gehen. Dabei erleben Kinder ihre Eltern in ihrem Verhalten jedoch als unklar; sie können sie außerdem mit ihren Gedanken und Gefühlen und somit als echte Persönlichkeit mit eigenen Bedürfnissen nicht richtig wahrnehmen.

      Der fünfjährige Max ist mit seinen Eltern in einem Café. Max springt auf, nachdem er gut eine halbe Stunde ruhig am Tisch gesessen hat. Er rennt durch das Café und spielt Flugzeug, die Arme weit zur Seite ausgebreitet. Seine Eltern beobachten ihn. Sein Vater runzelt leicht die Stirn und überlegt, ob er etwas sagen soll. Im Vorbeirasen stößt Max nun an einen Stuhl. Es poltert, der Stuhl fällt um. Leise seufzend stellt der Vater den Stuhl wieder hin. Er sieht sich zu anderen Gästen um, die unruhig werden. »Max, hör bitte auf«, sagt er sanft lächelnd, seine Stimme ist jedoch gepresst und verrät seine Ungeduld. Max spielt weiter und scheint seinen Vater gar nicht gehört zu haben. Seine Mutter reagiert nun auch, sie wirkt angespannt, bittet Max jedoch ebenfalls lächelnd: »Max, spiel doch nicht so laut. Schau doch mal, ob du vielleicht draußen spielen kannst.«

      Zunächst: Max verhält sich völlig altersgerecht. Nach einer gewissen Zeit im Café mit seinen Eltern muss er sich bewegen und hat das Bedürfnis zu spielen. Max’ Eltern spüren, dass ihr Sohn die anderen Gäste stört, sie haben aber die Vorstellung, dass Eltern in ihrer Rolle vor allem »freundlich« sein sollen, und reagieren deshalb in der beschriebenen Form. Hierdurch allerdings entziehen sie sich gleichzeitig einem eventuell drohenden Konflikt mit ihrem Sohn, und Max verliert durch die »aufgesetzte Nettigkeit« AUTHENTISCHE Ansprechpartner. Er wird so einer grundlegenden Beziehungserfahrung beraubt.

      Klare Positionen beziehen

      Eltern wollen heute oft harmonische Übereinstimmung, erwarten Verständnis und meiden (vielleicht nur scheinbare) Konflikte mit ihren Kindern. Was würde passieren, wenn die Eltern Max das Spielen im Café untersagen und ihn bitten würden, nach draußen zu gehen? Entweder geht Max nach draußen und spielt dort weiter. Oder er wird ärgerlich und kommt der Aufforderung der Eltern nicht nach. Dann wäre ein Konflikt zu lösen. Eines wird jedenfalls nicht passieren, nämlich dass Max sich an seine Eltern wendet und sagt: »Ja, liebe Eltern. Ihr habt ja völlig recht, ich bin viel zu laut hier und sollte lieber draußen weiterspielen. Wie gut, dass ihr da seid und mich darauf hingewiesen habt. Und außerdem: Hier im Café ist es auch viel zu langweilig.«

      Diese Vorstellung mag zum Schmunzeln anregen. Meine Erfahrung ist, dass Eltern nicht selten (unbewusst) jedoch genau diese Erwartung haben. Letztendlich soll das Kind Verständnis für die Position der Erwachsenen haben. Das ist zu viel verlangt. Selbst wenn Max wütend werden und es zum Konflikt kommen würde, wäre das keine Katastrophe. So etwas gehört auch mit dazu, und es gilt, das auszuhalten. Ich erlebe häufig Eltern, die nicht wollen, dass ihr Kind weint und negative Gefühle hat. Sie fühlen sich dann schuldig und erleben sich als »schlechte« Eltern. Warum eigentlich? Weil sie ihre eigenen Bedürfnisse über die des Kindes stellen und sich klar positionieren? Hier macht der Ton die Musik, und die Frage ist nicht nur, was Eltern sagen, sondern vor allem, wie sie Stellung beziehen. Eine Möglichkeit wäre es, in dieser Situation zu sagen: »Max, du hast lange bei uns gesessen. Hier stört es nun, wenn du spielst. Mach das bitte vor der Tür.« Nicht böse, nicht ärgerlich, sondern RUHIG, FREUNDLICH und KLAR. Das entspräche dem eigentlichen Gefühl der Eltern und wäre authentisch. Ein Kind kann damit gut umgehen.

      Raus aus den eigenen erlernten Emotions- und Handlungsmustern

      In beiden Situationen – in der Spielplatzszene mit Charlotte und in der Szene im Café mit Max – wird die Unsicherheit von Eltern offenkundig und ihr Bemühen, sich autoritärer Erziehungskonzepte zu enthalten. Die Eltern versuchen es in beiden Fällen anders. Dennoch: Zunächst einmal gibt es ja gar keinen Konflikt zwischen Erwachsenen und Kindern. Was aber, wenn Charlotte irgendwann allein das Klettergerüst erkunden will, die Hilfe der Mutter ablehnt und sich so ihre Autonomie erkämpft? Und was, wenn Max auf die immer gleichbleibend freundliche Ansprache seiner Eltern hin einmal nicht »funktioniert« und ebenfalls autonom entscheidet, weiter im Café zu spielen?

      Sobald Kinder sich in diesen und ähnlichen Situationen nicht der meist unausgesprochenen Erwartungshaltung der Eltern unterordnen und mehr AUTONOMIE fordern, kommt es zu Konflikten. Die Eltern müssen sich positionieren, kommen jedoch mit ihren (neuen) erzieherischen Ansätzen nicht weiter.

      »Bei Konflikten fallen Eltern häufig automatisch in etwas lange zuvor Gelerntes zurück, nämlich in (selbst erlebte) autoritäre Erziehungsmuster.«

      Lernen mit Gefühl

      All unser Handeln ist an Gefühle gekoppelt. Jede Erfahrung ist im Gehirn mit einer bestimmten Emotion verbunden. Diese Emotion wird gespeichert und mit entsprechenden Handlungsmustern verknüpft. Sobald Menschen in eine Situation geraten, die dieser Erfahrung entspricht oder nahekommt, wird auch die mit ihr verbundene Emotion wieder abgerufen, und die mit ihr verknüpften Reaktions- und Handlungsmuster können wieder in Kraft treten.

      Man kann oft beobachten, dass gerade Menschen, die im öffentlichen Leben souverän und bedacht auftreten, in Situationen, die besonders emotional sind und »unter die Haut« gehen – also gerade im familiären Bereich, wo eine intensive Beziehungsarbeit notwendig ist –, durch diese emotionalen Kopplungen unbewusst in alte Muster zurückfallen.

      Sie greifen dann zum Beispiel auf Strafen, und seien es auch nur kleine, auf Druck oder auch gewaltsame Durchsetzungsmittel zurück. Ausgerechnet diese rücksichtslosen und oft selbst als machtvoll und gewaltsam erlebten Erziehungsmethoden sind es, die sie dann anwenden – obwohl sie geglaubt hatten, diese längst überwunden zu haben.

      Ohne einen entsprechenden EIGENEN ERKENNTNISPROZESS ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass zum Beispiel eine Mutter, die selbst noch streng und autoritär erzogen wurde, in einer emotionalen Konfliktsituation ihrem Kind gegenüber unbewusst auch erst mal in ein autoritäres Handlungsmuster verfällt. Nicht etwa, weil sie sich bewusst dafür entscheidet, sondern weil durch die starke Emotion, die mit der aktuellen Konfliktsituation verbunden ist, eine Brücke zu einer entsprechenden, früher selbst erfahrenen Reaktion geschlagen wird. Und so geschieht es, dass eine Mutter oder ein Vater dann sagen: »Ich wollte gar nicht schlagen – es ist einfach passiert!« In der Regel sind Eltern darüber nicht glücklich, und es tut ihnen leid. Manchmal drückt sich ihr schlechtes Gewissen dadurch aus, dass sie ihr Handeln zu rechtfertigen suchen (»Du hast es aber auch übertrieben!«).

      Manche Eltern wollen jedoch ganz bewusst aus diesem Muster »aussteigen«. Dies kann nur durch einen inneren Prozess gelingen. Wenn Eltern es schaffen, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen und nicht dem Kind die Schuld zu geben (»Du hast dich nicht gut verhalten, ich konnte deshalb nicht anders«), kann ein solcher Prozess in Gang kommen, und über SELBSTREFLEXION können neue Handlungsmuster und Haltungen entstehen, die an ein anderes Gefühl gekoppelt werden.

      Gerade weil die Unsicherheit

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