Die Zuckermeister (1). Der magische Pakt. tanja Voosen
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Читать онлайн книгу Die Zuckermeister (1). Der magische Pakt - tanja Voosen страница 3
Ihr Bruder ignorierte sie und schlürfte lautstark sein Frühstück, als gäbe es nichts Köstlicheres auf der Welt.
Genervt stand Elina auf und wurde auf dem Weg zum Badezimmer fast von ihrem Vater umgerannt, der nun seine Brille auf der Nase sitzen hatte, aber trotzdem keinen Gang runterzuschalten schien. »Ich muss da leider vor dir rein!«, sagte er.
Wusch!, knallte die Tür zu und Elina hämmerte dagegen.
»Papa, ich muss gleich zur Schule!«
»Elina, sagst du Papa, dass ich schon los bin?«, rief ihre Mutter. »Ich muss für den gestrigen Verkauf einer Immobilie noch einen Vertrag im Büro aufsetzen.«
»Mama, warte!«, erwiderte sie. Doch als Elina in die Küche kam, waren der Papierstapel und auch ihre Mutter verschwunden. Seufzend ließ sie die Schultern hängen. Jetzt hatte sie gar nicht fragen können, wann sie gemeinsam ihre Geburtstagseinladungen erstellen und drucken würden. Wie blöd!
Und Zeit, sich umzuziehen, hatte sie jetzt auch nicht mehr, denn ihr Papa schmiss im Bad eine schrille Gesangseinlage und schien da nicht so bald herauszukommen, und Piet saß immer noch am Tisch und machte keine Anstalten, sich fertig zu machen.
Fünf Minuten später hatte Elina ihn dazu gebracht, sich Jacke und Schuhe anzuziehen, und die beiden verließen das Haus. Manchmal nervte ihre Chaosfamilie so sehr! Ohne Opa würde hier echt noch die Apokalypse ausbrechen!
Gedankenverloren schloss sie die Haustür, da hörte sie die fröhliche Stimme ihrer Nachbarin. »Morgen! Sollen wir euch mitnehmen? Ida und Pauline haben heute später Schule und in der Garage ist noch ein Kindersitz.«
Elina blickte zu Frau Sommerfeld, die hinter dem Gartenzaun stand und mit dem sonnenblumengelben Kleid, der weißen Strickjacke und den glänzenden Haaren wie eine Katalogmutter aussah. Das war die Sache mit den Sommerfelds – jeder aus der Familie sah immer wie aus dem Ei gepellt aus. Als würden sie ohne große Mühe bereits glamourös aus dem Bett rollen. Und sie? Tja, sie schaffte es nicht mal ohne einen blöden Fleck auf dem Shirt aus dem Haus …
»Das ist nett, aber wir nehmen lieber den Bus.«
Piet packte Elina am Ärmel ihrer Jeansjacke. »Was? Wieso denn?«
Elina zögerte. Es lag ganz und gar nicht an Frau Sommerfeld. Diese war mit ihrer Mutter befreundet und echt okay. Es lag an …
»Habe mein Mathebuch gefunden, wir können fahren!«, sagte Charlie, die aus der Tür des Nachbarhauses trat, als habe sie einen siebten Sinn für Leute, die sie auf einen anderen Planeten wünschten. Elina bemühte sich, keine Miene zu verziehen. Irgendwann, vermutlich in der Steinzeit, hatten Charlie und Elina mal zusammen im Sandkasten gespielt, doch Charlie lebte, wie auch ihre Schwestern, in ihrer eigenen Glitzerwelt und zu der gehörte Elina nicht dazu. Sie hatte Piet und Elina natürlich schon ins Visier genommen. »Was machen die hier?«
Hier wohnen! Atmen! Existieren!
Elina zwang sich zu einem höflichen »Hey«, auch wenn sie lieber in der ersten Reihen beim Seniorenbingo gesessen hätte – und da spuckte Frau Fischer, eine Freundin ihres Opas, beim Vorlesen jeder Zahl, als wäre sie bei einem Wettbewerb für Lamas.
Für den skeptischen Blick, mit dem Charlie sie musterte, hätte Elina sie auch mal gerne an einen Stuhl dort festgebunden. Was gab es an denn an einem geflochtenen Zopf und ihrer alten Jeansjacke mit den vielen Aufnähern oder dem roten Shirt darunter nun wieder auszusetzen? Ja, gut … der Milchfleck, aber trotzdem!
»Na, wir nehmen die beiden mit«, verkündete Frau Sommerfeld.
Charlie und Elina konnten nichts mehr sagen, denn Piet lief begeistert zum Gartentor. Widerwillig folgte Elina ihm.
Als alle im Wagen saßen und angeschnallt waren, fuhr Frau Sommerfeld los. Elina war froh, dass Charlie sich nach vorne gesetzt hatte. So hatte sie wenigstens ihre Ruhe.
»Deine Mutter meinte, du hast ausgezeichnete Noten, Elina!«, begann Frau Sommerfeld ein Gespräch. »Ich finde es toll, dass du immer so fleißig lernst.«
Oder doch nicht … was sollte sie dazu sagen? Ihr war es unangenehm, vor Charlie gelobt zu werden. Die erzählte bestimmt in der Schule rum, dass Elina sich bei ihrer Mutter eingeschleimt hatte. Viele hielten sie eh schon für eine Streberin.
Piet machte sich im Kindersitz kleiner. Frau Sommerfeld bedachte ihn im Rückspiegel mit einem Lächeln. Sein Hundebabyblick rettete ihn vor dem Elternquiz, der Glückliche!
Elina kam nicht so leicht davon, denn Frau Sommerfeld plapperte unbeschwert weiter. »Ihr schreibt doch bald diesen wichtigen Deutschtest. Könntest du Charlotte nicht ein wenig Nachhilfe geben?«
»Mama!«, rief Charlie empört. »Ich brauche keine Hilfe!«
»Oh, ich denke schon«, erwiderte Frau Sommerfeld. »Ist doch nichts dabei, sich gegenseitig unter die Arme zu greifen. Ihr geht doch in dieselbe Klasse.«
Elina schwieg. Charlie bekam echt alles in den falschen Hals. Vielleicht ließ Frau Sommerfeld das Thema ja fallen, wenn sie sich da raushielt. Sie schaute nach draußen und wünschte sich weit weg. Vielleicht sollte sie sich einfach einem Wanderzirkus anschließen, dann musste sie zwar ein albernes Kostüm tragen, aber Charlie nicht mehr jeden Tag sehen. Elinas Blick blieb am Außenspiegel des Wagens hängen. Bildete sie sich das ein oder sah Charlie geknickt aus? Groß darüber nachdenken konnte sie nicht, denn da verfinsterte sich Charlies Miene und sie grummelte: »Ich will ihre Hilfe nicht.«
Und ich will dir gar nicht helfen, dachte Elina verärgert.
Frau Sommerfeld seufzte. Sie schien verstanden zu haben, dass sie aus Charlie und Elina keine Freundinnen machte, auch wenn sie es immer mal wieder versuchte. Sie wechselte das Thema und plapperte über allerlei anderen Kram: den gestrigen Sturm, der ihre Petunien geköpft hatte oder den unfreundlichen neuen Postboten. Elina war das allemal lieber, als weiter ausgequetscht oder freundschaftsverkuppelt zu werden.
Sie setzten Piet an seiner Schule ab, dann ging es weiter zu der von Elina und Charlie.
»Habt einen schönen Tag!«, rief Frau Sommerfeld, doch Charlie war bereits aus dem Wagen gesprungen und verschwunden. Natürlich, Charlie wurde sicher von ihrem Hofstaat erwartet … Elina ignorierte den Stich, den ihr der Gedanke versetzte, dass niemand auf dem Pausenhof sie erwartete, und zwang sich zu einem Lächeln. »Danke fürs Mitnehmen!«
Als sie im Schulgebäude mit dem weißen Anstrich und dem roten Dach verschwand und durch die Flure lief, fühlte sich sie sofort einsam, auch wenn das Gefühl nicht neu war.
Alle waren in Grüppchen unterwegs, nur sie nicht. Jeder hier hatte beste Freunde oder hing in den Pausen gemeinsam ab. Elina hatte echt versucht dazuzugehören, aber nie so wirklich Anschluss gefunden. Eine Verabredung fürs Kino? Ihr Bus kam zu spät und die anderen waren ohne sie in den Saal. Die Mädchen ihrer Klasse trafen sich zum Rollschuhfahren? Elina wurde zur Lachnummer, weil sie sich kaum vom Rand wegbewegte. Chillen im Schwimmbad? Elina konnte bei den Gesprächen über den neusten Tratsch, Pferde und Computerspiele nie richtig mitreden. Sogar beim Hockeytraining, wo sie sich mit allen ganz gut verstand, hatte es nie richtig Klick zwischen ihr und den anderen gemacht. Dabei brauchte Elina doch nur eine Chance zu zeigen, was in ihr steckte! Wie eine Geburtstagsparty mit spaßigem Motto, wo alle die wahre Elina kennenlernen konnten.
Jemand rempelte sie unsanft an und riss