Ein Gloria zum Sterben. Susanne Gantner

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Ein Gloria zum Sterben - Susanne Gantner  Zürich-Krimi Stampfli

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gar nicht. Ich glaube, der Chorleiter hatte Melanie das Solo anvertraut, damit sie auch einmal im Zentrum stehen konnte. Es war ihr so wichtig. Es ist traurig, dass sie Weihnachten nicht erleben durfte.»

      «Sie mochten Frau Hug?»

      «Sie wurde von allen Chormitgliedern gehasst und gemobbt. Warum? Mir tat Melanie vor allem leid. Sie war nur eine ältere, mollige Frau, die Liebe brauchte. Hinter ihrem abweisenden Wesen versteckten sich vermutlich Unsicherheit und Angst vor Nähe. Jetzt ist sie umgebracht worden. Das ist furchtbar.»

      «Sie haben Frau Hug nicht gehasst?»

      «Nein.»

      «Ist Ihnen in letzter Zeit etwas an Frau Hug aufgefallen? War sie irgendwie anders, ängstlich?»

      «Mir ist nichts aufgefallen.»

      «Waren Sie nach der Probe auch im „Leuen“?», fragte Bonsai, nachdem er einen Blick auf seinen Notizblock geworfen hatte.

      «Nein. Ich musste noch aufs Klo. Als ich herauskam, waren die anderen bereits verschwunden. Ich hatte leichte Kopfschmerzen und bin nach Hause gegangen.»

      «Befanden sich Hansueli Meier und Fritz Zürcher noch in der Kirche, als sie zur Toilette gingen? Sie ist ja draussen beim Friedhof.»

      «Ich habe nicht darauf geachtet.»

      «Haben Sie jemanden auf dem Weg zum WC gesehen oder nachher, als Sie rauskamen?»

      «N-nein.» Carmen presste die Lippen zusammen.

      «Sicher nicht?»

      «Nein.»

      «Sind Sie zu Fuss nach Hause gegangen?»

      «Nein, mit dem Fahrrad.» Carmen fuhr sich mit der linken Hand durch die Haare.

      «Hat Sie jemand gesehen?»

      «Ich glaube nicht, warum fragen Sie?»

      «Nur so. Hat Sie jemand zu Hause erwartet?»

      «Nein, ich lebe alleine!»

      «Wann sind Sie dort angekommen?»

      «Ich habe nicht darauf geachtet.»

      «Danke, Frau Vico. Wenn wir noch Fragen haben, melden wir uns wieder. Bitte halten Sie sich auf alle Fälle zu unserer Verfügung.»

      «Okay, guten Abend». Und weg war die Schöne.

      «Sie ist verdächtig», stammelte Bonsai, kaum war die Tür zu.

      «Ja», meinte Stampfli lakonisch. «Auf jeden Fall sagt sie nicht die Wahrheit. Möglicherweise deckt sie den Mörder oder sie war es selbst. Dieses Gesäusel von wegen Mitleid mit Melanie glaube ich ihr auch nicht. Sie muss doch wahnsinnig eifersüchtig auf die Frau gewesen sein, die ihr die Solopartie wegnahm.»

      «Wir werden sehen», stimmte Bonsai zu.

      Es klopfte. «Ja!», rief Heiri.

      Wieder ertönte ein leises Klopfzeichen. «Kommen Sie doch herein.»

      Nichts. Bonsai stand auf und öffnete die Tür.

      Ein buckliger Mann mit weissem Flaum auf dem spiegelglatten Schädel trat schlurfend ein.

      «Wie ist Ihr Name?»

      «Hä?»

      «Wie heissen Sie? Ich bin Heiri Stampfli von der Kantonspolizei und das ist mein Mitarbeiter Delafontaine.»

      «Hä?»

      Nach endloser Fragerei stellte sich heraus, dass der Mann im Bass sang und Hans Winter hiess. Er trug zwar in beiden Ohren ein Hörgerät, aber die Unterhaltung war mehr als mühsam. Er hatte nichts gesehen und nach der Probe mit den anderen den „Leuen“ besucht.

      Entnervt schickte ihn Stampfli nach Hause. Der Mann hatte mit Sicherheit nichts mit dem Mord zu tun.

      «Mein Gott, was tut so einer in einem Kirchenchor? Er hört ja kaum etwas», beschwerte sich Bonsai.

      «Wahrscheinlich ist er im Quartier beliebt und deshalb wollte ihn niemand zurückweisen», meinte Stampfli. «Seine Stimme ist so leise, da hört man es nicht, wenn er falsch singt.»

      Die Nächste, Marili Schneeberger vom Sopran, war jung und fad. Man musste jeden Satz aus ihr herausklauben. Sie hatte weder Beobachtungen gemacht noch eine Meinung zum Geschehen und sie war im „Leuen“ dabei gewesen. Ihre Stimme ähnelte einem Vogelgezwitscher.

      «Ist nicht leicht, einen Kirchenchor zu leiten», meinte der Ermittler, nachdem die Frau den Raum verlassen hatte. «Wir hören auf für heute. Morgen führen Heinz und Sonja die Befragungen durch. Wir beide haben um 9 Uhr eine Sitzung in der Kripoleitstelle. Hoffentlich hat der Rechtsmediziner bis dann erste Erkenntnisse. Ich kann dich nicht in meinem Auto mitnehmen. Du bist ja mit deiner Vespa gekommen.»

      «Egal. Ich fahre gerne ein bisschen durch die Nacht. Schlaf gut, Heiri.»

      «Du auch, Bonsai.»

      VIER

      Am nächsten Morgen fand das Treffen um 9 Uhr in der Kripoleitstelle an der Kasernenstrasse in der Nähe des Zürcher Hauptbahnhofs statt. Es nahmen teil: Alex Stammbach, der Brandtouroffizier*, der Rechtsmediziner Dr. Otto Balzli, Staatsanwalt Dr. Reinhard Merian, ein Vertreter der Informationsabteilung, ein Forensiker namens Anton Loosli, und natürlich Stampfli und Bonsai.

      Alex Stammbach eröffnete die Sitzung. «Tschau zäme*. Ihr wisst alle, worum es geht? Ein Mitglied des Kirchenchors ist gestern Morgen in der St. Fabian Kirche erstochen aufgefunden worden. Heiri Stampfli und Bonsai haben die ersten Befragungen durchgeführt. Zuvor wurde der Tatort von unseren Forensikern gründlich untersucht. Anton Loosli, gibt es da schon Erkenntnisse?»

      «Wir haben unzählige Fingerabdrücke gesichert, aber ich denke nicht, dass das irgendetwas bringt. Die Tatwaffe haben wir bisher nicht gefunden.»

      «Otto Balzli?»

      «Viel kann ich nicht bieten. Ich habe die Frau zusammen mit meinem Kollegen Dr. Schmidt obduziert. Sie wurde von hinten mit einem langen Messer erstochen, es kann sich um ein spezielles Küchenmesser handeln. Der Stich ging direkt unter dem linken Schulterblatt durch ins Herz. Das erklärt das viele Blut, bis der Tod nach kurzer Zeit eintrat. Abwehrspuren gibt es keine, also auch keine DNA unter den Fingernägeln, woraus wir Rückschlüsse auf den Täter oder die Täterin ziehen könnten. Das Opfer stand an der Brüstung und hat den Mörder oder die Mörderin wohl nicht bemerkt, bis es zu spät war. Etwas Wichtiges gibt es allerdings: Vermutlich wurde die Tat von einem Linkshänder/einer Linkshänderin begangen. Diesen Schluss lässt der Einstichwinkel zu. Das schränkt sicher den Kreis der Verdächtigen ein. Der Vollständigkeit halber muss ich aber sagen, dass auch ein Rechtshänder mit der linken Hand zustechen kann. Es ist jedoch eher selten der Fall.»

      Staatsanwalt Dr. Reinhard Merian, der heute wieder geschniegelt im Massanzug und mit einem gestärkten weissen Hemd auftrat, zog bei dieser Bemerkung verächtlich eine Augenbraue hoch. «Stampfli, damit

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