ATEMZUG. Eveline Keller

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу ATEMZUG - Eveline Keller страница 11

ATEMZUG - Eveline Keller

Скачать книгу

pfänden können. Liz hatte es zu Beginn versucht und ihn betreiben lassen, dazu musste sie erstmal Gebühren vorschießen und beim Amt vorsprechen. Am Ende war für sie kein Rappen dabei herausgesprungen, und stattdessen einen Verlustschein erhalten. Damit konnte sie sich nichts kaufen, man konnte sich damit nicht mal richtig den Hintern wischen. Also versuchte sie umsichtig zu wirtschaften, dass ihr Lohn für ihre Jungs und sie reichte.

      Wären da nicht Arnies Schutzgeldforderungen, deretwegen sich bei ihr mittlerweile ein Schuldenberg angehäuft hatte. Alle paar Monate rief er an und drohte die Kinder zu entführen, wenn sie nicht eine bestimmte Summe zahlte. Sie hatte sich anfangs gewehrt, ihn angefleht und ihn beschworen damit aufzuhören, bis sie heiser war. Sie hatte ihm gedroht und sämtliche Überredungskünste angewendet; ihr wurde heute noch übel, wie sie gebettelt hatte. Doch er blieb stur. Und so liefen die Gespräche nun ziemlich einsilbig ab.

      Es wurde für Liz zu einem nicht enden wollenden Albtraum. Ihre anfängliche Angst, dass er die Kinder verschwinden lassen würde, hatte sich mit der Zeit auf eine dumpfe Bedrohung reduziert. Immer wieder raubte es ihr den Schlaf. Bisher waren die Forderungen und die Geldübergaben immer gleich verlaufen. Liz wagte nicht daran zu denken, was geschähe, wenn Arnie plötzlich neue Bedingungen stellen würde.

      Die latenten Erpressungen wurden unerträglich und ihre Schulden türmten sich immer höher. Eine Lösung musste her. Sie hatte auch eine Idee wie. Heute war ein besonderer Tag. Es war der Tag, an dem sie sich von diesem Blutsauger Ex für alle Zeiten befreien würde. Wenn alles nach Plan verlief, würde sie ihn heute zum letzten Mal sehen. Aus naheliegenden Gründen war sie nicht traurig über das Ende. Und diesmal hatte Arnie am Telefon einen unanständig hohen Betrag gefordert, weil er sich ins Ausland absetzen wollte. Er wird hoffentlich nie mehr wiederkommen. Versprochen hatte er es und auf seine verstorbene Großmutter geschworen. Gott hab sie selig, und die Bibel.

      Liz wollte dafür sorgen, dass er sein Versprechen hielt und wenn nötig etwas nachhelfen. Ihr Plan war einfach. Verstohlen griff sie in ihre Handtasche und berührte den kalten Stahl. Sie bekam eine Gänsehaut. Sie hatte den Revolver schon mal getestet und damit auf einem abgelegenen Fabrikareal Schießübungen absolviert. T rotzdem war ihr das Vorhaben unheimlich, denn sie wusste, bedrohte Menschen neigten zu unerwarteten Reaktionen. Und derjenige, der die Waffe hielt, musste sich nur zu einer impulsiven Bewegung hinreißen lassen, schon war einer, peng, tot!

      Sie erschauerte. Zweifel stiegen in ihr hoch. War das wirklich eine gute Idee? Doch sie handelte aus der Not und mit dem Mut der Verzweiflung. Sie musste die unsägliche Abwärtsspirale von Erpressung, Angst und Schuldenberg durchbrechen. Die Waffe war ein Mittel, um ihre Freiheit wieder zu erlangen. Liz war fest entschlossen sich heute das Problem Arnie vom Hals zu schaffen.

      8.

      Arnie wartete wie verabredet bei der leerstehenden Fabrikruine am Rande des Industriegebietes. Das baufällige Gebäude lag abgelegen. Auch unter der Woche verirrte sich selten jemand hierher. Es diente spielenden Kindern als Mutprobe, oder sie veranstalteten Zielschießen auf die kaputten Fenster.

      Das ehemalige Metallveredelungswerk stammte aus dem Jahr 1943 und hatte seine Blütezeit in den fünfziger und sechziger Jahren gehabt. Damals wusste man noch wenig über mögliche Folgeschäden, die durch die krebserregenden Substanzen, die bei der Metallveredelung verwendet wurden, entstehen konnten. Entsprechend sorglos ging man im Werk damit um und schützten sich nur mangelhaft.

      Irgendwann in den Achtzigern war die Produktion aufgrund neuer Sicherheitsverordnungen und Umweltgesetze in den Osten nach Polen verlagert worden. Das Gebäude und der Vorplatz wurde danach an Kleingewerbe weitervermietet, an einen Autospengler, eine Transportfirma und einen Getränkehändler. Dann als der Eigentümer starb, vererbte er das Fabrik-Areal der Stadt Winterthur. Die Freude über dieses Geschenk währte nicht lange.

      Später vermutete man, dass der Besitzer um die Giftfässer wusste, die jahrelang in den Boden neben der Fabrik entsorgt worden waren. Erst Jahre später, in den Neunzigern, entdeckte man als man eine Umnutzung des Areals plante, die unsachgemäß eingelagerten Fässer. Der Skandal ging durch die Presse und auch die letzten Mieter suchten das Weite.

      Eine Untersuchung der Bodenbeschaffenheit hatte ergeben, dass alles in und um die Hallen herum derart mit Giftstoffen belastet war, dass Abbau und Entsorgung sehr teuer werden würden. Also schob man das Projekt auf, und seither dämmerte das Areal vor sich hin und war dem Zerfall und der wuchernden Natur ausgeliefert.

      Arnie war überpünktlich, eigentlich zu früh. Er wollte abkassieren, da war immer hundertprozentig Verlass auf ihn. Diesem Gedanken hing er für einen Augenblick nach und grinste, sodass sich sein Doppelkinn faltete. Er hätte Steuereintreiber werden sollen, dachte er. Am nötigen Biss dazu würde es ihm nicht fehlen.

      Die Sonne sank immer tiefer und tauchte die Umgebung in rötlich braunes Licht. Arnie drückte seine Zigarette aus und steckte sich gleich die nächste an. Er sollte das Rauchen aufgeben. Es war ungesund und überall wurde es verboten. Aber so vieles, was Spaß machte war ungesund. Gesund zu leben war etwas für Langweiler. Er jedenfalls hatte dazu keine Lust. Wozu auch? Um gesund zu sterben?

      Seine Gedanken wanderten weiter und er dachte lieber an die Zukunft. Was würde er mit dem ganzen Geld machen, wenn er es geschafft hatte? Es war der Superknüller seiner ganzen Verbrecherkarriere, sozusagen sein persönlicher Höhepunkt. Und das Beste war: Er hatte Glitter-Glamy die Beute vor der Nase weggeschnappt.

      Ach, Schadenfreude war die schönste Freude. Diese bescheuerte alte Tante, mit ihrer Besessenheit für Diamanten. Sie wird sich vor Wut in den Stiefel gebissen haben, als sie vor dem leeren Safe stand. Sie und ihre Ganovenehre waren sowieso Relikte aus vergangenen Zeiten. Heute lief alles schneller ab, war unpersönlicher und die meisten Kriminellen hielten nichts von dem alten Schmäh.

      Und wenn die Safeknackerin erfuhr, wer sie reingelegt hatte, dann… Ha! Arnie klopfte sich auf die Schenkel und zerdrückte vor Lachen eine Träne. Was würde er darum geben, ihre dumme Visage dabei zu sehen. Das war der beste Witz, den er je gehört hatte. Er hatte immer schon Sinn für Humor. Und er, Arnie hatte den Witz erfunden. Ha!

      In seinen goldenen Hirnzellen war er entstanden. Man konnte vieles über ihn behaupten, aber er war nicht unintelligent. Zufrieden mit dieser Selbsterkenntnis rutschte er etwas tiefer in seinen Sitz.

      Die Idee war ihm bei einem Besuch in einem Swinger-Club gekommen. Er hatte sich mit einer gutgebauten Dame, undefinierbaren Alters für ein Nümmerchen ins Separee zurückgezogen. Ihr unersättlicher Appetit erforderte all seine Energie. Endlich schien sie zufrieden, ließ von ihm ab und so lagen sie nebeneinander, satt und matt. Da begann sie zu plaudern, über sich, ihr Leben und ihren Mann. Arnie döste gelangweilt weiter. Als sie jedoch erwähnte, dass ihr Mann ein Juwelier war, klingelte es bei ihm wie in einer Registrierkasse. Nun, hellwach, mimte er weiter gequälte Höflichkeit beim Zuhören. Eine unverfängliche Frage hier, und eine da, bescherten ihm wertvolle Informationen.

      Die kleinen Zahnrädchen in seinem Kopf begannen emsig ineinander zu greifen und formten einen Plan. Offenbar hatte der Juwelier einen Tick, ja fast schon eine Manie, was die Sicherheit seiner Edelsteine betraf. Trotz Alarmanlage und topaktuellem Sicherheitssystem für den Safe, traute er der Sache nicht und war krankhaft vorsichtig. Wenn er zum Beispiel vor einer Auktion eine größere Menge Diamanten aufbewahrte, und er befürchtete, dass eingebrochen werden könnte, schien ihm der Safe zu unsicher. Dann räumte er die Juwelen um, und zwar in den Tresor in seinem Büro. Er hoffte, so den Ganoven ein Schnippchen zu schlagen.

      Nur, diesmal war es umgekehrt gelaufen. Arnie hatte den Juwelier ausgetrickst. Er musste lachen. Dass er ausgerechnet auf die Frau des Bijoutier traf, war pures Glück gewesen. Sie konnten beide voneinander profitieren, war quasi eine klassische Win-win-Situation.

      Er summte

Скачать книгу