ATEMZUG. Eveline Keller

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ATEMZUG - Eveline Keller

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Tricks, um für Ablenkung zu sorgen. Und allemal spannender als das aktuelle TV-Programm, trotz einer Auswahl aus über Hundert Sendern.

      Er spürte wie sein Blut anfing zu pumpen. Es war ihm manchmal peinlich, wie sein Körper reagierte, wenn er Frauen in filigraner Unterwäsche sah, die die Vorzüge des weiblichen Körpers ausgezeichnet zur Geltung brachten. Da kam es vor, dass sein Verlangen überhandnahm und seinen Verstand außer Gefecht setzte. Würde sich das nie ändern, fragte er sich.

      Solange er zurückdenken konnte, war das so. Entspannt legte er seine Füße hoch und dachte an einen peinlichen Vorfall, den er mit achtzehn erlebte. Es war an einem Morgen gewesen, er stand kurz vor der Maturaprüfung. Die Mathestunden waren ausgefallen, und er war gelangweilt durch eines der großen Warenhäuser an der Bahnhofstrasse gestreift. Vor der Abteilung mit Damenunterwäsche blieb er stehen und betrachtete neugierig die Auslage. In einem biederen Haushalt aufgewachsen, sah er solch verführerische Kreationen zum ersten Mal. Doch in einer Abteilung wo es um die Intimwäsche der Frauen ging, waren Männer, zumindest zu der Zeit verpönt. Darum hatte sich Harry erst umgeschaut, doch so früh am Morgen schien die Abteilung leer zu sein. Keine Menschenseele weit und breit. Zögernd betrat er die ihm fremde Welt. In Erwartung, dass jeden Augenblick jemand den Kopf hervorstrecken würde, und ihn anfuhr, stahl er sich von Ständer zu Ständer. Doch nichts geschah.

      In erotischen Details malt er sich aus wie sich die Büstenhalter, Mieder und Slips an die weiblichen Rundungen schmiegten. Die Erregung brachte sein Blut in Wallung, es pochte durch seinen Körper, ihm wurde heiß und sein Atem ging als wäre er vier Stockwerke hochgestiegen. Ganz zart strich er mit der Hand über die mit Spitzen verzierte Wäsche. Sie war seidenweich, nur schon die Berührung bereitete ihm sinnliches Vergnügen. Da blieb er mit einem Fingernagel an einem Tanga hängen. Nervös riss er sich los.

      Das war zu heftig, für das filigrane Gewebe und ein kleines Loch war entstanden. Was nun? Der String war teuer, sein Taschengeld reichte dafür nicht aus. Vielleicht konnte er es verschwinden lassen. Er ging zu den Umkleidekabinen. Ein liegengebliebener Tanga würde hier nicht auffallen.

      Das erste Abteil war unbesetzt. Mit angehaltenem Atem zog er den Vorhang zur Seite und stieß erleichtert die Luft aus. Hier würde es gehen. Doch im nächsten Moment fand er sich Auge in Auge, mit einer Verkäuferin wieder. Ihr freundliches Lächeln wechselte, im Bruchteil einer Sekunde, auf Empörung. »Und bitte was suchen Sie hier? Männerunterwäsche gibt’s im Ersten!«, herrschte sie ihn an. »Bitte gehen Sie unverzüglich, junger Mann! Oder ich rufe den Chef und lasse Sie entfernen.« Und schon drosch sie mit einer Handvoll Kleiderbügel auf ihn ein.

      »Ich wollte nur – Autsch! Ich gehe ja schon!« Er war Hilfe suchend dem Ausgang zugeeilt, um ihren Schlägen zu entkommen.

      Harry räkelte sich auf seiner Sitzgruppe, auf der gut eine ganze Fußballmannschaft Platz gefunden hätte. Der String war noch irgendwo zwischen seinen Studiensachen. Zufrieden grinsend kehrten seine Gedanken wieder zurück, zur aktuellen Situation. Er nahm einen Schluck aus der Bierflasche. Es war logisch, dass ihm die Frau mit den Strümpfen gefallen hatte.

      Da bliebe sein Blick an den Bildern hängen, die vor ihm über den Bildschirm flimmerten. Was die blonde Sprecherin der Abendnachrichten erwähnte, ließ ihn aufhorchen und er stellte den Ton lauter: »…hat ergeben, dass es sich bei dem Einbruch in das renommierte Juweliergeschäft von van Hohenstett, um den Coup des Jahres handelte. Die Diebe erbeuteten nach neuester Schätzung Diamanten im Wert von nahezu fünfzehn Millionen Schweizer Franken. Die Polizei tappt noch weitgehend im Dunkeln über die Täterschaft. Staatsanwalt Bennet war heute zu keiner Stellungnahme zu erreichbar. Es herrscht Nachrichtensperre.

      Wie wir aus gut unterrichteter Quelle erfahren haben, hatten die Einbrecher vermutlich Helfer. Die Türen waren nicht aufgebrochen worden und der Laden war nach Angaben des Juweliers mit einer Alarmanlage gesichert.«

      Harry sprang auf: Wer hatte da geplaudert? Sein Assistent hatte heute mehrere Anrufe von Journalisten abgewiesen, aus genau diesem Grund. Sie wollten alle aus ihnen irgendeine Antwort heraus kitzeln und sie mit Fangfragen zu einer Stellungnahme drängen. Das waren sie sich gewohnt, hinderte sie jedoch oft ihre Arbeit zu machen.

      Wie üblich, hatten sie die Medien an ihre Pressesprecherin verwiesen, die wird sie in regelmäßigen Abständen mit Mitteilungen versorgen. Denn falsche Zitate richtigzustellen, diese Mühe machte sich heute kaum jemand mehr, weil keiner zuhörte.

      Er zog es vor, sich mit der Lösung des Falles zu beschäftigen. Die Beamten hatten bereits alle Mitarbeiter der Bewachungsfirma einvernommen, bis auf einen. Der befand sich auf einer mehrtägigen Wanderung in den Alpen. Oder, auf der Flucht. Wer weiß? Sie werden ihn auf jeden Fall überprüfen. Das heißt, sobald der Wanderer aus den Bergen zurück war, wird er von Assistent Norbert befragt.

      Außerdem wurden alle Verdächtigen durchleuchtet, ob sie in einer Situation steckten, aus der heraus sie bestochen werden könnten. Zum Beispiel, weil sie Schulden hatten.

      Zudem hoffte er, dass die Spurensicherung Brauchbares zu Tage fördern würde, woraus sie weitere Hinweise erhielten. Zum aktuellen Zeitpunkt gab es noch viele Ungereimtheiten.

      Die dramatisch ansteigende Stimme der Sprecherin ließ ihn erneut aufhorchen: »Der Safe galt als einbruchsicher. Er besaß ein spezielles Schließsystem, dass im Falle einer Manipulation Alarm…«

      Das war amüsant, aber nicht realistisch. Denn, einbruchsichere Safes gab es nicht, solange Glitter-Glamy frei herumlief. Gerade für sie, stellte er wohl eine sportliche Herausforderung dar ihn zu knacken. Und ihre allseits bekannte und an Besessenheit grenzende Vorliebe für Diamanten, sprachen ebenfalls dafür, dass sie dahintersteckte. Sie war seine prioritäre Verdächtige und war bereits befragt worden.

      Glitter-Glamys Alibi war, »Den ganzen Abend habe ich mit Freunden gepokert, bis ich mittendrin eingeschlafen bin.« Das klang so belanglos, dass es fast schon stimmen könnte.

      Trotzdem. Harry schüttelte den Kopf. Sie brauchten mehr als bloße Vermutungen und Bauchgefühle, um sie festnageln zu können. Zuerst musste geklärt werden, wer den Schlüssel und den Code geliefert hatte. Und ob jemand von der Bewachungsfirma darin verwickelt war.

      Im Fernseher waren die Nachrichten zu den Auslandmeldungen übergegangen und zeigten den französischen Staatspräsidenten. Harry schaltete ab.

      Tief seufzend schob er den Rest der kalt gewordenen Pizza zur Seite und stand auf. Seine Gedanken kehrten zurück zur hypernden Frau und dem Taschendieb. Weshalb war sie verschwunden, als er den Dieb gestellt hatte? Hatten die beiden gemeinsame Sache gemacht? War das alles ein abgekartetes Spiel? Hatte ihm der Dieb die Brieftasche gemopst? Oder war es am Ende die Frau gewesen?

      Die Geschichte war von A bis Z seltsam. Denn was für ein Motiv könnten sie gehabt haben? Vielleicht ergab das Ganze erst zu einem späteren Zeitpunkt einen Sinn.

      Immer noch innerlich aufgekratzt, wählte er aus seiner DVD-Sammlung einen Charlie Chaplin Film aus, damit er auf andere Gedanken kam.

      7.

      Liz Bardi, mit vollem Namen Elisabetha Sophia, war mit eins zweiundsiebzig beim größeren Durchschnitt und war meistens mit ihrem Körper zufrieden. Sie konnte jedoch nicht verstehen, warum andere sie um ihre Figur beneideten. Sie fand ihre Brüste unpraktisch groß, ihren Po zu augenfällig und ihre Füsse mit der Siebenunddreißig zu klein. Sie trug ihre lockigen Haare entweder offen, sanft über die Schultern fallend oder steckte sie zu einem Knoten hoch. Ihre Augen funkelten auf eine ansteckende Art vergnügt, was auf ihren südländischen Einschlag hinwies.

      Der wichtigste Teil ihres Lebens betraf die Sorge für ihre Familie, bestehend aus ihren

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