Nur reich, reicht nicht. Harald J. Krueger

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Nur reich, reicht nicht - Harald J. Krueger

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klang für Wilma nach Kundenabwehr. Deshalb war vermutlich auch das kurzfristige Treffen möglich. So würde sie künftig neue Mandantenanfragen abwenden. Ihr Einpersonenanwaltsbüro war fast nur für die Firma und Familie tätig, wenn sie die Fälle interessierten. Das erinnerte sie, die Honorarfrage zu klären.

      Er lächelte: »Das eilt nicht. Geben Sie mir nur soviel Bargeld, wie es Ihnen wert ist, aber bitte nur, wenn Sie zufrieden sind. Für meine Dienste gibt es weder eine Gebührenordnung noch Stundensätze. Ich schicke keine Rechnungen.«

      Herr Rathges etwas zu langes, grauweißes Haar passte zu seinem zerknitterten Gesicht. Der Blick seiner dunklen, fast schwarzen Augen empfand Wilma als stechend. Selten hatte sie sich von jemand so scharf beobachtet gefühlt. Sie wertete das als aufmerksames Zuhören bei der Schilderung ihrer Enttäuschungen mit Männern. »Fast alle waren nur an meinem Vermögen interessiert oder spielten den Großkotz und verprassten Geld, das sie nicht verdient hatten, was in meiner Familie besonders verachtet wird. Wenn nicht, waren sie zu blöd, untreu, unpünktlich, oder geizig.«

      Er unterbrach sie nicht mit Zwischenfragen und fasste mit leiser Stimme zusammen: »Viel Pech trotz Ihres blendend guten Aussehens und mehr als auskömmlichen finanziellen Situation. Glück in der Liebe lässt sich nicht erzwingen. Aber Glück mag hartnäckige Menschen.«

      »Wie sollte ich hartnäckiger sein? Was raten Sie mir?«

      Er stand auf und schaute aus dem Fenster. Der untere Rahmen lag nur 30 Zentimeter über dem Rasen des schmalen Vorgartens. »Wohnen Sie in der Etage über uns?«

      »Ja, im 1. Stock, im 2. Oma, im 3. meine Eltern, wenn sie in Hamburg sind. Hier im Keller gibt es noch die Wohnung für das Hausmeisterehepaar, die Tiefgarage und Heizung sowie kleine Abstellräume.«

      »Können Sie aus Ihrer Wohnung die Parkbänke am Alsterufer beobachten?«

      Wilma nickte: »Vor allem aber auch die Sonnenuntergänge. Die Ausrichtung ist perfekt. Die Sonne scheint auf die Terrasse von morgens bis abends.«

      »Nicht zu vergessen die Aussicht auf die Alster und die Stadtsilhouette mit den Kirchtürmen.«

      Wilma schnaubte: »Das Schicksal hält vermutlich damit meinen Glücksanspruch für erfüllt.«

      Herr Rathge setzte sich wieder, schloss die Augen und atmete tief. Nach einer gefühlten Ewigkeit flüsterte er: »Ich rate Ihnen, besorgen Sie sich ein billiges Schlüsseletui mit einem Schlüssel. Schreiben Sie Ihre Handynummer in die Hülle und legen Sie sie auf eine der Bänke, die Sie beobachten können.«

      Wilma schüttelte den Kopf: »Und dann warte ich, bis mein Traummann anruft? Bei allem Respekt, es fällt mir schwer, das zu glauben.«

      »Das sollten Sie aber. Wer nicht an seinen Köder glaubt, fängt auch nichts.«

      »Was soll ich machen, wenn jemand anruft?«

      »Wenn Ihnen sein Aussehen aus der Ferne und seine Stimme am Telefon gefallen, treffen Sie sich mit ihm in einem nahe gelegenen Café und bedanken sich. Alles Weitere wird sich dann ergeben.« Er legte wieder beide Hände auf die Oberarme und rieb sie auf dem grauen Sakkostoff, als ob er fror und sich wärmen wollte. Dieses Schaudern war Wilma schon anfangs aufgefallen. Dabei war es draußen mild und das Fenster geschlossen. Der Frostködel zappelte auf seinem Stuhl. Ihr schien, dass er aufbrechen wollte.

      »Was soll ich machen, wenn mir der Anrufer nicht gefällt, oder eine Frau ist?«

      »Flitzen Sie kurz hin und bedanken sich mit einer Tafel Schokolade oder einem Osterei, falls noch vorhanden. Dann legen Sie den Schlüssel wieder so hin, als ob er Ihnen aus der Tasche gerutscht ist.«

      »Meine Handynummer möchte ich aber nicht öffentlich auslegen.«

      »Müssen Sie ja auch nicht. Nehmen Sie die Nummer eines ausrangierten Handys und richten Sie automatische Rufumleitung ein.«

      »Coole Idee! Wielange wird es dauern, bis ich den Richtigen treffe?«

      »Die Zukunft kennt keiner. Aber seien Sie heute schon mal ohne Grund glücklich.«

      »Müssen Sie das Schlüsseltäschchen noch mit Weihwasser bespritzen?«

      Herr Rathge stand auf und schüttelte den Kopf: »Nur wenn Sie strengkatholisch sind und daran glauben.«

       3

      Am Freitag verließ Baldur ungewöhnlich früh die Firma Jetterer am Harvestehuder Weg. Auf dem Heimweg zum Mühlenkamp setzte er sich auf eine Uferbank bei der Bellevue, um sich abzuregen und bei Sonnenschein die Aussicht zu genießen. Mit zu heftigem Groll wollte er zuhause das Wochenende nicht beginnen. Lars, sein neuer Chef, hatte ihm mal wieder die Stimmung verdorben. Erst schnappte ihm der Speichellecker den Job weg. Den, am 1. April durch Pensionierung freigewordene, Abteilungsleiterposten hätte Baldur seiner Meinung nach selbst mehr verdient. Jetzt schüttete der faule Chefschleimer ihn mit subalterner Arbeit zu. Nur weil Baldur vor dem Studium der Kunstgeschichte Gemälderestaurierung gelernt hatte, sollte er Bilder entstauben, die für die nächste Auktion eingetroffen waren. Das oblag bislang dem jeweiligen Akquisiteur. Eine besondere Qualifikation erforderte das nicht. Wütend murrte Baldur. Sein Blick schweifte über die blaue Alster. Der warme, böige Wind drückte die Segelboote schräg und schob sie pfeilschnell vorwärts. Hinter Baldur joggten bunt Verkleidete. Hundehalter trugen Kotbeutel. Die Parkbänke waren fast vollständig besetzt. Lange würde der leere Platz neben ihm nicht mehr freibleiben. ›Hoffentlich setzt sich eine holde Maid zu mir!‹

      Seine Freundin hatte ihn unlängst verlassen. Er hatte ungerechterweise seine Wut über die Fehlbesetzung in der Firma an ihr ausgelassen. Bedrückt über sein schlechtes Benehmen senkte er den Blick. Dabei entdeckte er ein rotes Täschchen fast unter der Bank. Er hob es auf und zog den Reißverschluss auf. In dem Wildledersäckchen war ein Schlüssel an einem Bändsel geknotet. Beim Zurückstecken sah er eine handschriftlich in die Innenwand geschrieben Zahl. Die ersten Ziffern und die Anzahl, immerhin elfstellig, erinnerten ihn an Handytelefonnummern. ›gute Idee, so kann sich ein Finder beim Verlierer melden.‹ Baldur nahm sich vor, seine Telefonnummer ebenfalls in sein Etui zu notieren. Schlüssel zu verlieren, ist höchst ärgerlich.

      Er rief die Nummer an. Das lange Klingeln bestätigte seine Vermutung. Wenn es keine Handynummer gewesen wäre, hätte längst eine ›kein Anschluss unter dieser Nummer‹-Ansagerin seinen Irrtum moniert.

      Endlich meldete sich eine weibliche Stimme: »Hallo, mit wem spreche ich?«

      »Das würde ich auch gerne wissen. Ich heiße Baldur und halte ein Schlüsseltäschchen mit deiner Nummer in der Hand.«

      »Oh, du hast meinen Schlüssel gefunden, ein Glück! Wo bist du? Ich heiße Wilma.«

      »Auf der Bellevue-Bank mit schönster Aussicht über die Alster.«

      »Kennst du das Café Le Parisien? Ich könnte in fünf Minuten dort sein und dich zum Kaffee einladen, wenn du mir meinen Schlüssel zurückgibst.«

      »Dort wollte ich schon immer Mal einkehren.«

      »Dann bis gleich Baldur.«

      Auf dem Weg zum Eckcafé versuchte er, sich ein Gesicht vorzustellen, das zu der jungen, frischen Stimme passte. Zickig oder schüchtern klang sie nicht, eher forsch und zielstrebig. Also kein Teenager, hoffte er.

      Auf dem Bürgersteig

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