Arztroman Sammelband: Drei Romane: Ihre Verzweiflung war groß und andere Romane. A. F. Morland
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Читать онлайн книгу Arztroman Sammelband: Drei Romane: Ihre Verzweiflung war groß und andere Romane - A. F. Morland страница 5
„Ottokar hat seit zwei Monaten einen Rentnerjob: Er macht Botengänge. Bringt nicht allzu viel, aber’n bisschen was ist es auch.“
Die Anmeldung war im Moment nicht besetzt. Als Gudrun Giesecke dann erschien, grinste sie Clara Griesmayer breit an. „Zuerst woll’n Se von Arztbesuchen nischt wissen, und uff eenmal können se nich jenug von uns kriejen.“
„Nun bin ich wieder bloß Begleitperson“, erklärte Oma Clara.
Im Wartezimmer musste sie ihrer Bekannten dann erzählen, was sie in die Grünwalder Arztpraxis geführt hatte. Sie hustete kurz. „Deswegen“, sagte sie danach. „Sie wissen ja, wie Ottokar ist. Ohne Doktor könnte der überhaupt nicht existieren.“
„Also, ganz ohne Arzt kommt ja niemand aus.“
„Klar. Und dann ist Dr. Kayser genau der Richtige. Er spritzt nicht gleich Antibiotika und spricht auch homöopathischen Mitteln nicht von vornherein ihre Heilkraft ab, wie das manch anderer Arzt so gern mit einem überheblichen Lächeln tut.“
Während sie sich unterhielten, verging die Zeit. Marie-Luise Flanitzer, die zweite Arzthelferin, rief Frau Dietrich auf. Seufzend erhob sich die Patientin.
„Ich drücke Ihnen die Daumen“, sagte Oma Clara aufmunternd. „Dr. Kayser kann Ihnen bestimmt helfen.“
Berta Dietrich humpelte ins Sprechzimmer. „Guten Tag, Herr Doktor.“
„Guten Tag, Frau Dietrich.“ Dr. Kayser gab ihr die Hand. „Macht Ihnen Ihr Knie zu schaffen?“
Die Patientin verzog das Gesicht zu einer leidvollen Grimasse. „Und wie, Herr Doktor! Ganz dick ist es angeschwollen, und schmerzen tut es – ich kann’s gar nicht sagen, wie sehr.“
Schon vor Jahren hatte Dr. Sven Kayser bei der Patientin eine Arthrose diagnostiziert und Rheumatabletten verordnet, die sie gut vertragen hatte und die ihr auch geholfen hatten. Immer, wenn sie Beschwerden gehabt hatte, hatte sie eine Tablette genommen, und dann waren die Beschwerden wieder weg gewesen. Doch seit einigen Tagen wirkte das Medikament nicht mehr, und die Schmerzen waren kaum noch auszuhalten.
„Besonders schlimm ist es am Morgen beim Aufstehen“, klagte die Patientin. „Da komme ich fast nicht hoch. Erst wenn ich einige Schritte gemacht habe, lassen die Schmerzen etwas nach, aber ohne Stock kann ich nicht mehr gehen. Wieso wirken die Rheumatabletten auf einmal nicht mehr, Herr Doktor?“
„Das kann ich Ihnen erst sagen, wenn ich Ihr Knie untersucht habe, Frau Dietrich“, erwiderte Dr. Kayser.
„Wenn ich mich auf die Zehen stelle, ist der Schmerz besonders heftig. Und mir ist aufgefallen, dass sich meine Venen am Unterschenkel verdickt haben.“
Das fiel Sven Kayser bei der anschließenden Untersuchung ebenfalls sofort auf, und als er das Bein der Patientin im Kniegelenk streckte, stöhnte sie schmerzlich auf.
„Entschuldigung“, sagte er, „aber das musste leider sein.“
„Schon gut“, sagte Frau Dietrich leise. „Ich weiß, dass Sie mir nicht zum Spaß weh tun. Es schmerzt vor allem in der Kniekehle.“
Dr. Kayser nickte. „Würden Sie sich mal auf den Bauch legen, Frau Dietrich?“
Die Patientin drehte sich um, Sven Kayser tastete die Kniekehle vorsichtig ab und stellte fest, dass sich darin Flüssigkeit angesammelt hatte. Im Stehen beulte sich das Gelenk dann wie ein Tennisball nach hinten.
„Das sieht nach einer Zyste aus“, bemerkte Dr. Kayser. Beim Liegen wurde der „Ball“ dann wieder kleiner. „Ein Zeichen dafür, dass ein Teil der Flüssigkeit wieder ins Kniegelenk zurückfließt“, kommentierte Sven Kayser.
Die Patientin sah ihn fragend ah..
„Bei einer Arthrose“, erklärte der Grünwalder Arzt, „kommt es zu immer wiederkehrenden Entzündungen im Gelenk. Dadurch wird im Knie und in dem dazugehörigen Schleimbeutel vermehrt Flüssigkeit produziert, und die Folge davon kann sein, dass sich eine Gelenkzyste bildet. Diese Zysten erkannte im vorigen Jahrhundert der britische Chirurg W. M. Baker als erster, deshalb heißen sie Baker-Zysten.“
„Warum helfen mir die Tabletten nicht mehr?“, wollte Frau Dietrich wissen.
„Der Druck der Zyste verursacht den Schmerz, nicht die Arthrose. Deshalb wirkt das Medikament nicht“, erklärte Dr. Sven Kayser.
Die Patientin schaute ihn besorgt an. „Was kann man gegen die Zyste tun, Dr. Kayser?“
„Solche Veränderungen neigen dazu, größer zu werden.“
Berta Dietrich erschrak. „Noch größer? Ist das nicht gefährlich?“
„Wenn die Zyste auf die Venen drückt und den Blutrückfluss hemmt, kann es eine Thrombose geben. Wenn sie platzt, ergießt sich die Flüssigkeit zwischen die Muskeln, und das führt zu Krämpfen und heftigen Schmerzen, deshalb muss sie so bald wie möglich operativ entfernt werden.“
Frau Dietrich wurde blass und schluckte mehrmals. „Ich muss ins Krankenhaus?“, stieß sie wenig erfreut hervor.
Dr. Kayser hob die Schultern. „Das kann ich Ihnen leider nicht ersparen, Frau Dietrich. Aber seien Sie unbesorgt, Sie werden den Eingriff gut überstehen, da bin ich sicher.“
„Ich bin nicht mehr die Jüngste“, gab die Patientin zu bedenken.
„Sie sind – abgesehen von Ihrer Arthrose – eine kerngesunde Frau.“
„Aber jeder Eingriff ist ein Risiko, sagt man“, wagte die Patientin scheu zu erwidern.
„Das ist richtig“, musste Dr. Kayser ihr Recht geben, „doch in Ihrem Fall wird es mit Sicherheit keine Komplikationen geben. Sie werden bald wieder ohne Stock laufen können.“
3
„Na, wie war’s?“, fragte Oma Clara, als sie mit Berta Dietrich die Grünwalder Arztpraxis verließ.
„In die Seeberg-Klinik muss ich“, stöhnte Frau Dietrich.
„Ach du Schreck. Warum denn?“
„Operiert muss ich werden“, seufzte Frau Dietrich unglücklich. „Eine Zyste hab’ ich im Knie.“
„Sie Ärmste! Kommen Sie, hängen sie sich bei mir ein.“ Clara Griesmayer hustete. „Was man nicht alles