Der Tempel der Drachen. Frank Rehfeld

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Der Tempel der Drachen - Frank Rehfeld Die Legende von Arcana

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Zeit, dir etwas über Charalons Reif zu sagen. Ich weiß nicht alles über ihn, aber er besitzt zumindest zwei Funktionen, die ich kenne. Er schützt dich vor fremder Magie, aber das hilft jetzt nichts. Der Damon ist kein Zauberwesen, sondern real. Aber er besitzt keinen eigenen Verstand und lässt sich deshalb durch jeden Zauber recht leicht täuschen. Das ist die zweite Kraft des Reifs. Er vermag Trugbilder zu erzeugen. Einen Menschen oder gar einen anderen Magier wirst du erst nach intensiver Übung damit täuschen können, aber für so ein Tier dürfte es auch so reichen."

      "Aber das Skiil ist noch nicht an mich angepasst", wandte Aylon ein. "Es würde mir nicht gehorchen."

      Maziroc lachte leise. "Glaubst du? Charalons Reif ist mehr als nur irgendein Skiil. Er sucht sich seinen Träger selbst, und er hat dich längst akzeptiert, sonst könntest du ihn gar nicht tragen. Lausche in dich hinein, dann wirst du es spüren."

      "Aber ..." Zweifelnd betrachtete Aylon den Reif und wusste im gleichen Moment, dass Maziroc recht hatte. Das Pulsieren, das er in seinem Geist wahrnahm, war ein deutlicherer Beweis, als alle Worte. Er ließ seinen Blick wieder zu dem gewaltigen Schatten wandern, der über ihnen am Himmel kreiste und sich mal ein Stück in die Tiefe gleiten ließ, um gleich darauf wieder aufzusteigen. "Was muss ich tun?"

      "Du musst mit dem Skiil verschmelzen. Spürst du seine Kraft? Sammle sie in deinem Geist und verleihe ihr Gestalt."

      Aylon verdrängte seine Angst und konzentrierte sich auf den Reif. Das Pulsieren schien stärker zu werden, das Wispern lauter. Er meinte, das Schlagen von Flügeln in seinen Gedanken zu hören, mächtiger als die des Damons. Etwas Finsteres, Körperloses ballte sich wie schattenhafter Rauch vor ihm zusammen, in steter brodelnder Bewegung begriffen. Der Schatten dehnte sich aus und gewann an Festigkeit, wogte unbeständig hin und her, und erst jetzt begriff Aylon wirklich, dass er ihn erzeugt hatte und ihn beherrschen konnte. Es ging sogar einfacher, als er erwartet hatte. Was er vor sich sah war nichts, jedenfalls nichts Reales, sondern nur eine Illusion, die er durch die Kraft des Reifs erschuf und lenkte.

      Der Damon kam wie ein Stein vom Himmel herabgeschossen. Erst wenige Meter über der Erde spreizte er die Schwingen und peitschte mit ihnen die Luft. Kaum eine Armlänge entfernt strich er über die Köpfe der beiden Männer hinweg, so nah, dass er sie fast streifte. Ein Fauchen drang aus seinem weit aufgerissenen Maul. Aylon wusste, dass die Bestie beim nächsten Anflug wirklich angreifen würde, trotzdem beachtete er sie kaum. Seine Gedanken beschäftigten sich mit dem schattenhaften Etwas, formten es nach seinem Willen. Immer rascher verwandelte es sich in die schreckliche Bestie, als die er sich den Damon ursprünglich vorgestellt hatte, einen gestaltgewordenen Alptraum aus messerscharfen Klauen, Reißzähnen und Panzerschuppen, übersät mit hornigen Stacheln und einem guten Dutzend langen, schleimglänzenden Tentakeln, die wild umherpeitschten. Zum Schluss verlieh er dem Monstrum ebenfalls ein paar Schwingen und schickte es dem Damon entgegen, als dieser zum entscheidenden Angriff ansetzte.

      Die beiden Giganten rasten aufeinander zu. Aylon wagte kaum zu atmen. Einige Sekunden lang schien es so, als würde der Damon seinen Gegner überhaupt nicht beachten, die Illusion durchschauen. Dann aber stieß er einen klagenden Schrei aus, der anschwoll, während er gleichzeitig schriller und furchterfüllter wurde. Der Damon änderte seine Flugrichtung und jagte kreischend davon, floh vor dem Trugbild eines menschlichen Geistes.

      Erst als Aylon sicher war, dass das Ungeheuer nicht zurückkehren würde, ließ er die Schatten wieder zerfließen. Ein stechender Schmerz fuhr durch seinen Kopf. Er taumelte vor Schwäche und wäre gestürzt, wenn Maziroc ihn nicht aufgefangen hätte. "Der Einsatz eines Skiils fordert seinen Preis", drangen die Worte des Magiers wie aus weiter Ferne an sein Ohr, dann verlor er das Bewusstsein.

      Maramon

      Fünfeinhalb weitere Tage dauerte ihre Reise an. Je näher sie ihrem Ziel kamen, desto dichter besiedelt war das Land, und desto mehr Menschen begegneten ihnen auf den Straßen. Viele waren ebenfalls nach Maramon unterwegs, darunter ganze Karawanen.

      Auf Maziroc übte die Reise eine sichtlich belebende Wirkung aus. Schon seit Aylon ihn kannte, hatte sich der Magier allzu oft in der Rolle des Schwarzsehers und ernsthaften, düsteren Mahners gefallen, doch nun zeigte sich so munter und gut gelaunt wie lange nicht mehr, entwickelte gelegentlich sogar Anflüge eines kauzigen Humors. "Früher bin ich fast ständig unterwegs gewesen", erzählte er, als sie auch am zweiten Abend wieder in einem Gasthaus einkehrten und der Wein seine Zunge zu lockern begann. "Ich habe mich in beinahe jedem Winkel Arcanas herumgetrieben. Irgendwann bin ich dann nach Cavillon zurückgekehrt und habe mich dort niedergelassen, um mein Wissen weiterzugeben. Ich habe geglaubt, ich wäre zu alt, um noch zu reisen, aber das war wohl ein Irrtum."

      "Und wie alt bist du nun eigentlich?", erkundigte sich Aylon. Er hatte gehofft, Maziroc überrumpeln zu können, doch wie die Male zuvor, erhielt er auf diese Frage nur ein mildes Lächeln zur Antwort.

      Anders als zu Beginn ihrer Reise mieden sie auch tagsüber nicht mehr die Dörfer, die auf ihrem Weg lagen. Aylon vermutete, dass aufgrund der Geschicklichkeit, mit der er mittlerweile die mentale Ausstrahlung eines Menschen nachzuahmen verstand, ohne überhaupt noch daran zu denken, Maziroc es nicht mehr für nötig hielt, ihn vor anderen zu verstecken.

      Von den Bewohnern Largons schien niemand etwas von dem nächtlichen Kampf bemerkt zu haben. Auch der Damon war seither nicht mehr zu sehen gewesen. Offenbar hatte das Trugbild ihn in solche Angst versetzt, dass er aus dieser Gegend geflohen war. Aylon hatte die Nacht durchgeschlafen und sich längst von der Erschöpfung erholt, als er am nächsten Morgen aufwachte, dennoch war es ihm eine Lehre, sich seine erst schwach entwickelten magischen Kräfte in Zukunft sorgsamer einzuteilen. Seither hatte er darauf verzichtet, weitere Versuche mit Charalons Reif anzustellen, und er war immer noch nicht überzeugt, ob er wirklich richtig gehandelt hatte. Sicher, es war ihm gelungen, den Damon auf friedlichem Wege zu vertreiben, aber das Problem bestand deshalb dennoch fort. Die Bestie würde sich nicht ändern, würde auch weiterhin unschuldige Menschen anfallen, und ihre nächsten Opfer würden sich möglicherweise nicht gegen sie verteidigen können. Oft grübelte er über diesen Gewissenskonflikt nach, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Hatte er das Recht, ein fremdes Wesen, ein Tier, zu töten, um dadurch eventuell das Leben von Menschen zu retten? Und wenn er es getan hätte, wäre es dann nicht konsequent, vorbeugend eine Treibjagd auf alle Raubtiere zu eröffnen, um sie auszurotten, bevor sie jemandem gefährlich werden konnten?

      Es war eine logische Kette, die ins Absurde führte, doch er fand keinen Punkt, sie zu unterbrechen.

      Aber nicht nur dieser Gedanke bereitete ihm seit dem Abend in Largon Sorgen. Aylon spürte etwas tief in sich, ein ungewisses Drängen, dass ihn mit geradezu magischer Kraft nach Maramon zog. Er wusste nicht, ob es mit dem Reif zusammenhing oder einfach nur die Vorfreude auf das war, was ihn erwartete, aber bei jeder Rast fühlte er sich bereits nach einigen Minuten unruhig, und seine Ungeduld schwand erst, wenn sie sich wieder auf den Weg machten. Etwas erwartete ihn, lockte ihn. Einige Male hatte er Maziroc davon erzählen wollen, dann aber doch geschwiegen, aus einem Grund, der ihm selbst nicht recht klar war. Erst als sie gegen Mittag des sechsten Tages Maramon erreichten, hörte das stumme Locken so plötzlich auf, wie es gekommen war.

      Von

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