Der Tempel der Drachen. Frank Rehfeld

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Der Tempel der Drachen - Frank Rehfeld Die Legende von Arcana

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Sturz. Scheinbar aus dem Nichts fauchte ein eisiger Windstoß durch die Kammer und löschte seine Fackel aus, aber trotzdem wurde es nicht dunkel. Ein kränklicher grüner Schein sickerte plötzlich aus der immer noch geöffneten Schatulle und strahlte rasch heller. Ein unheimliches Stöhnen und Wispern erfüllte die Luft. Aylon fuhr herum. Die Wand hinter ihm fühlte sich unter seinen Fingern hart wie normales Gestein an. Fieberhaft tastete er sie nach der unsichtbaren Öffnung ab. Das Stöhnen wurde lauter und klang bedrohlicher.

      Irgendetwas kam ...

      Ein wuchtiger Fußtritt brachte den Boden erneut zum Erbeben. Fauliger, ekelerregender Gestank breitete sich aus. Aylon glaubte, heißen Atem in seinem Nacken zu spüren. Er wagte nicht, sich umzudrehen, um zu sehen, was sich ihm näherte und sich inzwischen bereits in der Kammer befinden musste. Das Etwas war da, dicht hinter ihm, das wusste er, und es hob bereits die Klauen, um ihn packen. Er konnte nicht einmal schreien. Wie besessen suchte er nach dem Ausgang, schürfte sich an dem rauen Gestein die Finger blutig, ohne den Schmerz zu spüren. Endlich stieß seine Hand ins Leere. Etwas Hartes, Scharfes streifte seinen Rücken, zerfetzte sein Hemd und ritzte seine Haut, doch mit einem verzweifelten Satz sprang er vor, durch die Wand hindurch und in Sicherheit.

      Nächtlicher Kampf

      In aller Frühe brachen sie am nächsten Morgen auf und machten sich auf den Weg nach Maramon. Einige wenige - hauptsächlich ältere - Ishar waren gekommen, um sie zu verabschieden, doch Aylon machte sich keine Illusionen: Sie waren allein Maziroc zu Ehren hier, keinesfalls aber seinetwegen. Das kam deutlich in den Blicken zum Ausdruck, mit denen sie ihn bedachten.

      Wenn sie wenigstens Hass gezeigt hätten, dachte er bitter, damit könnte er leichter fertigwerden als mit dieser Verachtung, dem stummen Vorwurf, nicht zu ihnen zu gehören, obwohl er in ihrer Mitte aufgewachsen war. Aber nicht einmal diesen Gefallen tat man ihm. Er war immer ein Außenseiter gewesen, dem das Schicksal die schlimmste Form der Einsamkeit auferlegt hatte: Das Alleinsein inmitten anderer Menschen. Daran änderten auch die Ereignisse des vergangenen Abends nichts, denn schließlich wusste niemand davon; sie halfen nur ihm selbst, sein Los etwas leichter zu ertragen.

      Er hatte kaum geschlafen und war dementsprechend müde. Bis tief in die Nacht hatte er mit Maziroc zusammengesessen und geredet, aber dennoch war seine Neugier noch längst nicht vollends gestillt. Immer noch waren zahlreiche Fragen offengeblieben, und als er von dem Magier weit nach Mitternacht schließlich in seine Kammer geschickt worden war, hatte er keinen Schlaf gefunden, sondern noch lange wach gelegen und über alles nachgegrübelt.

      Die Sonne schien an diesem Tag nur fahl vom Himmel und spendete wenig Wärme; die meiste Zeit blieb sie hinter einem dunstigen Wolkenschleier verborgen. Das triste Wetter entsprach weitgehend Aylons Stimmungslage. Ein beklommenes Gefühl ergriff ihn, als er durch das große Südtor ritt. Es war das erste Mal, dass er Cavillon für längere Zeit verließ, bislang hatte er höchstens kurze Ausflüge in die unmittelbare Umgebung unternommen. Die Stadt aus weißem Marmor war niemals eine wirkliche Heimat für ihn gewesen, eher war sie ihm als Gefängnis erschienen, aber er war immerhin hier aufgewachsen und hatte sein ganzes bisheriges Leben innerhalb ihrer Mauern verbracht. Der Abschied fiel ihm längst nicht so leicht, wie er geglaubt hatte. Vielleicht, schoss es ihm durch den Kopf, rührte das Gefühl vager Trauer daher, dass er mehr als nur irgendeine Reise unternahm. Er ließ nicht einfach nur ein paar Häuser und Mauern zurück, sondern zugleich auch seine Kindheit und Jugend. Sie war nicht gerade unbeschwert gewesen, aber doch weitgehend frei von Sorgen und Not. Die Welt, in die er nun hinauszog, markierte den Beginn eines neuen, noch ungewissen Abschnitts in seinem Leben.

      Obwohl er sich vorgenommen hatte, es nicht zu tun, blickte er nach einiger Zeit über die Schulter zurück. Von Weitem sah Cavillon noch prachtvoller und beeindruckender aus, als aus der Nähe. Auf dem höchsten Turm flatterte das Banner mit dem Regenbogensymbol, dem Wahrzeichen der Ishar. Der Anblick hob Aylons Stimmung ein wenig, erinnerte ihn daran, dass er im Anschluss an seine Rückkehr die Magierweihe erhalten und damit zu einem vollwertigen Mitglied des Ordens werden würde.

      "Warum gerade ein Regenbogen?", wandte er sich an Maziroc. Als Stickerei prangte das Zeichen auch auf dem grünen, mantelähnlichen Umhang des Magiers.

      "Als Symbol für die Brücke, die durch das Nichts zwischen den Welten zur Dämmerschmiede führt", erklärte er. "Nach ihr hat Charalon auch den Orden benannt, denn das Wort Ishar entstammt einer alten Sprache und bedeutet nichts anderes als Regenbogen. Aber jetzt tu mir einen Gefallen und verschone mich eine Weile mit weiteren Fragen."

      Aylon nickte ergeben. Einige Stunden lang ritten sie in südwestlicher Richtung. Blühende Wiesen und schattige Wälder säumten ihren Weg. Das Land war fruchtbar, aber dennoch weitgehend unberührt. Im Norden Cavillons, am Fuße des Kamos-Gebirges, lebten einige Jäger mit ihren Familien, ansonsten jedoch schienen die Menschen die Nähe des Klosters zu meiden. Solange sie die wahre Geschichte Cavillons nicht kannten, mochte es ihnen wie ein unverwüstliches Hoffnungssymbol erscheinen, in dessen Mauern sie Rettung finden konnten, falls die Damonen oder irgendwelche anderen Feinde jemals bis hierher vordringen sollten, trotzdem scheuten sie offenbar davor zurück, sich in seiner direkten Umgebung niederzulassen.

      Erst gegen Mittag zeigten sich Spuren von menschlicher Besiedlung. Das Grün der Wiesen wich goldenen Kornfeldern und dem Braun bereits abgeernteter Äcker, gelegentlich entdeckte Aylon zwischen den Hügeln die Dächer vereinzelter Gehöfte. Feldarbeiter, an denen sie vorbeikamen, grüßten ehrerbietig, als sie das Wahrzeichen der Ishar auf Mazirocs Mantel erkannten.

      Mit jeder verstreichenden Stunde fiel es Aylon schwerer, sich aufrecht im Sattel zu halten. Er war bereits öfters geritten, allerdings immer nur kurze Strecken, und obwohl sie nur gemächlich dahintrabten, tat ihm der Rücken weh. Mit einem Seufzer der Erleichterung glitt er vom Pferd, als Maziroc auf der Kuppel eines Hügels endlich in eine Rast einwilligte, band es an einem Baum fest und machte einige Lockerungsübungen, um seine verkrampften Muskeln zu entspannen. Nur wenige Schritte entfernt entsprang zwischen zwei Felsen eine Quelle. Aylon trank und wusch sich das Gesicht mit dem kühlen, kristallklaren Wasser, bevor er aus dem Proviantbeutel in seinen Satteltaschen einige Scheiben kalten Braten nahm und auch seinen Hunger stillte. Maziroc aß ebenfalls, anschließend klopfte er sich ein paarmal zufrieden mit der Hand auf den Bauch und streckte sich im Gras aus. Seine Haltung machte deutlich, dass er sich nicht unterhalten und sich vor allem nicht mit weiteren Fragen löchern lassen wollte.

      Aylon verstaute seinen Proviant wieder und lehnte sich mit dem Rücken an einen Felsen. Von hier oben aus hatte man eine fantastische Aussicht. Er ließ seinen Blick über das Tal schweifen. Alles bot ein so friedliches Bild, dass er sich kaum vorstellen konnte, dass nur wenige hundert Meilen weiter im Süden grausame Kriege tobten.

      Gedankenverloren spielte er mit dem Reif an seinem Handgelenk. Inzwischen hatte er sich an das sanfte Pulsieren gewöhnt und nahm es kaum noch wahr. Trotzdem war ihm das Skiil unheimlich. Es schien wie eine lautlose Stimme in seinem Geist zu wispern, keine Worte, oder wenn, dann solche, die er nicht verstand, und die seinem Gedächtnis sofort wieder entglitten, sodass nicht mehr als ein flüchtiger Eindruck zurückblieb. Ein paarmal hatte er versucht, den Reif abzustreifen, nicht weil er ihn loswerden wollte, sondern nur um zu sehen, ob er sich überhaupt

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