Private Ermittler - 2000 Seiten, 16 Krimis in einer Sammlung. Alfred Bekker
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"Bis morgen."
"Ja, ja..."
Purwin wirkte abwesend. Er beachtete Heike nicht weiter, wandte sich wieder den Papieren auf seinem Schreibtisch zu.
Ganz am Rande nahm der Arzt wenig später wahr, wie die Praxistür ins Schloss fiel. Offenbar hatte Heike gerade das Haus verlassen.
Rechts auf dem Schreibtisch lag die Karte des Detektivs.
Lorant.
Purwin nahm die Karte, betrachtete sie. Man konnte sehen, dass Lorant sie einfach mit einem PC-Drucker hergestellt und nicht richtig hatte drucken lassen. War wahrscheinlich eine finanzielle Frage.
Purwin spürte, wie sein Puls schneller ging. Gretus Sluiter ermordet? Er mochte Lorant nicht besonders, aber so, wie der Detektiv die Sachlage dargestellt hatte, klang das recht plausibel. Du musst es ihm sagen!, durchfuhr es ihm. Es gab jemanden, der einen Grund gehabt hatte, Gretus Sluiter umzubringen, jemanden, der ihm sehr nahegestanden hatte... Und wenn Dr. Purwin dieses Motiv nicht offenbarte, würde nie jemand darauf kommen. Schweigepflicht hin oder her, er wollte keinen Mord decken.
Aber bist du nicht auch deinen Patienten verpflichtet? Gleichgültig, ob sie Tod oder lebendig sind? Die Schweigepflicht eines Arztes ist ein hohes Gut, du kannst nicht einfach so darüber hinweggehen... Purwin war in einem Zwiespalt und er begann zu ahnen, dass es daraus keinen einfachen Ausweg gab.
Willst du, dass die Ärztekammer dich achtkantig rausschmeißt?, meldete sich eine andere Stimme in ihm. Ist es das wert? Zumal du dir so sicher auch nicht sein kannst...
Purwin schluckte.
Nein, es passt alles zu gut zusammen, wies er sich zurecht. Du darfst nicht schweigen.
Nervös drehte er die Karte des Detektivs zwischen den Fingern.
Warum nicht zur Polizei gehen?, fragte er sich. Aber gleich darauf entschied er, dass das eine schlechte Alternative war. Es würde ein offizielles Protokoll, eine regelrechte Aussage geben, die Purwin später vor Gericht wiederholen und möglicherweise beeiden musste.
Und wenn du dich geirrt hast, dann Gnade dir Gott!, durchzuckte es ihn. Dann kannst du dir wahrscheinlich einen neuen Job suchen und selbst wenn du die Zulassung behältst, bist du in dieser Gegend unmöglich!
Ein gutes Gewissen konnte man sich als Arzt leichter leisten, wenn die Praxis schon abbezahlt war. Und wenn seine Patienten auch teilweise von sehr weit her kamen - ohne die lokale Kundschaft war der Betrieb nicht zu halten.
Purwin legte die Karte zur Seite, nahm einen kleineren Zettel und kritzelte mit nervöser Handschrift ein paar Zahlen darauf. Mehr nicht. Wenn er Lorant diesen Zettel gab, mit dem diskreten Hinweis, genau jene Zahlenkombination mal in die Tastatur eines Telefons einzugeben... Purwin lächelte fast erleichtert. Du hast dann deine Schweigepflicht nicht gebrochen, aber wenn dieser Lorant nur einen Funken Verstand hat, wird er von selbst auf alles kommen!
Purwin biss sich auf die Lippe.
Dann wählte er Lorants Handynummer.
Augenblicke später war er verbunden.
"Hier Purwin. Ich muss Sie dringend sprechen."
"Ich kann etwa in einer Stunde bei Ihnen sein", antwortete Lorant.
"Gut. Bitte versuchen Sie pünktlich zu sein."
"Vielleicht könnte ich bei der Gelegenheit noch mal an Ihren Reizstromapparat. Das hat nämlich gut getan."
"Werden Sie nicht unverschämt."
"War ja nur 'ne Frage."
"Bis nachher."
Purwin unterbrach die Verbindung, lehnte sich dann in seinem Sessel zurück.
Den Zettel mit der Telefonnummer, den er Lorant geben wollte, hielte er in der Linken. War es richtig, was er getan hatte? Er war sich schon nicht mehr sicher.
Purwin war übel.
Ich sollte etwas essen, dachte er.
An der Praxistür hörte er ein Geräusch.
Wahrscheinlich hatte Heike wieder irgendetwas vergessen. Kam leider öfter vor, und nicht nur, was ihre Handtaschen, ihr Handy und den Rest ihres Privatkrams anging. Immer ein Fehler, eine Mitarbeiterin nach dem angenehmen optischen Eindruck auszuwählen, ging es ihm durch den Kopf. Ich sollte sie entlassen, bevor sie irgendwann schwanger wird, überlegte er dann. Sonst wird es problematisch, so eine Mitarbeiterin loszuwerden.
Schritte waren vom Flur aus zu hören.
Schritte, die zu Heikes schnellem, trippelndem Gang, bedingt durch ihre für ihren Job eigentlich viel zu hohen Absätze, kaum verursacht werden konnten.
Eine Gestalt erschien im Türrahmen. Unter dem linken Arm eine Boßel-Kugel aus Hartholz, in der Rechten einen Baseballschläger.
Schweißperlen traten auf Dr. Purwins Gesicht. Eine Sekunde lang saß er mit schreckgeweiteten Augen da.
"Was machen Sie hier?", rief er. Gleichzeitig griff er zum Telefonhörer.
Die Gestalt schnellte vor.
Mit einer Hand führte der Unbekannte den Baseballschläger, ließ ihn hinuntersausen.
Das Holz krachte auf den Tisch, traf Purwins Hand. Purwin zog sie schreiend zurück. Aus dem Hörer tutete das Freizeichen.
Purwin rollte mit seinem Stuhl etwas zurück.
Er war blass wie die Wand geworden, hielt sich die zitternde Hand.
Da ist bestimmt etwas gebrochen!, durchzuckte es ihn. Der Schmerz war hölllisch.
"Sie sind Dr. Frank Purwin, nicht wahr?"
"Steht doch an der Tür..."
"Ja, ich weiß..."
"Was wollen Sie? An den Medikamentenschrank? In meiner Praxis gibt's weder Morphium noch Metadon. Tut mir leid. Aber Sie können sich gerne bedienen..."
Der Unbekannte legte die Hartholz-Kugel auf den Schreibtisch.
Sie begann zu rollen, da die Schreibtischfläche leicht geneigt war. Mit einem harten Geräusch knallte sie auf Dr. Purwins Seite nieder und hinterließ eine deutliche Macke im Parkett.
"Ich denke, jetzt wissen Sie Bescheid, Dr. Purwin!"
Dann fasste er den Baseballschläger mit beiden Händen und schlug zu. Der erste Schlag traf Purwin nicht richtig. Er konnte immerhin soweit ausweichen, dass er nicht die volle Wucht abbekam.
Purwin stöhnte auf.
Sein Gegner umrundete den Schreibtisch, holte erneut aus. Der Schlag traf den Kopf. Purwin sackte in einem Sessel zusammen. Ein weiterer Schlag ließ ihn noch einmal zucken.
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