Sammelband 7 Krimis: Tuch und Tod und sechs andere Thriller auf 1000 Seiten. Alfred Bekker

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Sammelband 7 Krimis: Tuch und Tod und sechs andere Thriller auf 1000 Seiten - Alfred Bekker

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      Warum nicht mal in diesem Lokal einen Abend verbringen und sich gleichzeitig nach dem Typen mit der befleckten Kargohose erkundigen. Der Kerl hatte zwar nicht wie einer der Schläger ausgesehen, die Leute wie Ferdinand Commaneci zur Durchsetzung ihrer Interessen auszuschicken pflegten. Aber andererseits glaubte Berringer schon, dass das neugierige Herumlungern dieses jungen Mannes ihm oder dem Fall gegolten hatte.

      Verdammt, glaubte er denn wirklich, dass sich alles immer nur um ihn dreht? Oder mit irgendeiner Sache, in deren Zentrum Robert Berringer stand, von manchen auch Berry genannt? Ziemlich abgedreht, so eine Haltung. Das nannte man wohl Zwangshandlung, wenn er die psychologischen Fachbücher richtig gelesen hatte, die in deinem Bücherschrank standen, seit er gemerkt hatte, dass es mit seiner Seele ein Problem gab. Und zwar eins, das sich weder von selbst noch durch guten Willen oder eine Pille so einfach lösen ließ. Alles wissen, alles kontrollieren, immer eine Erklärung finden wollen ...

      Sieh es endlich ein, sagte eine nörgelnde Stimme in seinem Hinterkopf. Das Universum war chaotisch, die Welt ein Ort zunehmender Entropie, das sagte schon die Physik. Er sollte sich besser damit abfinden. In seiner Schiffswohnung herrschte doch auch das blanke Durcheinander, und er hatte allenfalls ein praktisches, aber kein existenzielles Problem damit ...

      Als Berringer das „Kreuzherreneck“ betrat, war es längst dunkel. Das Auffälligste an dieser urigen, auf liebenswerte Weise antiquiert wirkenden Kneipe waren die von Künstlern gestalteten Fenster, von denen Vanessa ihm vorgeschwärmt hatte. Eine Band trat in dem sehr kleinen Raum auf und holte sich ihren Applaus ab, bevor das nächste Stück folgte.

      Berringer ging zum Tresen.

      „Alt?“, fragte der Wirt.

      „Sehe ich so aus?“

      „Du kommst nicht von hier, was?“, sprach ihn einer der Gäste an, ein Mann in zerschlissener Jeans und mit einem Haarschnitt, wie er zu Zeiten der Beatles sicher der letzte Schrei gewesen war. Nur war sein Pilzkopf inzwischen in Ehren ergraut. Er gehörte jenem Typ Mann an, der im Alter irgendwann zwischen Mitte fünfzig und Mitte sechzig optisch übergangslos von der Pubertät ins Rentenalter wechselte.

      „Ich sage immer, der Jupp hat den Pilz auf dem Kopf, aber der würde sich nie ein Pils in den Kopf schütten“, sagte sein Tresennachbar, auf dessen verlängerter Stirn kaum noch irgendetwas wuchs. Allgemeines Gelächter folgte.

      „Na, da bin ich ja scheinbar geradewegs in die rheinische Humorzentrale geraten“, meinte Berringer grinsend.

      „Nun sag mal, was bist du denn für einer?“, fragte der Pilzkopf, und er schien leicht missmutig zu werden, weil er Berringers Witz nicht als solchen erkannte.

      „Bestimmt ein Kölscher!“, glaubte sein Tresennachbar.

      „Nee, eher so 'ne Spaßbremse aus dem sturen Münsterland“, vermutete der Pilzkopf.

      „Das könnte sein“, murmelte der andere und musterte Berringer eingehend.

      „Ihr habt mich entlarvt“, sagte Berringer.

      Der Pilzkopf stieß seinen Tresennachbarn gegen die Schulter. „Siehste, hab ich’s doch gesagt!“, triumphierte er und wandte sich wieder an Berringer: „Und was zieht dich in diesen Tempel des Frohsinns und der Lebensart?“

      „Ich suche jemanden.“

      „So?“

      „Er ist schon mal hier gewesen. Ein Typ mit gelockten schwarzen Haaren, einer dicken Steppjacke und Kargohose, die ihm auf dem Hintern hängt, Platz für zwei von seiner Sorte hat und von Farbflecken übersät ist.“

      „Ist das nicht dieser Künstler?“, fragte der Pilzkopf den Wirt. „Du weißt doch, der Lockenkopf.“

      Der Wirt schnippte mit den Fingern. „Die Beschreibung passt auf Till Gerath.“

      „Gerath?“, echote Berringer, während der Wirt den Arm ausstreckte und auf eines der Fenster deutete.

      „Das da ist von ihm.“

      „Oh, beachtlich“, meinte Berringer.

      „Beachtlich sind die anderen“, brummte der Wirt. „Das da ist von einem Stümper, wenn Sie mich fragen.“

      „Ich finde es großartig.“

      Der Wirt zuckte mit den Schultern. „Geschmackssache.“

      „Können Sie mir Adresse dieses großartigen Künstlers geben? Ich möchte mir vielleicht so ein Fenster machen lassen.“

      Der Wirt glotzte ihn an. „Das ist nicht Ihr Ernst!“

      „Haben Sie nun die Adresse oder nicht?“

      „Ich schreib Sie Ihnen auf 'nen Bierdeckel.“

      „Danke.“

      Zwei Empfindungen beherrschten Berringer, als er wenig später in die nasskalte Nacht hinaustrat. Einerseits war er froh darüber, dass sein Instinkt offenbar noch funktionierte. Mit der nächtlichen Gestalt am Hafenbecken hatte es doch mehr auf sich. Der Zusammenhang mit dem Fall, den seine Detektei bearbeitete, war mehr als offensichtlich.

      Abgesehen davon aber empfand er Verwirrung. Was hatte der Sohn des großen Textilbarons von ihm gewollt? Es stand für Berringer fest, dass Till Gerath seinetwegen in den Hafen gekommen war. Es fragte sich nur, warum er quasi geflüchtet war. Hatte den großen Künstler der Mut verlassen? Oder war ihm bewusst geworden, dass er sich vielleicht ein bisschen zu viel davon angetrunken hatte, um noch eine vernünftige Unterhaltung führen zu können?

      Vielleicht werde ich ihn einfach mal fragen, dachte Berringer. Zumal seine Wohnung quasi auf dem Weg zu ihm nach Hause lag.

      Das Düsseldorfer Hafenviertel wandelte sich in den letzten Jahren immer mehr zu einem Revier für Medienleute und Künstler. Restaurants der gehobenen Klasse waren ebenso wie Pilze aus dem Boden geschossen wie die Produktionsstudios für Film und Fernsehen an der Kaistraße. Dazwischen gab es Werbeagenturen und Galerien.

      Till Gerath bewohnte eine loftartige Wohnung, die wohl gleichzeitig auch als Atelier diente. Berringer fragte sich, wie sich ein relativ unbekannter Künstler das leisten konnte. Offenbar war Till Gerath in der glücklichen Lage, einen Mäzen zu haben.

      Berringer musste mehrfach klingeln, bevor jemand reagierte und sich die Tür öffnete.

      Volltreffer, dachte der Detektiv, als er den Lockenkopf vor sich sah, dem er in der vergangenen Nacht begegnet war. Der Mann hatte eine Kognakflasche in der Linken und erstarrte zur Salzsäule, als er Berringer erkannte. Von einem Augenblick zum nächsten schien Till Gerath so nüchtern wie ein reformierter Prediger.

      „Guten Abend“, sagte Berringer ruhig. „Wir kennen uns flüchtig.“

      „W-was wollen Sie?“

      „Dasselbe könnte ich Sie fragen. Oder wollen Sie mir jetzt erzählen, dass Sie zur zufällig genau dort waren, wo ich mein Hausboot vertäut habe?“ Till Gerath wirkte nervös. „Wollen Sie hereinkommen?“

      „Gern.“

      Berringer

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