Shana, das Wolfsmädchen. Federica de Cesco

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Shana, das Wolfsmädchen - Federica de Cesco

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Shana, ich habe schon mit einer Frau vom Komitee geredet. Die Sache ist okay. Wann ziehst du dich um?«

      Ich bemerkte, dass ich Schokoladenflecken auf dem T-Shirt hatte, dass ich ungekämmt war und nach Schweiß roch. Und außerdem hatte ich Bauchweh, die Torte war nicht gut gewesen, wahrscheinlich stand sie schon zu lange in der Sonne.

      »Ich tanze nicht«, sagte ich

      Er runzelte die Brauen, die dicht und lang wie Federn waren, hockte sich auf die Fersen, um mir ins Gesicht zu blicken.

      »Warum nicht?«, fragte er sanft. »Bist du mir böse?« Die Bauchschmerzen waren nicht auszuhalten. Ich krümmte mich auf dem Klappstuhl. Ich konnte ihm die Wahrheit nicht sagen, es ging einfach nicht. Es war zu widerlich, zu demütigend. Ich hob nur kurz die Augen.

      »Geh weg«, zischte ich.

      Er blickte verständnislos und besorgt.

      »Was hast du? Ist dir nicht gut? Hör zu, es dauert noch eine Weile, bis alle bereit sind. Du hast noch genug Zeit …«

      Ich schüttelte den Kopf, dass die Haare flogen. Wann ging er bloß? Er sollte mich doch endlich allein lassen!

      »Ich habe gesagt, nein.«

      Meine Stimme klang schrill. Er starrte mich fassungslos an, bevor er kurz und bitter auflachte.

      »Ich sehe schon, du hast Angst«, sagte er, mit leichter Verachtung.

      »Nein!«, zischte ich.

      »Wetten, dass es das ist!«

      »Es ist mir gleich, was du denkst.«

      »Dann liegt es daran, dass du mir böse bist.«

      Ich drehte stumm das Gesicht von ihm weg.

      »Also«, sagte er, »wir können doch davon reden, oder? Warum bist du so?«

      Ich beobachtete ihn aus den Augenwinkeln heraus und sah, dass er mich unverwandt anstarrte.

      »Lass mich in Ruhe!«, sagte ich tonlos.

      Er beugte sich vor, legte seine Hand auf mein Knie; ich zuckte heftig zusammen.

      »Da ist etwas nicht normal mit dir. Hat dir einer dieser Schweine vielleicht Stoff angedreht, he?«

      Es gab einige Schüler, die Koks schnupften. Alle wussten, wer dazugehörte, bloß die Eltern nicht. Vor den Eltern hatte jeder Schüler eine Menge Respekt, das war indianische Tradition. Aber ich hatte keinen Respekt vor meinem Vater. Keinen Funken Respekt mehr. Bloß noch Verachtung. Mein Vater machte mir Schande, das war das Allerschlimmste, das ich keinem erzählen konnte, auch Alec nicht, besonders nicht Alec. Die Bauchschmerzen wurden stärker, ich wiegte mich stöhnend hin und her. »Hilf mir!«, rief ich Alec im Geiste zu, »lass mich nicht in Stich, ich brauche dich jetzt so sehr!« Stattdessen sagte ich mit harter Stimme: »Verschwinde!«

      Er erhob sich, eine weiche, fließende Bewegung. Sein Gesicht war steinern geworden. Er holte tief Luft.

      »Okay«, sagte er ruhig »Ich weiß genau, dass du mir böse bist. Ich habe bloß gedacht, dass du und ich … Na gut, reden wir nicht mehr davon. Ich will dir ja nicht auf die Nerven gehen. Und ich lasse mir auch den Tag nicht vermiesen.«

      Und dann ging er. Ich saß da wie ein Olgötze und bemerkte, wie mich Maggie Benjamin verstohlen von der Seite musterte. Alte Frauen merkten immer alles. Hoffentlich hatte sie nicht die Absicht, sich einzumischen. Ich stand ungeschickt auf, der Klappstuhl fiel um. Ich hob ihn umständlich auf, lehnte ihn an die Wand und machte mich davon.

      Als die Tänze begannen und die Trommeln im richtigen Takt schlugen, stand ich hinter der Lautsprecheranlage und sah zu, wie Alec tanzte. Er bildete mit einem Mädchen das zweite Paar hinter den beiden Vortänzern. Das Mädchen hieß Donatella; sie war zur Hälfte Italienerin und war besonders hübsch. Aber sie tanzt wie eine Kuh, dachte ich, verzweifelt und wütend. Und diese Locken, einfach grässlich! Donatellas Kleid war bunt bestickt – grell und geschmacklos, fand ich. Die Fransen, genau über ihren üppigen Busen genäht, wippten im Takt. Trug sie denn keinen Büstenhalter? Bei dieser Oberweite! Alec lachte sie an und auf einmal war ich selbst Donatella. Ich tanzte mit Alec im Sonnenschein, meine Schritte waren weich, geschmeidig, mein Fächer aus Adlerfedern war lebendig und stark in meiner Hand. Wir wirbelten und stampften im Rhythmus der Musik und es war der schönste Tag meines Lebens.

      Ganz plötzlich schwiegen die Trommeln. Mit einem Ruck fand ich wieder zu mir selbst, wider Willen in meiner schwitzenden Haut gefangen. Alle setzten sich zum Ausruhen auf Bänke, Alec holte eine Cola für Donatella. Beide unterhielten sich lachend und etwas atemlos. Ich drehte ihnen den Rücken zu, ging zum Klo, wo ich eine Weile Schlange stand. Ich hatte Durchfall. Das Bauchweh ging nicht weg, ich fühlte mich erbärmlich. Mit hängendem Kopf ging ich auf den Parkplatz zu. Die Scheiben der Geländewagen spiegelten die Sonne wieder, es war entsetzlich heiß. Ich hörte eine Wagentür zuschlagen und wandte den Kopf. Eine Frau kam auf mich zu. An der eigentümlichen Wolfstickerei auf ihrem Kleid erkannte ich die neue Lehrerin. Alec hatte gesagt, dass sie nur von weitem gut aussah, und das stimmte irgendwie. Sie hatte feine Falten im Gesicht und schon einige weiße Fäden im Haar. Doch sie hatte einen ganz besonderen Gang, wiegte sich leicht in den Hüften und hielt sich so gerade, dass sie fast ein hohles Kreuz zu haben schien. Ich lehnte mich gegen einen Wagen, um sie vorbeizulassen. Sie lächelte mir dankend zu. Ihr Blick verweilte kurz auf mir; ihre Augen waren nicht braun, nicht schwarz, sondern vollkommen golden. Nie hatte ich solche Augen gesehen. Fasziniert und unhöflich zugleich sah ich ihr ins Gesicht. Ich hatte das Gefühl, dass dieser ruhige, starre Blick sich messerscharf in mich hineinbohrte. Ich presste mich enger an das glühende Blech, sie ging weiter, und das war alles. Und später, als einige Jugendliche begannen mit Abfallsäcke herumzugehen und das Gelände zu säubern und die Teilnehmer zu ihren Pick-ups gingen, sah ich Alec und Donatella auf dem Motorrad wegfahren. Beide hatten sich umgezogen. Donatella trug ein ärmelloses Top, knallenge Jeans und Pumps mit hohen Absätzen. Wahrhaft ideal für einen Waldspaziergang im Mondschein, dachte ich. Hoffentlich verrenkt sie sich die Knöchel.

      Später in der Nacht wanderte ich die Straße entlang, wo die letzten Autos vorbeifuhren. Am Waldrand fand ich einen ruhigen Platz, warf mich ins warme Gras und sah die Sterne glitzern. Und auf einmal hörte ich es wieder, dieses lang gezogene, unglaublich traurige Heulen. Es klang wie das Echo meiner eigenen Qual, als ob das unbekannte Tier meine Verzweiflung teilte. Ich entsann mich an die Geistergeschichten meiner Kindheit. Mir wurde ganz schwindlig und einen Moment hoffte ich schon, ich sei tot. Ich schnappte keuchend nach Luft, antwortete dem fernen Geheul mit einem lauten, krampfhaften Schrei, der in heftiges Schluchzen überging. Ich weinte, den ganzen Körper vor Schmerz geschüttelt. Und als ich alle Tränen geweint hatte und mein Zittern sich beruhigte, merkte ich, dass das Tier – was immer es gewesen sein mochte – schwieg. Das Schreien hatte befreiend gewirkt, ich atmete ruhiger. Mit der Entspannung kam ein Gefühl des Absinkens. Ich schlief eine Weile, doch nicht lange. Ich erwachte in völliger Dunkelheit, schlotternd vor Kälte. Steif richtete ich mich hoch, setzte ungeschickt einen Fuß vor den anderen und begann in Richtung Dorf zurückzulaufen.

      Der Sommer ging vorbei, irgendwie. Mit meinem Vater sprach ich nicht mehr. Man kann mit einem Menschen unter einem Dach leben, ohne von ihm Notiz zu nehmen. Man muss nur aus dem Zimmer gehen, wenn er kommt, morgens nicht zu gleicher Stunde aufstehen, nicht zur gleichen Zeit essen. Elliot spülte sein schmutziges Geschirr, kratzte die Töpfe aus, kümmerte sich um seine Wäsche. Er wusste,

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