Sommer Roman-Paket Unterhaltungsromane und Erzählungen: In Paris und andernorts. Sandy Palmer
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Sommer Roman-Paket Unterhaltungsromane und Erzählungen: In Paris und andernorts - Sandy Palmer страница 77
10
Nachdem ich nun einmal mit keuschen Küssen und harmlosen Zärtlichkeiten angefangen hatte, fuhr ich damit unverdrossen fort, und Erika ließ sie weiterhin unverdrossen über sich ergehen. Sie stellte mich sogar ihren Eltern vor. Und die zeigten sich hocherfreut und begannen unverzagt Heiratspläne zu schmieden. Ich sollte auch sehr bald erfahren, wieso sie so erfreut waren. Erika erzählte, genauer, schwärmte immer wieder von einem Burschen, der offenbar weniger strenge moralische Prinzipien hatte als ich und von ihren Eltern als Heiratskandidat strikt abgelehnt wurde. Jedenfalls stellte ich später bei unserem ersten Geschlechtsverkehr zu meiner Überraschung fest, dass Erika schon entjungfert war, hütete mich aber, diesen Umstand auch nur mit einer Silbe zu erwähnen. Ich bin ja nicht so. Mein Grundsatz hat stets gelautet: Eine Frau soll man nie bedrängen.
Erika deutete mehrmals an, ihre Eltern wünschten, ich möge vor sie, genauer, vor ihren Herrn Papa, hintreten und feierlich um die Hand seines Töchterleins anhalten. Nun ja, so blöd und antiquiert ich dieses Begehren fand, ich nahm mich halt zusammen und erfüllt ihnen diesen Herzenswunsch, frei nach dem Motto: Wenn das ihre einzige Sorge ist. Es folgte eine nicht weniger antiquierte Verlobungsfeier, und ein Jahr später wurde geheiratet; und erst von da an durften wir im Haus ihrer Eltern, in einer eigenen Wohnung, zusammenleben. Und wenn du mich jetzt fragst, wie wir es mit der von Mutter Kirche vorgeschriebenen vorehelichen Keuschheit gehalten haben, so muss ich sagen: Ja, wir waren keusch, bis zuletzt, bis zur Hochzeitsnacht. Du weißt ja, der eheliche Akt, so nennt man das im Theologenjargon, darf nur in das Sakrament eingebettet sein, weil er der mystischen Ehe zwischen Christus und seiner Kirche dienstbar sein muss. Oder so ähnlich.
Übrigens hätte es zwei Gelegenheiten für eine Hochzeitsnacht gegeben, die nach der standesamtlichen Trauung und, aus irgendwelchen Gründen erst mehrere Wochen später, die nach der kirchlichen Zeremonie. Und wann fand sie, die Hochzeitsnacht, nun wirklich statt? Natürlich erst nach der kirchlichen Zeremonie. Gültig ist ja angeblich nur diese. Und ich Idiot tat bei diesem ganzen Unsinn mit und war sogar noch stolz auf den von mir aufgebrachten „Heroismus“, wie die Kirchenmänner ein solches idiotisches Verhalten nennen.
Dabei litt ich nicht wenig unter diesen Entbehrungen und Zumutungen. Oh, wäre ich doch über meinen Schatten gesprungen. Hätte ich doch die Fesseln dieser repressiven katholischen Moral mit einem Schwerthieb zerhauen wie Alexander der Große den Gordischen Knoten. Vieles wäre mir erspart geblieben; das kannst du mir glauben, liebste Irmi. Ich hätte nämlich rechtzeitig entdeckt, dass Erika und ich überhaupt nicht zusammenpassen. Und warum nicht? Ich will es dir sagen: Weil sie mich, meine Liebe, meinen Körper, meine Sexualität innerlich ablehnte und darunter natürlich auch selber litt. Später warf sie mir in regelmäßigen Abständen vor, sie habe sich von mir so schrecklich gedrängt gefühlt, mich zu heiraten, und dem habe sie infolge ihrer Jugend nicht widerstehen können, zumal ihre Eltern ... und so weiter.
Das Problem war nämlich: Bei mir wurde ihr nie der Segen des Liebesgottes zuteil, während unserer gesamten Ehe nicht. Im Klartext: Mit mir hatte sie, ausgenommen ein einziges Mal, niemals einen Orgasmus. Aber du weißt sicher, wenn eine Frau einen Mann innerlich ablehnt, so kann er sich auf den Kopf stellen; er wird sie niemals glücklich machen können.
Erika hat den sogenannten ehelichen Akt immer wie eine Strafe über sich ergehen lassen und sich folglich auch nur so selten wie irgend möglich dazu bereiterklärt, und wenn, dann natürlich nur auf die althergebrachte Weise auf dem ehelichen Lager. Unter freiem Himmel, so wie wir zwei es gemacht haben? Undenkbar. Einmal zum Beispiel, da badeten wir an einem See in einer einsamen Bucht, und mich überkam plötzlich süßes Verlangen nach Erikas aphrodisischem Körper und umhüllte mir die Sinne, und ich versuchte sie mit aller Behutsamkeit zu einem Schäferstündchen in Gottes freier Natur zu bewegen. Nun, ich hätte es mir denken können; aber meine Sinne waren ja „umhüllt“. Ich stieß auf empörte Ablehnung. Ja, ja, auch so kann eine Frau das süße Verlangen eines Mannes dämpfen.
11
Dabei gehörte Erika keineswegs zu der Gattung Frauen, für die Sex grundsätzlich gleichbedeutend ist mit Horror. Dies wurde mir naturgemäß erst später klar, konkret, im Sommer 1971, ein Jahr nach unserer Hochzeit. Damals begab sich für mich völlig Ungewohntes: ein Badeurlaub am Meer, an der italienischen Riviera, gemeinsam mit Erikas Eltern. Dort freundeten wir uns mit Lore und Lothar, einem etwa gleichaltrigen Ehepaar aus Innsbruck, an. So weit, so gut. Indes, wie gut sich Erika mit Lothar anfreundete, sollte ich erst nach dem Ende des Urlaubs erfahren. Da gestand sie mir nämlich, nein, da eröffnete sie mir frisch und fröhlich, sie habe sich in ihn verliebt, und ja, sie habe sich von ihm bereits verführen lassen und habe durchaus vor, dies auch in Zukunft so zu halten.
Ganz schön mutig, meinst du? Aber woher denn. Sie kannte mich ja unterdessen zur Genüge und wusste, dass ich erstens kein Gewalttäter, kein Othello bin und zweitens zu jener Sorte Männer zähle, die ihre Frau auf Händen tragen und ihr jeden Wunsch von den Augen ablesen. Tatsächlich dachte ich: Warum sollte ich ihr diese Freude missgönnen? Ein Mann, der seine Frau wirklich liebt und nicht bloß besitzen will, freut sich, wenn sie sich freut. Außerdem war es, wie gesagt, die Zeit der sexuellen Revolution und der Oswalt-Kolle-Filme, und da drängte sich in meinem Geist heimlich, still und leise ein verstohlener Gedanke vor, und der flüsterte mir ein: Vielleicht fängt dann die Lore mit mir was an, und wir praktizieren einen kleinen Partnertausch. Soll ja nicht gar so selten vorkommen.
Dieser Gedanke war in der Tat sehr verstohlen. In Wirklichkeit war ich damals noch rasend monogam, und ich schlug gar manche Verlockung, gar manches Angebot aus; die Frauen waren mittlerweile, dem Zeitgeist folgend, im Allgemeinen nicht mehr so zurückhaltend, oder sagen wir, verklemmt, wie früher. Aber nein, ich hatte die feste Absicht, meiner Angetrauten treu zu bleiben, auch wenn sie sich gelegentlich anderweitig vergnügt.
Und das tat sie oft und mit sichtlichem Vergnügen. Denn Lothar kam als Vertreter viel herum, und sie reiste ihm, wann immer es ging, nach. Und er kam auch immer wieder nach Vorarlberg und fand hier ein nicht nur billiges, sondern auch warmes und höchst vergnügliches Quartier, nämlich in unserer Wohnung. In unserem Schlafzimmer. Und ich? Störte ich sehr durch meine Anwesenheit (falls ich anwesend war)? Aber wo, nicht im Geringsten. Der Benedikt ist ja kein Gewalttäter, kein Othello. Und er ist unwahrscheinlich tolerant.
Und dies war der unveränderliche Ablauf von Lothars Besuchen. Erster Akt: Gemeinsames Abendessen in der Küche.