Venedig sehen und morden - Thriller-Paket mit 7 Venedig-Krimis. Meinhard-Wilhelm Schulz

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Venedig sehen und morden - Thriller-Paket mit 7 Venedig-Krimis - Meinhard-Wilhelm Schulz

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in den nordöstlich gehenden ‚Rio di San Felice‘, den wir ungefähr zwei Kilometer ‚aufwärts‘ befuhren.

      In der Nähe des zu unserer Rechten liegenden ‚Palazzo Papafava‘ stiegen wir an Land und überließen den Capitano seinem Schicksal. Über das Bauwerk will ich hier keine Worte verlieren. Es war und ist kein Touristenmagnet, aber dort drinnen hauste ein gewisser Conte (Graf) Raimondo d‘ Inceto, den Volpe des Mordes an vier Frauen verdächtigte.

      10. Teil: Eine bezaubernde Frau

      Schon standen wir vor dem Haus der Luxusklasse, das in den Strahlen der Nachmittagssonne gleißte. Dass es eine Heimstatt der Reichen war, bezeugte schon die Gestaltung der Fassade, welche mit Marmorplatten belegt und durch korinthische Halbsäulen, welche scheinbar die einzelnen Stockwerke trugen, künstlerisch gegliedert war.

      Das Erdgeschoss beherbergte offenbar zwei großzügige Wohnungen, das Obergeschoss, dessen Giebel zur Straßenseite hin in Form eines griechischen Tempels gestaltet war, bildete ein Haus auf dem Haus, ein Penthaus. Ein einziger Blick genügte, um über so viel feinen Geschmack in Begeisterung auszubrechen. Ein freundlicher Passant zeigte nach oben und sagte:

      »Das ist der Ansitz des Conte d‘ Inceto, eines uralten Adelsgeschlechtes, das sogar einen Doge, einen Erzbischof und einen obersten General der Republik Venedig hervorgebracht hat. Der jetzige Conte freilich ist ein Taugenichts und lebt vom Geld seiner Frau und vom Ruhm der Vorfahren.«

      Volpe nickte. Ich dankte ihm. Wir schritten die fünf Stufen zum ehernen Portal hinauf und betätigten den ringförmigen Türklopfer. Der Portier bemerkte uns, blickte aus seiner Kammer heraus, durch die entsprechende Luke, auf uns und fragte nach dem Begehr, nach dem Woher und Wohin, denn ohne Weiteres, so er wichtigtuerisch, komme man hier nicht an ihm vorbei und in dieses Haus hinein. Dieses Gehabe ärgerte Volpe, und er zischte durch das geöffnet Fensterlein:

      »Ich bin Giuseppe Tartini, bekannt als Volpe, und das da ist mein Freund und Kollege, Dottore Sergiu Petrescu. Wir müssen Signore Raimondo, Conte d‘ Inceto sprechen, und zwar sofort.«

      »Oh, du guter Gott«, schrie der Hausdiener verblüfft und begeistert zugleich. Augenblicklich öffnet er die Tür.

      »Der große Detektiv persönlich! Nie werde ich mir das verzeihen, Sie nicht erkannt zu haben. Und Dottore Petrescu haben Sie gleich mitgebracht; meine sehr verehrten Herrschaften …«

      Er riss die Türflügel auf, verbeugte sich vor uns fast bis zum Estrich und zeigte dann auf die marmorne Treppe, welche gemächlich gewunden nach oben führte.

      »Der Conte ist im Obergeschoss zu Hause, aber ich fürchte, er schläft noch. Er ist in letzter Zeit ein, äh, Nachtarbeiter.«

      »Wir müssen ihn dennoch sehen, Signore, äh …«, sagte Volpe.

      »Man nennt mich Giovanni, nur Giovanni, ohne Zunamen«, sagte der Mann in seiner fein gestreiften Hausdieneruniform.

      »Oh, wie mein eigener Butler! Es ist ein guter Name bei Ihrer Stellung. In London, wo ich kürzlich aus beruflichen Gründen weilte, hießen Sie gewiss ‚James‘.«

      Der brave Kerl strahlte. Volpe hatte ihm eine riesige Freude gemacht. Etwas traurig sagte er dann:

      »Meine Großeltern lebten noch in dieser Stadt. Bevor ich aber geboren wurde, wanderten sie nach Italien aus. Ich war noch nie in London. Ich wollte, ich käme hier einmal weg. Tag für Tag immer nur Dasselbe, diese Langeweile, der ewige Sisyphus, und das für einen Hungerlohn.«

      Volpe unterbrach den Redeschwall des Portiers und sagte:

      »Ist dein Herr, der Conte d‘ Inceto, auch letzte Nacht wieder spät nach Hause gekommen?«

      »Keine Ahnung! Wirklich nicht! Tut mir leid. Mein Dienst endet stets um 18. 00 Uhr. Anschließend muss sich ein jeder Bewohner mit dem Schlüssel abquälen. Jedenfalls war der Conte noch zu Hause, als ich meinen Feierabend nahm. Er geht gewöhnlich erst später aus, viel später.«

      »Vielen, vielen Dank, lieber Giovanni. Der Dottore wird dich in seinem Bericht gebührend würdigen, denn du hast uns sehr geholfen; auf Wiedersehen!«

      Ehe es sich der verdutzte Herr versah, blinkten drei große funkelnagelneue Zwei-Euro-Münzen in seiner Hand. Er brachte vor Glückseligkeit keinen Ton mehr heraus. Dann stapften wir die Stiege hinauf.

      Oben angekommen, standen wir vor einem Portal aus rötlichem Holz mit silbernen Beschlägen. Darüber war bogenförmig in goldenen Buchstaben vor weißen Hintergrund der Name des Wohnungsinhabers aufgezeichnet:

      »Conte Raimondo II. d‘ Inceto – artista (Künstler)«

      Ein eherner Löwenkopf fauchte uns entgegen. In seinem Maul hing ein vergoldeter Ring zum Anklopfen. Rufus nahm ihn und ließ ihn gegen die Türe des vorgeblichen Künstlers poltern; und dann noch einmal.

      Aber es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis sich die Tür auftat, einen kleinen Spalt breit nur. Darin sozusagen eingeklemmt steckte eine mollige Schwarze, um die fünfundzwanzig Jahre alt, hübsch hässlich, an der fleckigen Küchenschürze als Hausmädchen und Köchin erkennbar. Ein scharfer Hauch von Pfeffer wehte uns entgegen, während sie uns schweigend musterte und aus weißen Kulleraugen ansah. Dann sagte sie spitz:

      »Mit wem habe ich die Ehre?«

      »Privatdetektiv Tartini samt Dottore Petrescu.«

      »Ach, du lieber Himmel, auch das noch! Haben wir etwas ausgefressen?«, rief sie geschockt und schlug die grübchenreichen Hände über dem Kopf zusammen, als ob sie Unheil auf ihren Herrschaften lasten sähe.

      »Ist der Conte zu Hause?«, fragte mein Freund.

      »Ja. Aber um diese Zeit pflegt er noch zu schlafen.«

      »Dann wecke ihn!«

      »Er wird mich halb tot schlagen.«

      »Ist wenigstens seine Frau zu sprechen?«

      »Wohl kaum! Sie ist gerade im Bad verschwunden. Auch sie wird wütend sein, wenn ich sie störe. Das Baden ist ihr heilig. Kinder hat sie keine zustande gebracht. Soll ich sie rufen?«

      »Gewiss doch, es ist bitter ernst.«

      »Gut, dann gehe ich«, sagte sie und trippelte davon.

      Wir sahen ihr durch die offen stehende Tür hinterher und begaben uns dann frech in den Korridor hinein, während sie kopfschüttelnd in den hinteren Gefilden verschwand. Uns ließ sie in der durch zwei Bogenfenster erleuchteten Halle stehen.

      Von dort aus hörten wir sanftes Plätschern sowie das melodische Klingen einer glasglockenreinen Stimm. Das versetzte nicht nur mich in Begeisterung. Still und voller Wonne lauschten wir dem Gesang der Unbekannten, die da gerade ihr Bad genoss. Dann brach das Singen ab. Ein Dialog zorniger Stimmen drang an unsere Ohren, darunter daher gekeifte Worte wie »fristlos entlassen«. Volpe kicherte vergnügt. Ich hingegen schaute verärgert zu Boden und dann nach links und rechts.

      Neben uns, an den freien Flächen der Wand, hingen Gemälde, die ich mir jetzt gründlicher ansah, um sie als

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