Venedig sehen und morden - Thriller-Paket mit 7 Venedig-Krimis. Meinhard-Wilhelm Schulz
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Читать онлайн книгу Venedig sehen und morden - Thriller-Paket mit 7 Venedig-Krimis - Meinhard-Wilhelm Schulz страница 18
Doch als sie aus dem Gemach hervor trat, verschlug es uns die Sprache. Wie gebannt sahen wir dieses langbeinige Wesen von einer anderen Welt auf uns zu schweben, die göttliche Anmut in Person, eine Grazie wie aus dem Bilderbuch. Ihre kaum verhüllte Haut leuchtete weiß wie Schnee.
In aller Eile hatte sie sich nichts anderes als ein blaues Handtuch aus Frottee um die schmalen Hüften geschlungen und war in schwarze Flipflops geschlüpft, deren grüner Riemen als Schlange gestaltet war. Oben drauf war er mit je zwei roten Perlen besetzt, welche die Augen des Reptils bildeten.
Während sie sich näherte, hob sie die Arme und kreuzte sie über der nackten Brust. Die Hände hatte sie dabei in dem jeweils gegenüber liegenden Oberarm verkrallt. Am rechten Ringfinger blinkte ein goldener Ehering. Die Nägel an Händen und Füßen waren hell rosarot lackiert und schimmerten wie Perlmutt. Selten hatte ich eine so schöne Frau gesehen und verliebte mich auf der Stelle in sie. Ungefähr 1, 80 Meter maß sie.
So stand sie nun in voller Größe vor uns und lächelte uns verlegen an. Sie hatte nicht einmal die Zeit gefunden, sich abzutrocknen. Eine Pfütze breitete sich unter ihr aus. Warum nur war sie so hektisch aus der Badewanne geklettert?
Fast so groß wie Rufus war sie und schlank wie die afrikanische Gazelle, keine einziges Gramm Fett am Leib: sportlich gestählte weiblich geschwungene Schenkel; breite, männlich anmutende Schultern und muskulöse Arme.
Das Bezauberndste an ihr war freilich der Kopf, der über einem filigran modellierten Hals thronte: ovales Gesicht von nassem, an Hals und Schultern klebenden dunkel- bis rotblondem Haar umsäumt, das sich nach dem Trocknen weiter aufhellen dürfte; hohe Stirn; harmonisch gebogene Augenbrauen; große hellgrüne Augen, welche mich an die einer Schlange erinnerten; fein modellierte Nase, die unmittelbar aus der Stirn heraus wuchs; üppiger roter Mund mit dermaßen spöttisch gekräuselten Lippen, dass ich das Brennen der eigenen Lippen verspürte; darunter ein feines straffes Kinn, kurz: ein Antlitz, so ausdrucksvoll, wie ich selten eines sah, wenn auch mit ersten Ansätzen feiner Linien. Aber das tat ihrer Schönheit eher gut als dass es schadete. Vor mir stand eine Frau, so schätzte ich, von Ende Dreißig.
Bewundernd glitten nun meine Blicke über ihre Blöße hinauf und hinunter, wo ich doch als fein erzogener Mensch beiseite hätte sehen sollen, während Volpe, der sich lebenslang von Frauen fern hielt, ja, ihnen sogar bewusst aus dem Weg ging, so feuerrot anlief, dass ich schon fürchtete, er könnte vor ihr die Flucht ergreifen. Doch da riss er sich zusammen und sagte, übertrieben kurz angebunden und seltsam trocken, ganz so, als trüge sie ein strenges Schneiderkostüm:
»Buon giorno, signora, das da ist Doktor Sergiu Petrescu. Ich bin Giovanni Tartini, der Detektiv. Wir müssen Ihren Mann sprechen, und das unbedingt. Es ist keine Zeit zu verlieren. Doch zuvor könnten Sie uns die Ehre erweisen zu sagen, mit welchem Namen wir Sie anzureden haben, donna.«
»Contessa Cornelia heiße ich«, flötete sie atemlos, »und stamme aus einer Nebenlinie des alten Adelshauses der Malatesta aus Rimini, aber ich bin nicht das, was ihr euch vorstellt. Ich will gar nicht erst um den heißen Brei herum reden und euch nichts vormachen. Einem Volpe etwas vorzumachen, ist sinnlos:
Ich bin neununddreißig Jahre alt und war einst zu eitel, zu wählerisch. In besseren Jahren sind mir daher die Heiratskandidaten abhanden gekommen, einer nach dem anderen. In einige von ihnen war ich verliebt, aber sobald sie mich das erste Mal nackend gesehen hatten, nannten sie mich eine Androgyne (‚Mannweib‘) und suchten das Weite.
Dies trieb mich an den Rand des Wahnsinns. Ich wollte mich bereits umbringen. Doch dann habe ich Raimondo kennen gelernt und geheiratet, einen Mann, dem das, was andere abstößt, gar nichts ausmacht. Es war vor nunmehr fünf Jahren, und damit ihr endlich begreift, dass es bei mir nichts, wirklich nichts zu sehen gibt und ihr endlich das Gaffen bleiben lasst …«
Scheinbar wütend blitzte uns Cornelia an, ließ die Arme sinken, eine Weile baumeln, stemmte sie dann lässig in die Hüften und sah uns herausfordern an.
Den unter tausend glitzernden Wassertröpfchen schimmernden Körper bog sie dabei wie eine geschmeidige Schlange, so dass die rechte Hüfte höher als die linke und im Gegentakt die linke Schulter höher als die rechte empor ragte. Währenddessen kam sie auf dem linken Fuß zum Stehen. Den rechten setzte sie nur mit den Zehenspitzen auf. In dieser Haltung sah sie uns trotzig aus ihren hellgrünen Augen an und zeigte dabei zwischen aufgeworfenen Lippen eine Reihe makelloser Zähne:
Welch ein göttlicher Anblick! Gerade weil es in gewisser Hinsicht bei ihr überhaupt nichts zu sehen gab, war Himmlisches zu sehen. Ich war hingerissen von so viel Schönheit. Vor mir stand nämlich, das Gesicht inzwischen purpurrot überflutet, eine Frau mit dem Oberkörper eines männlichen Athleten.
Wir schwiegen betroffen. Wir staunten. War das wirklich eine Frau oder doch nur ein Mann mit weiblichen Zügen? Unwillkürlich dachte ich an die Sagengestalt des ‚Hermaphroditos‘, der im Oberkörper wie eine Frau aussieht, aber den Unterleib eines Mannes vorweist. Contessa Cornelia, genau umgekehrt gestaltet, erriet meine Gedanken, lächelte giftig und fauchte:
»Muss ich erst das Handtuch fallen lassen, damit ihr mir endlich glaubt, dass ich eine Frau bin?«
»Da sei Gott vor!«, sagte ich, während mein Volpe erschrocken schwieg. Er versteht sich eben nicht auf das Weib. Im Versuch, charmant zu sein, sagte ich an seiner Stelle:
»Dennoch sei mir die Bemerkung gestattet, dass Sie eine unvergleichlich schöne Gestalt besitzen. Doch wir sind nicht gekommen, Ihnen die Bewunderung, welche Sie mit Fug und Recht verdienen, zu schenken, sondern um einen Kriminalfall aufzuklären. Darum wollten wir eigentlich den Conte sprechen, aber der schläft ja noch. Vielleicht könnten Sie uns an seiner Stelle einige Fragen beantworten?«
Sie nickte und sagte, »am besten gehen wir dazu nach drüben ins Arbeitszimmer«, schlenkerte die Flipflops beiseite und tänzelte auf den Zehenspitzen und mit winzigem, wiegendem Gesäß vor uns her, hinein in ein freundliches Zimmer, in dem sich einige mit Kissen gepolsterte Korbsessel um einen runden dreibeinigen Tisch aus dunkel gebeiztem Pinienholz gruppierten.
Wir nahmen Platz. Sie wickelte sich jetzt bis auf die Höhe der Achselhöhlen in ein Badetuch, das ihr die schwarze Zofe gebracht hatte, setzte sich, wischte sich die feuchten Haare aus dem Gesicht und sah grünlich schillernd zu uns herüber. Volpe hatte sich wieder im Griff und nahm das Wort:
»Ihr Mann schläft also noch, Contessa. Hat er die Gewohnheit, immer um diese Zeit zu schlafen?«
Sie errötete ein wenig. Ihre Lippen bebten:
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Nun, gewiss ist er spät in der Nacht oder erst am frühesten Morgen nach Hause gekommen, oder?«
Sie lächelte versonnen, kuschelte sich in das Badetuch und räkelte sich wie das berühmte Kätzchen, die aus Marmor gemeißelten Arme in die Höhe streckend und herzhaft gähnend, ohne sich eine Hand vor den Mund zu halten, einfach süß:
»Er ist Künstler und arbeitet am liebsten nachts. Die Stille der Nacht inspiriere ihn, sagt er, und wenn er schöpferisch tätig ist, pflege ich zu schlafen. Er mag es nicht, wenn ihm jemand über die Schulter blickt, wenn er arbeitet.«
»War er letzte Nacht zu Hause? Oder war er im Getriebe der Stadt untergetaucht,