Venedig sehen und morden - Thriller-Paket mit 7 Venedig-Krimis. Meinhard-Wilhelm Schulz

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Venedig sehen und morden - Thriller-Paket mit 7 Venedig-Krimis - Meinhard-Wilhelm Schulz

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Mitte.

      »Setzen Sie sich doch endlich!«, sagte Ambrosio und schob ihm einen bequemen Sessel mit gebogener Rücklehne zu. Zögerlich hockte der Verhaftete sich auf die Kante und starrte hasserfüllt zu uns beiden hinüber. Ambrosio di Fusco, der als Offizier der Carabinieri jetzt energisch die Fäden in die Hand nahm, während er uns ‚Amateure‘, wie er gerne sagte, keines Blickes mehr würdigte, fragte ihn:

      »Wie lange, verehrter Conte, sind Sie schon verheiratet?«

      »Fünf Jahre.«

      »Aha! Darf ich Ihr Alter wissen.«

      »Warum nicht; ist ja aktenkundig; sechsundzwanzig. Ich habe Contessa Cornelia mit erst Einundzwanzig geheiratet. Ist das ein Verbrechen?«

      Volpe und ich warfen einander vielsagende Blicke zu: Die Süße, die ich gerade eben hatte umarmen und küssen dürfen, war demnach mindestens dreizehn Jahre älter als ihr Mann.

      »Und wie alt ist dann Ihre Frau, Signore Conte?«, fragte Ambrosio unerbittlich.

      Der Graf lief knallrot an, schwieg verbissen und rüttelte an den Handschellen, mit dem seine Hände gefesselt waren. Mir tat er trotz allem leid, denn welcher Mann sagt das schon freiwillig, was er nun gestehen sollte. Er schwieg also:

      »Seine Cornelia ist, wenn ich ihr das abnehmen darf, bereits Neununddreißig. Höchstwahrscheinlich ist sie aber ein bis zwei Jährchen älter«, sagte Volpe triumphierend, während ihn der Conte musterte, als wollte er ihn auf der Stelle ermorden.

      Ich blickte zu Boden. Es trat eine vorübergehende Stille ein, während der Ambrosio seine Hände wie große weiße Spinnen auf der rissigen Platte seines Schreibtisches hin und her krabbeln ließ, bis er endlich sagte:

      »Signore Conte, sind Sie Maler?«

      »Nein, Künstler. Das Malen gehört auch dazu. Leider bin ich zurzeit noch nicht berechtigt, ein Haus zu bauen. Dazu fehlt mir das Diplom. Aber immerhin liefere ich einigen unserer Architekten meine künstlerischen Entwürfe.«

      »Haben Sie irgendeine Ausbildung gemacht? Besitzen Sie das Zertifikat eines abgeschlossenen Studiums?«

      »Nein, ich habe … nichts gelernt und war bei keinem Meister in der Lehre. Als ich siebzehn war, fing ich an zu malen … ich bin … äh … ein Autodidakt.«

      »Haben Sie eine höhere Schule besucht oder studiert?«

      »Nein. Alles, was ich kann, habe ich mir selber beigebracht. Mehr brauchte ich auch nicht. Ich wollte schon immer Künstler werden, und als man mich verhaftete, konnte man ja die Bilder in meiner Wohnung sehen. Sie sind alle von mir. Ich werde noch von mir reden machen … eines Tages.«

      Auch der Tenente, das verriet er mir später, fand die Gestaltung dieser Gemälde bedrückend: immer nur Morde vor düsterem Hintergrund; besonders abgestoßen habe ihn, wie sehr Graf Raimondo in der Darstellungen der dahin geschlachteten Töchter der Niobe schwelgte. Sie alle habe der Graf im Blute schwimmend und von Pfeilen gespickt auf die Leinwand gebannt.

      »Sagen wir es mit einem Wort«, setzte der Tenente das Verhör fort, »Sie haben keinen bestimmten Beruf, und Künstler darf sich jeder nennen, wenn er Lust dazu hat.«

      »Ja, ich weiß«, sagte Graf Raimondo, grausam lächelnd, »auch Sie und Signore Tartini, ihr haltet mich für einen Versager, nicht wahr? Aber daran habe ich mich gewöhnt. Ich kann niemanden daran hindern, so über mich zudenken. Es hätte keinen Sinn. Oft genug musste ich mir Dergleichen anhören.«

      »Finden Sie denn auch Abnehmer Ihrer, äh, Werke?«

      »Mir sind meine wenigen Kunden lieber, wenn sie nur Vertrauen zu mir haben, Menschen, die meiner Inspiration freien Lauf lassen, Freunde, denen meine Art der Gestaltung gefällt und die nach keinem Diplom fragen.«

      »Soll das heißen, dass Sie vom Erlös Ihrer Produkte gar nicht leben könnten, verfügten Sie nicht über, äh, Eingemachtes?«

      »Das Geld ist mir als Künstler gleichgültig. Wir sind reich genug, um ein sorgenfreies Leben zu genießen.«

      »Ist es … äh … besonders das Vermögen, welches … äh … Ihre Frau in die Ehe mitgebracht hat?«

      Der Conte sprang aus dem Sessel auf und brüllte mit einer scheußlich überschnappenden Fistelstimme:

      »Wer bei uns wie viel Geld eingebracht hat, geht euch verfluchte Bullen einen feuchten Dreck an. Wir sind verheiratet und besitzen ein gemeinsames Vermögen.«

      Er hockte sich wieder hin. Ambrosio gab dem Amtsdiener einen Wink. Er stellte einen Glas Wasser vor Raimondo, der es vorsichtig mit den aneinander gefesselten Händen ergriff, an den Mund führte und auf einen Zug leerte. Auch der Tenente und wir befeuchteten uns jetzt Zunge und Kehle. Durch das vergitterte Fenster wehte schwüle Abendluft herein. Ich blickte hinaus und sah feines Wetterleuchten in der Ferne.

      »Gut, dann ein anderes Thema«, sagte Ambrosio, »sind Sie hier in Venedig geboren?«

      »Nein. Aber ich war noch ganz klein, als meine Eltern aus Milano hier zuwanderten und den leer stehenden Palast kauften.«

      »Dann legen Sie von Kindheit an im selben Stadtviertel.«

      »Gewiss. Das ist kein Geheimnis.«

      Das war aber genau die Gegend, in der gerade erst vier Frauen ermordet worden waren, dachte ich, auf dem knatschenden Stuhl hockend und vor Müdigkeit fast wegtretend.

      »Sein Palast liegt nur wenige Gehminuten von dort entfernt, wo wir die Spur des Mörders verloren haben, letzte Nacht«, flüsterte mir Volpe ins Ohr.

      »Leben Ihre Eltern noch?«, fragte di Fusco.

      »Nur meine Mutter.«

      »Wie heißt sie? Wo haust sie?«

      »Maria Augusta Tiepolo; in der ‚Calle Larga, unmittelbar unterhalb des ‚Rio di Santa Sofia‘, mit Blick auf den Kanal.«

      Volpe warf mit einen vielsagenden Blick zu.

      »Warum tragen Sie nicht den Namen Ihrer Mutter?«

      »Mein Vater war, äh, gestorben. Der verwitwete kinderlose Graf d‘ Inceto hat mich adoptiert. Er starb kurz nach der Adoption. Ich erbte Namen und Titel von ihm.«

      »Wie ist Ihr Verhältnis zur Mutter?«

      »Wir verstehen uns einmalig gut. Ich habe sie lebenslang geliebt und liebe sie. Sie ist eine wunderbare Frau. Es könnte keine bessere geben.«

      »Gilt solches Lob auch für Ihren leiblichen Vater?«

      Der Conte blickte versteinert zu Boden, knirschte mit den Zähnen und schwieg. Ambrosio sagte:

      »Also nicht.«

      »Er ist schon lange, lange tot. Er starb, als ich erst acht Jahre alt war. Ich hasse ihn bis heute.«

      Volpe flüsterte mir zu:

      »Jetzt weiß ich endlich, wo der Bursche seine Wurzeln

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