Venedig sehen und morden - Thriller-Paket mit 7 Venedig-Krimis. Meinhard-Wilhelm Schulz
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»Entschuldigen Sie bitte«, unterbrach ihn Volpe, »wir sind nicht hergekommen, um über die Hitzewelle zu lamentieren. Ich möchte von Ihnen wissen, was Sie gestern an hatten. Könnten Sie es mir einmal zeigen?«
»Warum auch nicht?«, sagte der junge Mann, »es war mein blauer Anzug aus Seide. Ich trage bei diesen Temperaturen grundsätzlich nur Seide. Das bekommt der Haut am besten; einen Augenblick bitte!«
Er schlenderte schlaff wie eine Schlenkerpuppe hinaus, um kurze Zeit später mit einem frisch gewaschenen und frisch geplätteten nachtblauen Anzug wieder zu erscheinen. Dazu lächelte er ein Wenig schief und war rot angelaufen:
»Darin steckte ich bis zur Cena (Abendessen). Danach habe ich einen leinenen Kittel angezogen, um zu arbeiten. Ich arbeite am liebsten nachts, wisst ihr.«
»…und gegen Mitternacht sind Sie nicht zufällig noch einmal ausgegangen, beispielsweise, um frische Luft zu schöpfen?«
»Nein, ich habe durchgearbeitet, bis zum Morgengrauen, wie das meine Gewohnheit ist. Dann habe ich mich aufs Ohr gehauen. Ich bin ein ziemlich nervöser Mensch und brauche meinen Schlaf. Darum schlief ich auch noch, als Sie kamen, Signori.«
Aus seinen großen wässrigen Augenteichen, die feinen Händen leicht ineinander verkrampft, sah er uns an, als wartete er Beifall heischend auf zustimmende Worte, aber wir schwiegen und musterten ihn wenig freundlich:
Auch aus der Nähe betrachtet wirkte Conte Raimondo eher wie ein dummer Junge denn ein erwachsener Mann. Wenn man aber genauer hinsah, was wir jetzt taten, dann erkannte man zweifellos, dass dieser vorzeitig verbrauchte Zeitgenosse seine besten Jahre längst hinter sich hatte.
Die Haut wirkte gelblich wie Pergament und war welk. Feine Fältchen durchzogen sein Mienenspiel, wenn er versonnen lächelte; das weißblonde Haar fade und glanzlos. Er war, wie er war, ganz der Typ, dachte ich, auf den das Mauerblümchen seine letzten Hoffnungen setzt. Arme und Beine freilich, die er aus dem Morgenrock streckte, waren vor Muskeln berstend. Darüber konnte die gespielte Schläffe nicht hinweg täuschen.
»Dürfen wir Sie nun darum bitten, uns Ihren Garderobeschrank zu öffnen und Ihre Kleider zu zeigen?«
Der Conte zuckte zusammen. Für einen winzigen Augenblick verfinsterte sich sein Gesicht. Ein Wutanfall drohte auszubrechen, aber schon hatte er sich wieder in der Gewalt und sagte mit verstellt freundlichem Tonfall:
»Signore Tartini, Sie sind nur Privatdetektiv und haben dazu kein Recht. Doch wenn es denn sein muss … ich habe nichts zu verbergen … folgen Sie mir bitte … hier entlang!«
Er öffnete die Tür zum Korridor, und ich sah eine biegsame Gestalt barfuß in das zur rechten Seite hin gelegene Badezimmer huschen, um lautlos darin zu verschwinden. Das kostbare Seidentuch umwehte ihren Körper wie ein Schleier, glitt ihr aber beim hektischen Laufen vom Leib und flatterte zu Boden.
Sie hatte gelauscht. Ein Blick in Volpes Gesicht genügte, um zu erkennen, dass auch ihm die Szene nicht entgangen war. Dennoch taten wir so, als wäre nichts geschehen.
Raimondo stieß die Tür auf, welche in sein Schlafzimmer führte. Seine Wände waren mit stilisierten bunten Blumen vor grünem Hintergrund bemalt. In der Mitte stand ein zerwühltes Bett, die Laken und Decken wahrlos zusammengeknüllt; an der hinteren Wand ein fünftüriger Schrank aus Kastanienholz. Er war so groß, dass er fast die gesamte Wand einnahm.
Eine Tür nach der anderen öffnete er nun, um uns seine Garderobe vorzuführen: Eine Vielzahl von unterschiedlichsten Anzügen, Hosen und Hemden, samt zahllosen Schuhen jedweder Art, prangte darin, alles von wertvollster Machart; die Kleidung eines reichen Mannes. Ein Kapuzenponcho war aber nicht darunter. Volpe fragte ziemlich barsch:
»Vor einem Monat haben Sie einen Mantel mit Kapuze erworben, nachweislich. Er wurde aus schwarzer Seide gefertigt, in welche ein grauer Faden eingewebt war. Was ist aus ihm geworden?«
Der Conte kratzte sich am Kopf und schien angestrengt nachzudenken. Unruhig trippelte er von einem Fuß auf den anderen. Schließlich murmelte er:
»Ach, jetzt weiß ich es wieder. Ich bin kürzlich, als ich ihn das letzte Mal trug, in ein Unwetter geraten. Danach war das kostbare Stück nicht mehr zu gebrauchen.«
»Und was haben Sie damit gemacht?«
»Ich habe den Poncho einem Obdachlosen geschenkt.«
»Haben Sie ihn persönlich überreicht oder durch die Schwarze geben lassen?«
»Persönlich; niemand war dabei.«
»Wo war es?«
»Unmittelbar hinter der Rialtobrücke.«
»Können Sie den Empfänger beschreiben?«
»Nein, ich habe nicht darauf geachtet.«
»Wann war das?«
»Vorgestern.«
»Zeugen?«
»Nicht dass ich wüsste. Es war schon dämmerig.«
»Gut, das genügt fürs Erste. Geleiten Sie uns jetzt bitte wieder ins Arbeitszimmer und rufen Sie das Mädchen!«
»Susie! He, Susie!«, rief er, »komm her! Signore Tartini will dir ein paar Fragen stellen.«
Die pummelige Schwarze kam eilig auf ihren dicken kurzen Beinen herein getrippelt, im allerliebsten blauen Kleidchen mit weißer Schürze darüber und brachte den Geruch der Küche mit sich, einen Hauch von Bratendunst und Gewürzen. Sie sah so arglos und harmlos aus, als hätte sie gerade erst ihre Stelle irgendwo auf dem Lande verlassen, um in die venezianische Pracht zu wechseln. Fragend sah sie auf ihren Herrn. Der Conte warf ihr einen vernichtenden Blick zu. Sie sagte:
»Ich bin schon mit dem Zubereiten der Mahlzeit beschäftigt und kann die Küche nicht alleine lassen.«
»Es wird rasch gehen«, antwortete Volpe, »liebe Susie, übernachtest du in der Wohnung deiner Herrschaften?«
»Wie sollte das gehen? Ich bin nur Köchin, und für uns Diener des Hauses ist im Untergeschoss ein Schlafraum eingerichtet. Jeder hat seine Koje, und wir haben ein Gelass zum Waschen und für die unvermeidlichen Verrichtungen.«
Ich blickte Volpe an, und er sah mir ins Gesicht. Beide dachten wir gleichzeitig, dass man mit Menschen so nicht umgehen sollte, auch wenn es sich nur um Dienstboten handelte.
»Bist du letzte Nacht erst spät in diesen, äh, Verschlag hinunter gegangen?«
»Es war kurz nach Sonnenuntergang, nachdem ich Geschirr gespült und die Küche aufgeräumt hatte.«
»Wo war dein Herr zu dieser Zeit?«
»Natürlich ist er nach dem Essen in seinem Studio untergetaucht, um zu arbeiten.«
»Welche Kleidung trug er?«
»Diese da, glaube ich; so ähnlich wie jetzt.«
»Und