Mörder kennen keine Grenzen. Horst Bosetzky
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„Na, Meister, was macht denn die Kunst?“, rief ich laut und gönnerhaft. Ich hatte ihn vor etwa anderthalb Jahren im Verlauf unserer Zuhälterstudie kennengelernt und allerhand Wissenswertes von ihm erfahren, wusste ich doch, wie man solche Leute zu nehmen hatte.
Ruhlsdorf streckte mir auch gleich die Pranke entgegen. „Die Kunst ...? Die jeht Wassa saufen. Welcha Wind hat Sie denn hierher jeweht?“
„Mich ...? Ich hatte in einer Bank am Cottbuser Tor zu tun ... Da dachte ich, mal sehen, ob einer von meinen alten Freunden Durst hat.“
„Den ham wa imma! Aba im Augenblick is keena weita da – Drognitz schwirrt irjendwo in Wannsee rum, Ziejenhals is ja umjezogen, und Prötzel is vaschütt jejangen. Woll’n se wieda ’ne neue Untasuchung machen?“
„Nein, nein, ich bin ganz privat hier. Trinken wir was, ein Pils und einen Klaren, einen Doppelten natürlich ...?“
„Da lass ick mir nich lange bitten.“
Wir nahmen am Ende des lang gestreckten Raumes Platz, wo in einem gläsernen Schrank die Pokale und Wimpel der hier tagenden Fußballvereine zu bewundern waren, und warteten, bis uns Theo, der vierschrötige Wirt, das Gewünschte brachte. Ruhlsdorf fühlte sich sichtlich geschmeichelt, dass ein Angehöriger der oberen zehntausend ein paar Minuten Zeit für ihn hatte und mit ihm zechte. Er konnte ja nicht ahnen, welche Überwindung es mich kostete, es länger als zwei Atemzüge in seiner Nähe auszuhalten. Der Arme litt nämlich unter einem penetranten Körpergeruch, der in mir pausenlos Erinnerungen an meinen letzten Zoobesuch wachrief. Er berichtete mir mit entnervender Ausführlichkeit von den Chancen der einzelnen Fußballklubs, in der nächsten Bundesligasaison zum deutschen Meister aufzusteigen.
„Herr Wirt, noch einmal dasselbe, bitte! – Wie geht es denn persönlich?“
Er guckte ein wenig misstrauisch. „Sie woll’n ma wohl uff’n Zahn fühlen, wat? Aba Fehlanzeije, ich dreh keene krummen Dinga mehr, ick bin kuriert. Vor drei Wochen hab ick geheiratet, ’ne Vakäuferin von Bilka, ’ne resolute Puppe, die bringt ma schon uff Vordamann. Wat Kleenet is ooch schon untawegs. Ich arbeite jetzt bei de BVG als Gleisarbeita. Ville jibt’s ja nich, und wir ham ’ne janze Menge Schulden, aba et wird schon jehn ...“
„Prost! Auf Ihr Wohl!“ Wir leerten zum zweiten Mal die Gläser, und langsam begann der Alkohol zu wirken.
„Da wären wir ja beim Thema ...“, sagte ich nachdenklich.
„Wat denn“, lachte er, „woll’n Se mir etwa ’n Tipp vakoofen, wie ick ’ne Bank knacken kann ...?“
„Das nicht ...“ Ich wand mich innerlich. „Aber vielleicht könnten Sie mir einen Tipp verkaufen ...“
„Ick ...? Ick kann Ihn’n sajen, wo Se abjetakelte Nutten uffjabeln könn’n, aba uff die stehnse ja wohl nich.“
„Allerdings ... Nein ...“ Ich beugte mich etwas zu ihm herüber. „Sie wissen vielleicht, dass ich immer noch auf der Liste der Verdächtigen stehe ...“
„So ...?“ Sein Gesicht verfinsterte sich, man merkte direkt, wie er sich in sein Schneckenhaus zurückzog.
„Die Miezi, Sie wissen doch! Aber Ihnen geht es ja wohl nicht anders – oder ...?“
„Hm ...“ Er steckte sich eine Zigarette an und schnippte den verkohlten Streichholzkopf in die Gegend.
„Rannow ist ratlos ...“
Ruhlsdorf lachte auf. „Wir ooch!“ Er stippte seinen rechten Zeigefinger in eine kleine Lache vergessenen Biers und zog verschlungene Kanäle über die blank gescheuerte Tischplatte.
„Das glaube ich nicht ganz ...“
„Dann eben nich, dann kommt ’n andra und gloobt et Ihnen weg, dann ham Se jarnischt mehr!“
„Ja, ja ...“ Ich grinste. Aus seiner plötzlichen Schnoddrigkeit konnte ich schließen, dass er Angst hatte, Angst vor irgendwem oder irgendwas, Angst, die sich nun in Aggression umsetzte. Er musste also wissen, oder zumindest fundierte Vermutungen darüber haben, wer Miezis Mörder war, und es lag bei der Struktur des Falles auf der Hand, dass er den Mörder näher kannte. Wenn dem so war, dann hatte ich eine konkrete Chance, den entscheidenden Schlag gegen Ziegenhals zu führen. „Ach, es ist schon ein Kreuz, alle wissen etwas, aber keiner will den Mund aufmachen ...!“
Ruhlsdorf biss nun prompt auf meinen Köder an. „Alle ...? Wer weeß denn noch wat?“ Sein Gesicht war gespannt, seine Augen waren schmal geworden.
„Ziegenhals zum Beispiel ...“
„Der ...?“ Ruhlsdorf zweifelte wohl zuerst, schien sich aber dann an die enge Verbindung zwischen Ziegenhals und Miezi zu erinnern.
„Ziegenhals, genau!“ Ich spielte meine ganze Autorität aus, und er glaubte mir wohl auch. „Aber aus irgendeinem Grund hat er bisher geschwiegen ...“
„Den Grund kenn ick, der hat ja selba Dreck am Stecken!“, lachte Ruhlsdorf.
„So schlimm kann es nun auch wieder nicht sein“, wandte ich ein, „denn Oberkommissar Rannow hat mir gegenüber angedeutet, dass man Ziegenhals für seine früheren Straftaten eine Amnestie gewähren will, wenn er der Kripo Miezis Mörder nennt ...“
„Jeht denn det?“
„Natürlich!“, versicherte ich großspurig.
Ruhlsdorf war beeindruckt und nickte mehrmals; für ihn war ich einer der Götter von da oben. „Na, wenn det so is, denn wirta ja bald singen.“
„Nun will ich Ihnen mal was sagen ...“ Ich beugte mich vertraulich zu ihm herüber, wobei ich mir am liebsten die Nase zugehalten hätte. „Wenn Sie mich fragen – dann halte ich Ziegenhals selber für den Mörder und sein Getue nur für ein Ablenkungsmanöver ...“
„So ...?“ Ruhlsdorf war ein wenig verwirrt, meinen Winkelzügen konnte er beim besten Willen nicht mehr folgen. Sein Misstrauen vor einer möglichen Fußangel wuchs von Sekunde zu Sekunde, was keineswegs in meiner Absicht lag.
„Und Ziegenhals will meine Tochter heiraten“, flüsterte ich. „Stellen Sie sich den Skandal vor, wenn er später als Mörder entlarvt wird – da bin ich in meiner Position doch erledigt! In drei Jahren bin ich Minister in Bonn – und mein Schwiegersohn bekommt lebenslänglich wegen Ermordung einer Prostituierten!“
Ruhlsdorf schauderte, der hehre Atem der Geschichte, den er zu spüren glaubte, ließ ihn frösteln. „Mensch!“, stieß er hervor.
„Vor der Hochzeit muss ich unbedingt wissen, ob er der Mörder ist oder nicht, verstehen Sie?“
„Klar, ick bin doch nich von jestan!“ Ruhlsdorf steckte sich eine Zigarette an und dachte nach. „Irjendwann muss ja der Ballon sowieso mal platzen ...“, murmelte er.
Ich ließ ihm Zeit, zu einer Entscheidung zu kommen, und vermied es, in ihm das Gefühl des Eingekesseltseins zu erwecken.
„Ich würde mir den Tipp auch was kosten lassen“, sagte