Mörder kennen keine Grenzen. Horst Bosetzky

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Mörder kennen keine Grenzen - Horst Bosetzky

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      Aber ihre Bemerkung hatte mich mehr erregt, als ich mir selber eingestehen wollte. Prompt krampften sich meine Gedärme zusammen, und ich musste auf die Toilette eilen. Schwindel packte mich, und ein, zwei Minuten lang lehnte ich kraftlos an den lindgrünen Kacheln. Dann ging es wieder.

      Man war also an einer Kontaktaufnahme mit Ziegenhals interessiert, und die Tatsache, dass man seine Adresse noch nicht gekannt hatte, ließ auf einen alten Bekannten aus seiner Zeit in der Naunynstraße schließen. Opa Melzer war überfahren und schwer verletzt worden, das hatte ich in der Zeitung gelesen, und es lag nun auf der Hand, dass der alte Mann einige seiner Geheimnisse preisgab und dem guten Rannow weiterhalf. Dass Ziegenhals der Mörder des Mädchens war, mochte ich nicht so recht glauben, viel wahrscheinlicher schien mir, dass er den wirklichen Täter kannte. Für mich war es ziemlich sicher, dass der Mörder aus der Gegend um die Heiße Ecke stammte.

      Meine Lust zum Widerstand und zum Kämpfen flammte augenblicklich wieder auf, und ich suchte nach einer neuen Strategie, mit der sich vielleicht gewisse begrenzte Ziele erreichen ließen. Wohl konnte ich Ziegenhals kaum mehr daran hindern, mich bis ans Ende meiner oder seiner Tage zu erpressen, möglicherweise aber konnte ich meine Tochter noch vor einer Ehe mit ihm bewahren. Irgendwie musste es doch möglich sein, ihm einen Strick zu drehen und ein paar Jahre Tegel zu verschaffen! In diesem Fall war ich sicher, dass Ginny sich von ihm lossagen würde. Wenn er erst einmal einsaß, dann arbeitete die Zeit für mich: Sie wurde älter, lernte andere Männer kennen und ersparte mir vielleicht das Schicksal, sein Schwiegervater zu werden. Es musste doch gelingen, ihm einige kriminelle Taten nachzuweisen oder gar als Mitwisser in den Mordfall Miezi zu verwickeln!

      Nervös lief ich im Zimmer umher und entwickelte meine Pläne. Wenn ich ihn schon nicht mit den Händen zur Strecke bringen konnte, dann wenigstens mit dem Kopf! Es musste sich doch eine Falle konstruieren lassen, deren Mechanismus er nicht durchschauen, deren Köder er nicht erkennen konnte!

      Ich war sicher, dass ich es schaffen würde, nur musste ich erst einmal selber wissen, wer Miezis Mörder war. Und da ich schon einen Ansatzpunkt hatte, machte ich mich noch am späten Nachmittag auf den Weg. Wie heißt es doch bei Geibel: Und viel vermag, wer überraschend wagt!

      Doch ich erreichte mein erstes Ziel, die Heiße Ecke, nicht so schnell, wie ich erhofft hatte; in unmittelbarer Nähe meiner Villa lief mir Johnny Cloward über den Weg. Er hatte einen großen Koffer bei sich und machte einen ziemlich ramponierten Eindruck. Sein rechtes Auge hatte sich nahezu geschlossen, eine tiefblaue Beule, in Berlin „Veilchen“ genannt, zierte sein klassisches Gesicht.

      „Hallo, Johnny, wo kommst du denn her?“

      „Frag mich lieber, wo ich hin will“, stöhnte Cloward. „Ich weiß es nämlich selber nicht – vielleicht fällt’s mir dann ein.“

      „Was denn, ist ein empörter Vater hinter dir her?“, lachte ich.

      „Nein, so schlimm ist’s nun auch wieder nicht.“ Er setzte den Koffer ab und lehnte sich gegen den Zaun. „Ich hatte nur eine kleine Auseinandersetzung mit deinem Freund und Schüler Bernd Ziegenhals ...“

      „Wieso denn das?“ Ich wurde sofort hellhörig.

      „Weiß der Kuckuck, warum. Er muss plötzlich ’nen Koller gekriegt haben. Ich hab bloß in seinem Zimmer nach ’ner Schachtel Zigaretten gesucht, da kommt er reingeschossen und fällt über mich her. Ein brutaler Kerl!“ Er tastete seinen Nacken ab. „Ich war bald zehn Minuten lang im Jenseits ...“

      „Willst du ihn anzeigen ...“ Es war mehr eine Aufforderung als eine Frage.

      „Das hat keinen Sinn, es war ja kein Zeuge dabei. Aber eins sag ich dir „, Cloward ballte die Fäuste, „dem werde ich’s heimzahlen! Das kriegt er doppelt und dreifach zurück.“

      „Nimm di nix vör, dann sleit di nix fehl“, spottete ich, einmal aus Schadenfreude, denn der „schöne Johnny“ hatte eine solche Lektion schon längst einmal verdient gehabt, zum andern aber, um ihn anzustacheln. Sollte es wirklich einmal zu einer Gerichtsverhandlung kommen, dann war es von großem Nutzen für mich, wenn Johnny Cloward, Neffe eines US-Senators, Ziegenhals als brutalen Schläger hinstellte, als einen Menschen, der vor nichts zurückschreckte. Ich war ziemlich sicher, dass Ziegenhals, wenn man ihn wegen kleinerer Straftaten verurteilte, bis zu vier Jahren Gefängnis hinnehmen würde, ohne mich in Gefahr zu bringen. Und vielleicht war Clowards Aussage dann das Zünglein an der Waage.

      „Ich bin ausgezogen“, sagte Cloward. „Mit so einem Kerl kann ich nicht länger unter einem Dach wohnen.“

      Das war mir nun gar nicht recht, denn damit verlor ich meinen besten Informanten. Trotzdem bot ich ihm unser Gästezimmer an. „Für ein, zwei Monate wird’s schon gehen.“

      „Heißen Dank!“, rief Cloward. „Ich werde dich von heute an in mein Nachtgebet einschließen!“

      „Aber eine Bedingung habe ich ...“

      Sein Gesicht verfinsterte sich. „Und die wäre ...?“

      „Du lässt Ginny zufrieden! Ich will nicht auch noch Ärger mit Ziegenhals bekommen.“

      „Nein, nein!“, brummte er, aber ich sah, wie es in ihm arbeitete.

      Ich grinste innerlich, denn damit hatte ich ihm einen Weg gewiesen, wie er sich auf höchst angenehme Art an Ziegenhals rächen konnte. Wenn es ihm gelang, Ginny von Ziegenhals zu trennen und sie zu seiner Frau zu machen, dann war ich bereit, ihm ein Denkmal zu setzen. Mochte auch mein eigenes Leben verpfuscht sein, so sollte meine Tochter nicht das ihre durch meine Schuld an der Seite eines schmutzigen Erpressers verbringen müssen.

      Wir gingen ins Haus hinüber, und ich wies Johnny sein Quartier zu. Anschließend plauderten wir noch ein Weilchen, sodass es achtzehn Uhr wurde, ehe ich zur Heißen Ecke aufbrechen konnte. Johnny fragte mich zum Glück nicht weiter, wo ich hin wollte, sondern machte sich auf den Weg zu Dr. Sievers, um seine diversen Wunden versorgen zu lassen.

      Während der halbstündigen Fahrt hatte ich Zeit genug, mir ein Leben ohne das ständig drohend über mir hängende Damoklesschwert auszumalen: Ruhe, Frieden und Gesundheit für mich, Liebesspiele mit Beate, endlich wieder ein freies Lachen und für Ginny einen Mann, wie sie ihn verdiente – ordentlich und ehrbar.

      Beate! Beate hatte gekündigt, und ich hatte ihr zum Geburtstag 22 dunkelrote Rosen geschickt, ohne Absender, aber doch als von mir kommend erkennbar. Ich wusste, dass sie mir so lange nicht verzeihen würde, wie ich in ihrem Tagebuch noch ohne roten Haken war, doch ich wollte mir die Chance zu einer Nacht mit ihr auf alle Fälle offen halten. Einmal musste der Tag kommen, an dem es keinen Ziegenhals mehr gab! Und wenn ich noch so viel Schuld auf mich lud, er musste verschwinden! Wie sollte ich denn in Bonn jemals Karriere machen, wie konnte ich eine echte Karriere anstreben, wenn ich immerfort diesen Ballast mitzuschleppen hatte und Tag für Tag befürchten musste, am nächsten Morgen meine Geheimnisse in irgendwelchen Boulevardblättern lesen zu müssen? Viel schwerer als das Plagiat wogen jetzt die Mordversuche, die ich mittelbar und unmittelbar an ihm unternommen hatte und noch unternehmen wollte. Im Versuch, ihn zu vernichten, hatte ich ihm lediglich weitere Trümpfe zugespielt. Wahrhaftig, es war höchste Zeit, ihn trotz all seiner augenblicklichen Vorteile mit einem genialen Zug schachmatt zu setzen!

      Ich war am Ziel, früher als erwartet, suchte mir in der Nähe der Naunynstraße einen Parkplatz und verließ nach kurzem Zögern meinen Wagen. Etwas geblendet von der untergehenden Sonne überquerte ich die Fahrbahn, wich ein paar spielenden Kindern aus und nahm dann den dumpfen Biergeruch der Heißen Ecke wahr. Zu dieser Stunde,

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