Mörder kennen keine Grenzen. Horst Bosetzky
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„Wie geht’s denn dem Herrn Vater?“, fragte ich.
„Danke ... Der hat gerade Besuch, Dr. Völker ist bei ihm, ein Rechtsanwalt, den er schon jahrelang kennt. Das ist ’ne Type, sage ich dir ... Den müsstest du mal kennen lernen – ’n Kerl mit ’nem Monokel und so konservativ, dass sein Sohn nicht Apotheker werden darf, weil er glaubt, das hätte was mit den Anarchisten zu tun.“
Ich lachte schallend, sie war köstlich. „Das ist der Kalauer des Tages ... du, gucke mal, da läuft ein ganz seltenes Tier herum!“
„... tut mir Leid, ich sehe nur einen altersschwachen Pekinesen ...“
„Nein, eine ganz ausgefallene Kreuzung ist das – da, direkt vor der Litfaßsäule!“
„Du spinnst ja!“
„Hast du denn Tomaten auf den Augen – siehst du denn nicht, das ist doch ein ausgewachsener Bärtiger!“
Es dauerte ein paar Sekunden, bis es bei ihr gezündet hatte. „Das ist aber noch gar nichts – ich habe sogar einen Tiger im Bad ...“
Jetzt war es an mir, zu staunen.
„... einen Haarfestiger!“
„Hahaha! Dein Dr. Völker würde uns auf der Stelle rausschmeißen, wenn er das hörte.“
„Der würde das bestimmt nicht hören – der ist nämlich schwerhörig. Fehlte nur noch, dass er eine Hörtröte ansetzt, Modell 1871 ...“
„Das ist doch unmöglich, dass Völker schwerhörig ist.“
„Wieso?“
„Na, sie singen doch immer: Völker, hört die Signale! Wie kann er denn schwerhörig sein, wenn er die Signale hört?“
Ginny, die nichts mehr liebte als das Blödeln, prustete los. „Zwei zu eins für dich!“
So ging es noch eine ganze Weile, und ich hatte wirklich allen Grund dazu, vergnügt zu sein. Ginny war ganz vernarrt in mich, und wir wollten uns im Sommer verloben. Kolczyk sah ich nun schon praktisch als künftigen Schwiegervater an. Finanzielle Sorgen hatte ich natürlich keine, denn er überwies mir anstandslos jeden Monat 1000 Mark. Überhaupt, es ging aufwärts mit mir. In den Zeitungen waren mehrere Kurzgeschichten von mir abgedruckt worden, eine wissenschaftliche Zeitschrift hatte meinen Artikel über die Kriminalität in Berliner Berufsschulen gebracht, in der Studentenpolitik spielte ich eine ziemliche Rolle und in den Seminaren war ich einer der führenden Köpfe. Was wollte ich mehr?
„Was sagt denn Muttchen Braatz, wenn sie deine Storys liest?“, wollte Ginny wissen.
„Immer dasselbe: ‚Dass ich das noch erleben durfte?‘“
„Sie ist wirklich goldig!“
Wir redeten noch eine Weile, dann rief ich den Ober, um zu zahlen.
„Lass man, ich mach das schon!“ Ginny schob mein Portemonnaie zur Seite. „So groß ist dein Stipendium ja nun auch wieder nicht. Heb dir lieber das Geld für Bücher auf.“
Wir stritten uns noch einige Zeit, dann teilten wir uns den Betrag, über 20 Mark, wenn ich mich recht erinnere. Immer wenn es ums Geld ging, lief es mir kalt den Rücken hinunter. Ich hatte Ginny erzählt, dass ich ein Stipendium bekäme und mir ein Onkel aus Erlangen jeden Monat eine gewisse Summe überwies, aber bei ihrer Intelligenz bestand immer die Gefahr, dass sie meine Lügen einmal durchschaute. Hatte sie nicht eben den Onkel unerwähnt gelassen ...?
Wir verließen das Lokal, um noch ein wenig den frühlingshaften Ku’damm hinunterzubummeln. Als wir die Aushänge am Gloria-Palast betrachteten, zupfte mich Ginny am Ärmel.
„Du, da läuft uns schon die ganze Zeit über jemand hinterher!“
Ich drehte mich um. „Ach, Unsinn!“
„Doch, der da hinten an der Blumenschale.“
„Ich sehe nichts!“
„Jetzt ist er weg ...“
Wir vergaßen den Vorfall und überließen uns unserem Glück. Ja, so kann man es schon nennen, wenn man’s jetzt aus der Distanz betrachtet. Wir sahen uns die elegant aufgemachten Schaufenster an, grinsten ältlichen, aufgetakelten Damen ins Gesicht, ereiferten uns über das Establishment und die Polizei und streiften Probleme aus Psychologie und Soziologie. Ginny liebte das Dozieren und hielt mir mehrere hundert Meter lang einen Vortrag über die Teilung von DNS-Molekülen.
Ich stöhnte laut und vernehmlich. „Verschone mich damit!“
Sie war sichtlich eingeschnappt und wies, um mich zu ärgern, auf die andere Straßenseite zum Drugstore hinüber. „Da habe ich oft mit Johnny Cloward gesessen ... Ach, das waren noch Zeiten!“
Ich machte prompt ein finsteres Gesicht.
„Du bist doch nicht etwa eifersüchtig?“, lachte sie.
Doch, das war ich. Cloward, dieser verdammte Schnüffler! Plötzlich flammte regelrechter Hass in mir auf. Erst vor ein paar Stunden, als Ginny mir von der Freundschaft zwischen Cloward und ihrem Vater erzählt hatte, war es mir wie Schuppen von den Augen gefallen. Daher also hatte Kolczyk gewusst, wie es bei mir aussah, deshalb hatte er die Gashähne ohne Mühe öffnen können! Cloward war sein Spion, und er brauchte ihn nur auszufragen, um zu wissen, wie es mit mir stand und was ich gerade unternahm. Dass sie sich kannten, hatte ich zwar gewusst, nur war mir die Tragweite dieser Beziehung nicht aufgegangen. Erst die aufschießende Eifersucht hatte mir die Szene wie mit einem Blitzlicht erhellt.
Jetzt galt es zu handeln und dieses Werkzeug unbrauchbar zu machen! Aber ich kam gar nicht dazu, detaillierte Pläne zu entwerfen, denn wieder schrie Ginny auf.
„Du, der Kerl läuft uns immer noch hinterher!“
Wir blieben stehen, und ich ließ mir den Mann zeigen, den sie meinte.
Es war Prötzel.
Das konnte nichts Gutes bedeuten; ich fuhr zusammen. Er wusste zu viel von mir, er konnte mich erpressen. Bernd Ziegenhals, der erpresste Erpresser, welch Hohn! Er hatte mich schon lange auf dem Kicker, und ich wusste nur zu genau, welcher Gewalttätigkeiten er fähig war.
Doch ich hatte Glück. An der Bordsteinkante hielt eine Taxe, ein junger Mann stieg aus. Sekunden später saßen wir im Fond des Wagens, und Prötzel hatte das Nachsehen. Er starrte uns mit zusammengekniffenen Augen hinterher.
„Zum Parkplatz an der Rankestraße“, sagte ich.
„Was wollte der denn, was ist denn los?“, fragte Ginny.
Ich versuchte gleichmütig zu bleiben. „Ach, das ist ein alter Schulkamerad von mir. Eine Nervensäge. Quatscht immer einen fürchterlichen Kohl zusammen und pumpt mich dann auch noch an. Von dem träume ich schon. Offenbar liebt