Verschollen in der Höllenschlucht. Sandy Palmer
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Читать онлайн книгу Verschollen in der Höllenschlucht - Sandy Palmer страница 3
Flüchtig ging ihr der Peter Huber durch den Kopf, der junge Sägewerkbesitzer, dessen Vater vor einem halben Jahr verstorben war und der nun das große Werk schon in jungen Jahren leitete. Der Peter war schon seit zwei Jahren hinter ihr her, aber sie konnte ihn nicht leiden. Getan hatte er ihr nie etwas, er war ihr auch noch nie zu nahe getreten, doch seine verbindliche Art, die er wohl den Städtern abgeschaut hatte, stieß sie ab.
Was sollte sie mit fadenscheinigen Komplimenten anfangen, was mit gedrechselten Reden, wenn ihr das Mannsbild, das ihr solche Artigkeiten sagte, nicht gefiel? Da half es auch nicht, dass der alte Anzenberger den Peter bei jeder Gelegenheit in den höchsten Tönen lobte und ihn seiner Tochter als Hochzeiter schmackhaft machen wollte. Die Monika interessierte es nicht, ob Besitz zu Besitz kam und ob sie nach der Hochzeit eine der reichsten Frauen im Tal sein würde. Sie liebte den Peter Huber nun mal nicht, und damit war die Sache für sie abgetan.
Sie wurde aus ihren Gedanken aufgeschreckt, als die ersten jungen Burschen über das Feuer sprangen, das noch recht hoch loderte. Aber so war es der Brauch: Zunächst sprang die Dorfjugend, und dann, wenn der Holzstoß schon etwas herabgebrannt war, die Pärchen, die sich versprochen hatten.
Fest umklammerte der Toni Monikas Hand, so, als wolle er sie nie wieder loslassen. Und sie erwiderte seinen kräftigen Druck sacht. Dabei blickte sie sich um in der Gegend, und sie sagte leise: „Schau doch nur, Toni, wie viele Feuer in diesem Jahr brennen! Es scheint fast so, als hätten die Burschen der Umgebung in jedem Dorf mehrere Feuer entzündet.“
„Ich glaub's auch fast“, antwortete der Bursch. „So viele wie heut waren es noch nie. Und da ...“ Er wies in die Richtung, aus der der Bergbach geflossen kam. „Sieh nur, sie haben sogar Blechkanister mit Öl gefüllt, das entzündet und diese Boote auf dem Bach schwimmen lassen!“
„Wunderschön sieht es aus“, schwärmte Monika.
Doch dann schauten sie wieder ihr eigenes Sonnwendfeuer an, und plötzlich sagte der Toni: „Jetzt packen wir's! Komm, mein Schatz!“
Und Monika griff, ohne zu zögern, nach seiner ausgestreckten Rechten, legte voller Vertrauen ihre Finger hinein, und dann liefen sie unter den anfeuernden Rufen der übrigen Dorfjugend auf das Feuer zu, machten einen großen Satz und sprangen hinüber. Auf der anderen Seite des Holzstoßes angekommen, nahm der Toni seine Liebste, die ein wenig außer Atem war, fest in den Arm, gab ihr einen Kuss und raunte ihr ins Ohr: „Jetzt sind wir versprochen, nun kann uns nix mehr trennen!“
„Ich werd’ immer zu dir stehen, Toni“, versprach Monika, und es klang wie ein Schwur.
Drüben, auf der anderen Seite des Sonnwendfeuers, sagte die Bärbel zu ihrem Schatz: „Hoffentlich geht's gut mit den beiden, ich wünsch es der Monika von Herzen.“
„Und ich dem Toni“, stimmte ihr der Oberberger Fritz zu. „Der Toni ist ein feiner Kerl, ehrlich und aufrichtig. Und fleißig ist er obendrein noch. Wenn er net im Berg ist, dann arbeitet er an seinem Häusl, richtet alles her und baut einen Stadl an.“
„Er richtet schon alles für den Einzug der Moni“, sagte Bärbel. „Hoffentlich hat er sich net zu früh gefreut. Der Anzenberger ist noch eine Klippe, die umschifft werden muss.“
„Der Toni wird's schon schaffen“, sagte der Fritz, und auch Bärbel wünschte es den beiden von Herzen, dass sie ebenso glücklich werden würden wie sie mit ihrem armen Knecht, der ihr lieber war als der reichste Bauernsohn.
3
Die Sonnwendfeuer waren abgebrannt. Niemand im Dorf sprach mehr von diesem Fest, nur die Monika wartete täglich darauf, dass der Vater sie voller Zorn auf ihren Sprung mit dem Toni ansprechen würde. Sie hatte ein wenig Angst, dass irgendjemand aus dem Dorf sie beobachtet und ihrem Vater diese Neuigkeit gesteckt hätte. Doch anscheinend hielt die Dorfjugend dicht, und von den älteren Leuten hatte sie wohl niemand gesehen.
Als zwei Wochen vergangen waren und wirklich niemand mehr vom Johannistag sprach, wagte Monika aufzuatmen. So lieb sie den Toni auch hatte, so wagte sie es dennoch nicht, offen gegen den Willen ihres Vaters zu handeln. Es war schlimm genug, dass sie sich weigerte, den Huber Peter zu treffen, wie es der Vater immer wieder wünschte. Doch in dem Punkt blieb die Monika hart.
„Ich kann ihn nun mal net leiden, Vater“, hatte sie erst gestern wieder mit aller Entschiedenheit erklärt. „Er ist mir zuwider. Zwing mich, bittschön, net dazu, mich mit ihm abzugeben. Es kommt doch nix dabei heraus.“
„Bei deiner Freundschaft mit dem Bergsteiger, diesem Hungerleider, auch net“, hatte der Bürgermeister ihr wütend geantwortet. „Dafür will ich schon sorgen. Den Mann, den du mal heiratest, den such ich aus, dass du‘s nur weißt!“
„Und es kümmert dich gar net, wenn ich ihn net mag? Wenn ich mein ganzes Leben lang mit einem Mann zusammenleben muss, der mir verhasst ist?“, hatte sich die Monika mit Tränen in den Augen erkundigt.
„So ein Schmarrn“, war die Antwort des Anzenbergers gewesen. „Deine Mutter und ich haben uns auch noch net geliebt, als wir geheiratet haben. Unsere Väter haben die Ehe befohlen — und wir haben gehorcht. So war‘s der Brauch seit altersher. und so ist‘s bei uns noch heut. Und frag die Mutter — sind wir net glücklich miteinand geworden?“
Monika wagte das zu bezweifeln. Zwar fiel nie ein böses Wort zwischen den Eltern, aber sie hatte auch noch nie erlebt, dass sie sich etwas Nettes oder Liebes gesagt hätten.
Und so sollte sie leben? Tagaus — tagein neben einem Mann, der ihr gleichgültig war? Nein, lieber verließ sie den Hof bei Nacht und Nebel und zog zum Toni, auch gegen den Willen des Vaters.
Aber noch war es ja nicht soweit. Noch war der Toni so arm, dass man an eine Heirat nicht denken konnte. Doch im nächsten Jahr, im Frühling, so hofften sie beide, würden sie vor dem Traualtar stehen.
Der Toni wollte in diesem Sommer noch viele Touristen den Berg hinaufführen, und im Winter würde er wieder eine Arbeit als Skilehrer annehmen, die auch recht gut bezahlt wurde. Wenn sie dann nicht so große Ansprüche stellten, würden sie bestimmt leben können in Tonis kleinem Häusl, das ein wenig außerhalb des Dorfes lag.
Dort, auf seinem kleinen Acker, arbeitete der Toni auch an diesem strahlenden Sommertag. Er trug alte Jeans, und das karierte Hemd stand am Hals weit offen und ließ ein wenig von seiner gebräunten Brust sehen.
Plötzlich hielt er in seiner Arbeit inne, denn er sah einen großen eleganten Wagen die schmale Auffahrt zu seinem Besitz herauffahren. Eine große Staubwolke wehte hinter dem Gefährt her.
Ob ich Besuch krieg‘?, fragte sich der Toni. Doch er konnte sich nicht erklären, wer ihn zu dieser Tageszeit besuchen sollte. Und das Auto kannte er auch nicht.
Dennoch hielt der Wagen genau vor seinem kleinen Häusl. Ein älterer Mann stieg aus, der ein wenig weltfremd aussah. Eisgraues Haar stand ihm wirr vom Kopf ab, und er war unverhältnismäßig klein.
Doch als er jetzt auf den Toni zutrat, wirkte er keineswegs lächerlich, sondern recht imponierend, denn seine gletscherblauen Augen schauten den jungen Mann durchdringend an, und durch seine goldene Brille wirkte er sehr gelehrt.
„Guten Tag“, grüßte der Fremde mit einer dunklen Stimme, die in krassem Gegensatz zu seiner kleinen Gestalt stand. „Sind Sie der Bergführer Toni Tanner?“
„Freilich“,