Verschollen in der Höllenschlucht. Sandy Palmer
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Verschollen in der Höllenschlucht - Sandy Palmer страница 6
Die Moni kannte ihren Vater ganz genau, und sie wusste, dass sie ihm ruhig zutrauen konnte, dass er hinter ihr her spionierte. Zum Glück war die Resi zu Hause, und sie versprach auch sofort, das gewünschte Alibi zu liefern.
Mit einer Sorge weniger im Herzen verließ die Monika die Freundin und suchte nun endlich den Toni auf. Allerdings war sie etwas befremdet, dass er sie nicht mit der gewohnten Begeisterung begrüßte, sondern ein wenig verstört wirkte.
„Was hast denn du heute?“, erkundigte sie sich misstrauisch. „Komm ich etwa ungelegen?“
„Aber geh, Schatzerl!“ Der Toni riss sich energisch zusammen und bemühte sich, möglichst unbefangen dreinzusehen. Die Monika durfte auf keinen Fall Verdacht schöpfen.
Doch schon hatte sie die Seile und die Hacke entdeckt, die in einer Ecke des Zimmers lagen.
„Gehst wieder auf eine Tour?“, fragte sie sofort.
„Ja, übermorgen“, antwortete der Toni. „Beim Wirt ist ein spinniger Preuß‘ abgestiegen, der will von mir geführt werden.“
Die Lüge ging ihm nicht ganz leicht über die Lippen, doch sie musste sein, wenn er seine Liebe nicht unnötig beunruhigen wollte. Hätte er ihr die Wahrheit gesagt, hätte die Monika bestimmt nie im Leben zugelassen, dass er eine solch gefährliche Tour im Alleingang anging.
„Wozu brauchst denn all die Sachen?“, fragte sie da auch schon weiter. „Ich kann mir net denken, dass ein Preuß' in der Lage ist, unsere höchsten Gipfel zu erklettern.“
„Ist er auch net“, entfuhr es dem Toni unbedacht.
„Und warum hast denn dann das ganze Zeugs hier herumliegen?“ Die Monika ließ nicht locker. Die Sache kam ihr irgendwie verdächtig vor, und sie war gewillt, ihr auf den Grund zu gehen, mochten ihre Fragen dem Toni noch so unangenehm sein.
„Der Fremde will es so“, fiel dem jungen Bergführer im letzten Moment eine Ausrede ein. „Er will wahrscheinlich daheim in Preußen damit angeben, dass er eine gefährliche Kletterpartie unternommen hat, bei der er sogar angeseilt werden musste. — Man weiß doch, wie die Preußen sind“, setzte er noch der Sicherheit halber hinzu.
Das war freilich ein Argument, das der Moni einleuchtete, und so fragte sie nicht weiter, sondern lächelte ihren Liebsten besonders verheißungsvoll an und meinte: „Waren die Vorbereitungen denn so umfangreich, dass du net einmal die Zeit gefunden hast, bei mir vorbeizuschauen?“
„Ich hatt‘ wirklich viel zu tun“, entschuldigte sich der Toni. „Schau nur mal hinters Haus, da liegt eine Unmenge von Baumaterial, das ich gestern Abend noch geholt habe. Du weißt doch, dass ich noch vor dem Winter mit dem Stadl anfangen will.“
Wohlweislich verschwieg er ihr, dass er auch Baumaterial gekauft hatte, das für einen kleinen Anbau ans Häuschen gedacht war. Das konnte er sich ja jetzt, da er einen blanken Tausendmarkschein zu erwarten hatte, leisten. Allerdings durfte die Monika davon ja noch nichts wissen, und da es schon recht dunkel war, konnte er sicher sein, dass sie nicht den Wunsch äußerte, sich das Baumaterial für den Stadl einmal anzusehen.
„Woher hast denn das Geld?“, erkundigte sie sich nun aber doch.
„Der Preuß‘ hat mir einen Vorschuss gegeben.“
„Ja, seit wann gibt's denn so was?“, fragte das Madl erstaunt. „Das sind ja ganz neue Sitten!“
„Offenbar in Preußen net“, lächelte der Toni. „Mir war es nur recht“, fügte er dann hinzu. „Heute habe ich schon ein wenig anfangen können, daran zu sägen. Dann habe ich mir noch beim BrennerAnton im Nachbardorf diese Ausrüstung geliehen“ — er deutete auf die Sachen, die in der Ecke lagen und für den Abstieg in die Höllenschlucht bestimmt waren. „Ja“, fuhr er dann fort. „Somit war ich mit Arbeit voll ausgelastet. Das verstehst doch, Schatzerl, oder?“
„Sicher verstehe ich das. Hast denn gar keine Sehnsucht nach mir gehabt?“ Monika sah ihn mit großen Augen an, und da konnte sich der Toni nicht länger beherrschen. Er riss seine Liebste in die Arme und küsste sie voller Leidenschaft, dass der Monika keine Fragen mehr einfielen, sondern sie sich ganz der Zärtlichkeit seiner Umarmung hingab.
Schnell war so eine Stunde vergangen, und als die Monika einmal auf die Uhr schaute, zuckte sie erschrocken zusammen.
„So spät ist es schon“, rief sie aus. „Dann muss ich mich beeilen, nach Hause zurückzukommen. Ich habe nämlich gesagt, ich wäre bei der Resi und lieh mir ein Schnittmuster aus“, fügte sie mit einem spitzbübischen Lächeln hinzu.
„Kleine Räuber“, grinste der Toni zurück. „Aber du hast recht, jetzt darfst net länger hierbleiben, sonst spannen deine Leute noch was von der Ausrede, und du kriegst einen Riesenärger.“
„Dann behüte dich, Toni“, sagte die Monika und legte sich das Schultertuch wieder um.
„So eilen wird's ja nun auch wieder net“, wandte da der Bursch ein. „Wart noch ein Momenterl, ich hole nur schnell meinen Janker, dann bringe ich dich bis zur Kirche.“
„Fein“, freute sich die Moni, da ihr so noch ein Abendspaziergang mit dem Liebsten vergönnt war.
Kurze Zeit später gingen die beiden Liebenden eng umschlungen den Weg hinunter, der ins Dorf führte. Ein runder Mond stand am Himmel, und viele Sterne erleuchteten ihren Weg. Es war eine recht romantische Nacht, die Grillen zirpten, der Nachtwind rauschte leise, und am verführerischsten für den armen Toni war nicht der Duft, der den blühenden Wiesen entströmte, sondern Monikas Nähe.
Doch er beherrschte sich. Er hatte sich vorgenommen, sie zu achten und zu ehren. Was sein stürmisches junges Blut forderte, musste bis nach der Hochzeit warten.
Doch wenn alles gutging, würde diese ja bald sein. Das Geld des Professors hatte ihn seinem Ziel schon ein ganzes Stück näher gebracht.
5
Was der Toni nicht wissen konnte, war Folgendes: Professor Steinhaus war wohl der einzige Mensch, der daran glaubte, dass sich in der Höllenschlucht Uranvorkommen befanden. Da er an allen Stellen, an denen er vorgesprochen hatte, stets mehr oder weniger ausgelacht worden war, wenn er seine Vermutungen äußerte, hatte sich der eigensinnige Wissenschaftler entschlossen, auf eigene Faust und ohne staatliche Unterstützung zu arbeiten.
Im Toni hatte er nun einen tatkräftigen Helfer gefunden, der nicht an seinen Worten zweifelte. Und wenn er es doch tat, dann behielt er seine Vorbehalte für sich. Ihm kam es nur darauf an, die tausend Mark zu verdienen.
Am letzten Abend vor seiner Tour zur Höllenschlucht traf er sich im Wirtshaus zu Fehrenbach noch einmal mit seinem Auftraggeber. Sie setzten sich an einen kleinen Tisch, der etwas abseits stand und wo sie ungestört miteinander reden konnten.
Die Honoratioren, die am großen Stammtisch saßen, blickten sich verständnislos an. Was hatte der arme Toni mit einem so bedeutenden Mann wie dem Professor zu schaffen? Hätte