Vier Bergromane Sammelband: Hochmut kommt vor dem Fall und andere Romane. Alfred Bekker
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Vier Bergromane Sammelband: Hochmut kommt vor dem Fall und andere Romane - Alfred Bekker страница 22
Der Abstieg war mühsam.
Schritt um Schritt ging es vorwärts und einmal rutschten sie an einem der steilen Hänge ein Stück hinab. Aber keiner von beiden verletzte sich dabei.
Wind kam auf und pfiff ihnen um die Ohren.
Sie erreichten gerade den Hochwald, als das Unwetter sie eingeholt hatte. Der Donner folgte jetzt unmittelbar auf die Blitze.
Immer wieder mussten sie anhalten und eine kurze Verschnaufpause einlegen, weil der Toni mit seinem schlimmen Bein nicht mehr weiter konnte.
"Es geht net mehr!", seufzte Toni. "Lass uns irgendwo einen Unterschlupf suchen, bis dieses Wetter vorbei ist, Max!"
"Einen Unterschlupf? Mei, ich wüsst net wohin, Toni!"
"Du kannst mich ja ier oben zurücklassen und dann ins Tal gehen, um Hilfe zu holen!"
"Net bei diesem Wetter! Dann ist es nämlich ganz und gar net ungefährlich hier oben! Du erinnerst dich sicher noch an den gewaltigen Erdrutsch, den wir im vorigen Jahr hatten, und der den Siedler-Luis das Leben gekostet hat!"
Der Toni rang verzweifelt mit den Armen.
"Ja, freilich erinnere ich mich! Aber was sollen wir denn tun?"
Max überlegte einen Moment.
Im nächsten Moment blitzte es und dann gab einen furchtbaren Donner. Die beiden Männer fuhren zusammen, als sie das Geräusch von splitterndem, berstendem Holz vernahmen.
"Mein Gott! Der Blitz muss in einen Baum hineingefahren sein", murmelte der Toni. "Und zwar ganz in der Nähe!" Er wandte sich an seinen Bruder. "Ich schaffe es nicht mehr, Max!"
"Hier oben ist doch auch die Hütte vom alten Greindl", murmelte Max. "Seit er tot ist, ist sie unbewohnt. "Glaubst du, du schaffst es bis dorthin?"
Toni zuckte die Schultern.
"Versuchen wir's."
16
Sie brauchten lange, bis sie die Hütte des alten Greindl endlich erreichten. Aber dort würden sie wenigstens ein Dach über dem Kopf haben. Das Gewitter hatte inzwischen ein wenig nachgelassen, doch dafür war der Regen um so heftiger geworden.
"Mei, wir wollen nur hoffen, dass es dieses Jahr keinen Erdrutsch gibt!", meinte der Jäger. "Bei solchen Wassermassen, da kommt der Berg schnell in Bewegung und dann kann ihn nix mehr aufhalten."
Max stützte seinen Bruder und gemeinsam gingen sie dann in die Hütte. Die Tür war nicht verschlossen. Innen war alles noch so, wie damals, als der alte Greindl gestorben war, der hier oben so lange Jahre fast wie ein Einsiedler gelebt hatte.
Es gab einen Tisch und einen Stuhl, beide aus Holz. Einen zweiten Stuhl gab es nicht. Der alte Greindl hatte den offenbar auch nicht nötig gehabt, da er so gut wie nie Besuch empfangen hatte.
Nur die Spinnweben und der Staub verrieten, dass hier seit langem niemand mehr gewohnt hatte. Ansonsten hätte man denken können, der alte Greindl müsse jeden Moment von draußen hereinkommen.
Als Buben hatten die beiden Krainacher-Jungen den alten Mann ab und zu besucht. Greindl war immer etwas wunderlich gewesen und hatte stets den Eindruck gemacht, als ob ihn ein Geheimnis umgäbe.
Aber das alles war nun schon viele Jahre her.
"Komm, leg dich auf das Bett!", wies Max seinen Bruder an, der dem auch widerspruchslos folgte. Max half ihm dabei nach Kräften.
"Mei, an dir ist ein Krankenpfleger oder Arzt verloren gegangen!", meinte der Toni.
Unterdessen prasselte der Regen auf das Dach hernieder.
Max stellte sich an eines der Fenster und blickte nachdenklich hinaus.
Dann murmelte er auf einmal: "Ich verstehe es noch immer net!"
"Wovon sprichst du?"erkundigte sich der Toni mit gerunzelter Stirn.
Max drehte sich nicht herum, als er fortfuhr.
"Hättest du dich beherrschen können und net versucht, nochmal auf Pirsch zu gehen, säßen wir jetzt net in diesem Schlamassel!"
"Mei, wie kann dich nur überzeugen, Max?", rief der Krainacher-Toni verzweifelt aus.
"Vielleicht indem du mir endlich wahrheitsgemäß zugibst, weshalb du wirklich hier oben warst!", gab Max zurück. "Ich glaub' nämlich net, dass du einfach nur so auf Bergtour gegangen bist!"
Der Toni atmete tief durch.
Dann setzte er sich auf und erklärte: "Also gut. Ich werd's dir sagen - obwohl du mir mit Sicherheit auch das net glauben wirst!"
Max wandte sich herum, musterte seinen Bruder einen Augenblick lang und setzte sich dann auf den Stuhl. "Nun sag schon!", forderte er dann. "Brauchst mich net so lang auf die Folter zu spannen, Toni!"
"Ich war hier oben wegen dem Wilderer!", erklärte er dann und Max glaubte, sich verhört zu haben.
"Der Wilderer? Das bist doch du! Bist jetzt völlig narrisch geworden?"
Doch Toni schüttelte den Kopf.
Er wirkte ganz ruhig und schien auch sehr genau zu wissen, was er da sagte.
"Vielleicht hörst du mir einfach mal zu, Max! Könnt' ja sein, dass es ganz aufschlussreich für dich ist, was ich zu sagen habe! Einen Lügner schimpfen kannst du mich auch hinterher noch, meinst net auch?"
Max seufzte und nickte dann.
Er wusste, dass sein Bruder in diesem Punkt recht hatte, also sagte er: "Na, gut! Dann lass mal hören!"
"Ich habe das Messer verloren, das hab' ich dir ja schon gesagt!"
"Ja", kam es etwas ungeduldig aus dem Mund des Jägers, der sich nach wie vor fragte, worauf das ganze wohl hinauslaufen sollte.
"Ich habe nochmal darüber nachgedacht. Vom Laden des Surbachers bin ich an jenem Tag direkt zum Bernmayer-Hof gegangen..."
"Der Marianne wegen, was!", unterbrach ihn Max.
"Ja, das ist wahr! Aber das tut im Moment doch nix zur Sach', oder meinst net?"