Taunusschuld. Osvin Nöller

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Taunusschuld - Osvin Nöller Gramberg-Reihe

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verändert. Sie müssen wissen, er vergötterte seinen Vater, doch der verließ in der Zeit die Familie. Er hat zwar wohl Geld gezahlt, aber ansonsten jeglichen Kontakt abgebrochen. Nico war völlig fertig. Er begann zu kiffen und wir haben uns kaum noch gesehen. Ich hatte keinen Bock auf so ’nen Scheiß. Schließlich hat er die Schule geschmissen und ist zurück auf die Gesamtschule Gluckenstein. Wir haben uns aus den Augen verloren.“

      Hörte sich wie der Beginn einer kriminellen Karriere an, dachte ­Melanie. „Haben Sie ihn noch einmal gesehen?“

      Kunter nickte. „Vor circa zwei Jahren stand er vor der Tür. Er sah richtig gut aus und war beinahe der Alte. Er erzählte mir, dass er den Realschulabschluss gemacht hätte und jetzt als Kellner arbeite. Seine Mutter sei mit ’nem super Typ zusammen, mit dem er sich prächtig verstehe. Wir haben in der nächsten Zeit einiges zusammen unternommen. Es war fast wie früher.“

      ­Melanie war klar, was passiert war. Dirk ­Jühlich war in Frau ­Dörlings Leben getreten und Nico hatte einen Ersatz für den Vater gefunden, der ihm vorher abhandengekommen war.

      „Was ist dann passiert?“

      „Nun vor rund sechs Monaten tauchte er hier völlig zugedröhnt auf. Er lallte, dass dieser neue Lover der Mutter genauso ein Arsch sei wie sein Vater. Das war das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe. Wir haben nur noch einmal telefoniert.“

      „Wann war das?“

      „Ich glaube, es ist so ungefähr drei Wochen her. Er hatte vermutlich wieder was intus und hat mich gefragt, was man so vor Gericht zu erwarten hat, wenn man ein Geschäft überfällt. Ich bin erschrocken und habe ihn gefragt, warum er das wissen will. Er hat nur gelacht und gemeint, ich müsse nicht alles wissen. Plötzlich faselte er, dass er sich nur verabschieden wolle, weil er demnächst in Australien seinen Vater suchen würde. Ich habe das für Bullshit gehalten und ihm das auch gesagt. Darauf wurde er wütend und hat einfach aufgelegt. Das war’s.“

      Das erklärte vielleicht tatsächlich, warum ­Dörling verschwunden war. Möglicherweise wollte er das nötige Geld für die Reise bei ­Jühlich besorgen und dann nach Down Under verschwinden. ­Melanie fand, dass dies nicht unplausibel klang.

      „Können Sie sich vorstellen, dass Nico einen Mord begeht, zum Beispiel an jemandem, der ihn sehr enttäuscht hat?“

      Kunter schüttelte den Kopf. „Völliger Schwachsinn. Nico braucht eine Leitlinie. Das ist ja auch der Grund, warum er immer abgeschmiert ist, wenn eine Bezugsperson weg war.“

      „Die seine Mutter nicht sein kann?“

      „Nein“, kam die prompte Antwort. „Die ist mit ihm völlig überfordert. Nico ist kein Mörder. Ich kann schon nicht glauben, dass er einen Überfall begangen haben soll.“

      ­Melanie stand auf. „Vielen Dank, Herr Kunter, Sie haben mir sehr geholfen. Und gutes Gelingen mit dem Studium.“

      ***

      ­Sandro verzog das Gesicht und gab der Bedienung im Café Extrablatt ein Handzeichen. „Was hast du dir dabei gedacht, zur ­Jühlich zu fahren?“

      ­Melanie spürte eine wachsende Unruhe. Hatte er ihr nicht zugehört? „Ich habe meinen Job getan! Das versuchte ich dir gerade zu erklären. Ihr seid ja völlig auf Nico ­Dörling fixiert und lasst alle anderen Indizien außer Acht!“

      Er bestellte eine Apfelsaftschorle und wandte sich ihr wieder zu. „Mel, du weißt genau, dass das nicht stimmt. Allerdings spricht alles gegen deinen Klienten.“

      Deinen Klienten. Wie sich das anhörte. Der Vorwurf in seiner Betonung war unüberhörbar. Sie versuchte, sachlich zu bleiben, obwohl es ihr immer schwerer fiel.

      „­Sandro, denk doch einmal nach. ­Jühlich plant einen Versicherungsbetrug mit gefälschten Diamanten. Das geht schief, weil der Junge versagt. Stattdessen beschlagnahmt dein Kollege ­Pränger die falschen Steine, wodurch der Coup auffliegt. Da werden die belgischen Lieferanten, die bestimmt keine Chorknaben sind, ziemlich sauer sein. Sobald ­Jühlich singt, stehen sie ganz schön im Regen. Wenn das kein Mordmotiv ist!“

      ­Sandro schüttelte den Kopf. „Alles Spekulation.“

      „Du hättest die werte Witwe erleben sollen, als ich von den Diamanten anfing. Die hatte Mühe, das Gleichgewicht zu halten. Dazu das belgische Auto auf dem Parkplatz.“ Melanie schob ihm einen Zettel mit dem Kennzeichen über den Tisch. „Lass wenigstens mit Hilfe des Kraftfahrtbundesamts im ­Eucaris System feststellen, auf wen die Karre zugelassen ist. Kennst du das Programm?“

      ­Sandro sah sie empört an und holte mit der flachen Hand aus. „Jetzt ist aber genug. Natürlich ist mir bekannt, wie man grenzüberschreitende Fahrzeugdaten ermitteln kann. Da brauche ich nun wirklich keine Nachhilfe.“

      „Sorry, wusste nicht, ob das bei euch eine große Rolle spielt. Bei uns damals beim LKA kamen solche Abfragen dauernd vor.“ Sie trank einen Schluck Kräuterlimonade.

      „Ich war übrigens heute Vormittag bei Lasse Kunter, einem Freund von ­Dörling. Er sagt ebenfalls, dass Nico vom Typ her kein Mörder ist.“

      ­Sandro machte eine abfällige Handbewegung. „Was nichts heißt. Wir haben ebenfalls mit ihm gesprochen.“

      „Hat er euch auch gesagt, dass ­Dörling nach Australien wollte? Vielleicht ist er dort angekommen.“

      Er klang genervt. „Hat er. Wir haben sämtliche Flugverbindungen nach dem Überfall überprüft. Keine Buchung für ­Dörling.“

      „Du kannst auch aus dem benachbarten Ausland fliegen, mein Lieber.“

      „­Melanie, lass es bitte gut sein. Wir machen auch unseren Job. Glaub mir.“

      ­Melanie seufzte, es hatte keinen Sinn. „Sag mal, was ist da zwischen ­Schubert und diesem ­Pränger?“, fragte sie deshalb. „Weißt du da etwas?“

      „Nichts Konkretes“, antwortete ­Sandro entspannter. „Ich habe ­Martin gefragt. ­Pränger war wohl früher bei der Schutzpolizei in Oberursel für Verkehrsdelikte zuständig. Dann wechselte er zur Kripo und wurde Martins Kollege. Er muss ein echter Teamplayer gewesen sein. Große Klappe, faul und am Ende hat er es meist so hingestellt, als ob er die Erfolge im Alleingang erzielt hätte. Außerdem hat er wohl zu allem Überfluss alle Weiblichkeiten flachgelegt, die nicht bei drei auf den Bäumen waren. Ich vermute, dass es zu der Zeit eine Frau gab, auf die auch ­Martin scharf war. Er machte eine Bemerkung, die darauf schließen lässt.“

      ­Melanie kam plötzlich eine Idee. „Weißt du, wo er wohnt? Im Wiesbadener Raum?“

      ­Sandro schüttelte den Kopf. „Nein, in Oberursel. Er hat wohl eine Villa am Maasgrund. Sündhaft teure Gegend. ­Martin hat schon spekuliert, wie sich ein Hauptkommissar so etwas leisten könne.“

      Ihre Haut kribbelte. „Wie heißt er mit Vornamen?“

      „Heiko, warum?“

      „Bingo!“ Sie griff nach dem Zettel mit der belgischen Nummer, holte einen Stift aus der Innenseite ihres Parkas und schrieb auf die Rückseite HG-HP 5550.

      ­Sandro runzelte die Stirn. „Was ist das?“

      „Das Kennzeichen des Mercedes Coupés, das vor der Garage am Wingertsberg stand. Sieh auf die Buchstabenkombination.

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