Taunusschuld. Osvin Nöller
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Читать онлайн книгу Taunusschuld - Osvin Nöller страница 17
Siggi breitete die Hände aus. „Siehst du, sag ich doch. Falls Pränger im Alleingang unterwegs ist, hätte der Vorgesetzte sicher anders reagiert. Falls ihm doch etwas spanisch vorkommt, kann es sein, dass er sich gerade in Wiesbaden darum kümmert und dem Kollegen auf die Finger schaut. Du hast aber meine Frage nicht beantwortet, Pränger hin oder her. Wie willst du weiter vorgehen und was kann ich dabei tun?“
Melanie atmete tief ein und gab auf. Sie konnte ihn im Moment nicht überzeugen. Er schien ihre Gedanken zu lesen, so, wie er sie angrinste.
„Es gibt derzeit zwei Ansätze. Ich möchte mit der anderen Angestellten, dieser Maike Erler, sprechen und sie mit ihrem Streit mit Jühlich konfrontieren, von dem mir Sandro erzählt hat. Sie hat bei der Vernehmung angegeben, dass es um ihr Gehalt gegangen sei, weil die Dörling deutlich mehr verdient. Laut Frau Dörling könnte sie auch etwas mit Jühlich gehabt haben. Ich glaube, da steckt noch mehr dahinter. Mal sehen, ob ich sie knacken kann. Außerdem gibt es noch den Freund von Jühlich. Er heißt Jörg Supper und wohnt ebenfalls in Bad Homburg. Der hat für mich aber erst einmal zweite Priorität. Außerdem will ich heute Nachmittag Anja besuchen. Komm doch mit.“
Sie las in seinem Blick, dass das nicht der Einsatz war, den er sich gewünscht hatte, obwohl er nichts sagte.
Er lächelte. „Klar begleite ich dich. Ich muss nur um 16 Uhr zurück im Silbernen Bein sein.“
***
Pascal Wolter ballte die Fäuste. „Nicht Ihr Ernst! Sie wollen mich doch verarschen!“
Er hatte längst bemerkt, dass etwas im Gange war. Sein trautes Heim war zweimal gefilzt worden. Außerdem saß heute im Besucherraum ein Vollzugsbeamter, den er nicht kannte. Zudem waren zwei fremde Beamte in der Zelle erschienen, um ihn zum Besuchstermin zu bringen, und hatten ihn gründlich durchsucht.
Die Stimme des Anwalts klang angespannt. „Leider nicht. Sie werden morgen in die JVA Eckernförde verlegt. Ich war ebenfalls überrascht, dass Sie nach Schleswig-Holstein kommen. Angeblich soll es in der Stadt keinen freien Platz mehr geben.“
„Warum will man mich überhaupt verlegen? Sie müssen Einspruch einlegen!“
Hengstler schüttelte den Kopf. „Vergessen Sie es. Ich hatte Sie gewarnt. Sie haben den Bogen überspannt. Sie sollen hier raus, um Sie von eventuellen korrupten Kontakten zu trennen. Es gibt bereits eine umfangreiche Untersuchung. Außerdem habe ich gehört, dass Frau Gramberg mehrere Anzeigen erstattet hat und Beweise vorliegen, dass der Mailverkehr mit Ihnen gefälscht sei.“
Das war ihm einerlei. Er hatte damit gerechnet, dass die Fälschungen über kurz oder lang aufflogen. Nur nicht, dass es so schnell ging. Die Strafe, die auf ihn zukam, war Peanuts gegenüber dem, was ihn in der Hauptverhandlung erwartete. Eine Verlegung aber war große Scheiße. Er hatte hier in den letzten Monaten einiges investiert. Wenn er woanders hinkam, musste er von vorne beginnen und das Geld hier war praktisch durch den Schornstein verschwunden!
„Ich brauche mein Smartphone!“
„Keine Chance! Ich wurde heute am Eingang überprüft wie noch nie! Nicht, dass sie mir noch in den Hintern geguckt haben! Ich stehe ebenso auf deren Liste und werde meine Zulassung nicht wegen Ihnen verlieren.“ Hengstler stand auf. „Ich überlege ohnehin, Ihr Mandat niederzulegen. Das würde mir in der aktuellen Situation mit einer entsprechenden Begründung deutliche Pluspunkte einbringen.“
***
Melanie saß im Büro und grübelte. Einerseits freute sie sich über Schuldts Information, Pascal Wolter sei in ein Gefängnis verlegt worden, mit dessen Leiter ihr Ex-Chef befreundet war. Sie hatte nicht gefragt, wie er das bewerkstelligt hatte. Besser, sie wusste nichts darüber. Andererseits blieb die unsichtbare Gefahr bestehen, die von dem Häftling ausging und die Frage offen, wozu er noch im Stande war, wenn man ihn reizte. Es galt in jedem Fall, auf der Hut zu bleiben.
Sie öffnete den Bad Homburger Stadtplan. Die Bornstraße lag mitten im alten Ortskern des Stadtteils Ober-Erlenbach. Maike Erler war überraschend zugänglich gewesen und hatte einem Besuchstermin am nächsten Morgen zugestimmt. Sie schien nicht überrascht zu sein, dass sich Melanie über die Geschehnisse im Juweliergeschäft austauschen wollte. Umso besser! Melanie arbeitete die Fragen durch, die sie zu stellen beabsichtigte.
Plötzlich wanderten ihre Gedanken zurück zum Besuch bei Anja. Ihr Zustand war unverändert. Zum Glück hatten sie die Zugangstür zur Station verschlossen vorgefunden. Der Pfleger Haubner hatte ihnen nach dem Klingeln geöffnet und versichert, dass das nun Standard sei. Außerdem betonte er erneut, dass er sich persönlich um Anja kümmern würde. Er wirkte auf Melanie allerdings gestresst und nervös, sicher eine Folge der chronischen Unterbesetzung in den Pflegeheimen. Er war recht schnell verschwunden gewesen.
Sie zwang sich, die Konzentration wieder auf den Fall zu lenken. Pränger ging ihr nicht aus dem Kopf. Der BKA-Mensch spielte irgendwie eine entscheidende Rolle und vermutlich nicht auf der richtigen Seite! Da halfen auch Siggis Einwände nicht. Wie schaffte sie es, an ihn heranzukommen? Sandro hatte erwähnt, dass der Typ in Oberursel wohne. Vielleicht war es eine gute Idee, ihm einmal einen Besuch abzustatten. Am besten, wenn er nicht daheim war!
Der Ton ihres Smartphones kündigte eine eingehende Nachricht an. Sie kannte die Nummer nicht und öffnete die Mitteilung. Ihr fiel das Telefon aus der Hand.
***
Melanie stürmte ins noch leere Silberne Bein.
Katja sah überrascht auf.
„Wo ist Siggi? Ich brauche ihn ganz dringend!“
„Im Keller. Müsste jeden Moment zurück sein.“ Die Wirtin schaute zur Kellertreppe. „Da ist er schon!“
Siggi stellte eine Getränkekiste hinter dem Tresen ab und runzelte die Stirn. „Was …“
Sie hielt ihm das Handy vor das Gesicht. Katja näherte sich, um ebenfalls einen Blick zu erhaschen.
Er riss die Augen auf. „Was ist das denn? Woher hast du das?“
Melanie schwankte. „Von einer unbekannten Nummer. Siehst du nicht, was das bedeutet?“
Siggi nahm sie in die Arme und drückte sie fest, was sie widerwillig zuließ. „Natürlich weiß ich das. Da war jemand in Anjas Zimmer, hat ihr eine Rose auf die Brust gelegt und sie fotografiert. Ich kann verstehen, wie du dich fühlst. Jetzt beruhige dich aber bitte trotzdem, wenigstens ein bisschen. Wir müssen einen klaren Kopf behalten. Hast du schon etwas unternommen?“
„Ich hab alle Durchwahlnummern auf der Station angerufen. Es ist überall permanent besetzt. Außerdem hab ich versucht, Sandro zu erreichen. Der hat aber schon Feierabend und geht weder an sein Diensttelefon noch ans private Handy! Ich hab ihm eine Nachricht aufs Band gesprochen.“ Sie löste sich von ihm. „Ich fahre da jetzt hin! Kann ich dein Auto haben?“
Siggi sah Katja kurz an, die nickte. „Ich komm mit. Und ich fahre!“
***
Die Stationstür stand weit offen, ein Zustand, der Melanie losspurten ließ. Siggi eilte ihr nach. Mit bangem Gefühl riss sie die Tür zu Anjas Zimmer auf und presste den Atem stoßartig aus. Anja lag friedlich da, von einer Rose keine Spur. Alles sah aus wie immer.