Hundsvieh. Daniel Badraun
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»Nicht jetzt, Claudio! Du bist müde, mein Freund, und ich muss noch weg. Morgen werden wir darüber sprechen.« Reto gibt mir ein Handtuch, er zeigt mir das Bad und die Küche, dann ist er auch schon durch die Tür.
Es hat Brot auf dem Tisch, Käse und ein Stück Wurst im Kühlschrank. Dazu trinke ich eine Kanne Tee. Eine Weile lese ich, dann mache ich es mir mit meiner Tasse auf dem Sofa bequem und schaue mir einen Liebesfilm an, mehrmals schlafe ich ein, daher ist mir am Ende nicht ganz klar, warum der James die Gina nicht haben kann, und warum dieser unsympathische Ron zum Zuge kommt, obwohl er doch etwas mit Maria und Carmen hatte. Oder war es doch anders? Scheinbar habe ich einiges verpasst. Um elf ist Reto zurück, er sieht müde aus, erklärt mir kurz, was er von mir möchte und zieht sich dann in sein Zimmer zurück.
In dieser ersten Nacht auf Müllers Sofa schlafe ich unruhig. Zwei Monate war ich arbeitslos, und nun scheinen sich die Leute um mich zu reißen. Heute habe ich siebenhundert Franken eingenommen, fünfhundert von Kubashi als Vorschuss für die Besorgung eines Hundes und zweihundert von meinem Freund Reto Müller, der von mir informiert werden möchte, falls etwas Außergewöhnliches im Kunsthaus passiert.
Beide versprachen mir weitere Noten, wenn ihre Aufträge zur Zufriedenheit ausgeführt werden. Eventuell ist auch bei Morandi noch etwas zu holen, möglicherweise bin ich also schon bald wieder in St. Moritz.
4.
Müller schläft noch, als ich aufstehe, dusche und mich ausnahmsweise schon morgens rasiere. Im Bahnhofbuffet gönne ich mir einen Kaffee und ein Croissant, höre den Diskussionen der Rangierarbeiter und Taxifahrer zu, warte, bis es Zeit ist. Dann schlendere ich gespannt durch den frischen Morgen die Bahnhofstrasse entlang zum Kunsthaus hinauf. Wie Fritschi mir gestern befohlen hatte, melde ich mich um acht Uhr beim Empfang.
»Warten Sie bitte einen Moment, Herr Mettler, Herr Fritschi ist am Telefon.« Die Dame von gestern, die heute ein lilafarbenes Kleid trägt, lässt mich stehen, so schlendere ich ein wenig durch das Erdgeschoss des Museums, nicht aus Interesse, sondern mehr zum Zeitvertreib. Giovanni Segantini, den Maler des Lichts, kenne ich aus St. Moritz, mit Mona war ich einmal in seinem Museum, doch statt die Bilder zu genießen, hielt sie mir einen professionellen Vortrag über die Eignung von Kunst als Kapitalanlage.
»Was bringen die horrenden Auktionspreise einem Künstler, wenn er schon lange tot ist?«, fragte ich beispielsweise.
»Das ist doch nicht die Frage, Claudio«, sagte sie mit gespielter Empörung. »Die Frage ist, welche Rendite ein Werk dem Investor bringt.«
»Aber die Künstler haben für ihre Kunst gelebt, haben gehungert, wurden krank oder depressiv, sie haben unter mangelnder Aufmerksamkeit gelitten, oft warteten sie umsonst auf ihren Erfolg. Und nun, wo sie tot sind, gelten sie als Wertanlage.«
»Nicht nur, Claudio, reg dich nicht so auf! Das Leben der Maler und Bildhauer ist selbstverständlich auch ein Aspekt bei der Gesamtbewertung eines Werkes. Die Nöte im Leben des Künstlers, Skandale und Liebeleien haben aus heutiger Sicht eine gewisse Wirkung, etwas Pittoreskes und Abenteuerliches zieht immer. Ein abwechslungsreiches Leben kann durchaus den Preis steigern.«
»Findest du das nur pittoresk?« Wir waren im Obergeschoss unter der Kuppel des Museums angekommen. Hier hängt das großartige Triptychon, das Segantini für die Weltausstellung von Paris malte. »Werden, Sein, Vergehen. Da schafft einer solche Bilder, steht mitten im Leben und stirbt mit 41 in einer Berghütte an einer Bauchfellentzündung. Siehst du dort die Bergspitzen, da ist das Licht noch nicht fertig gemalt.«
»Dem Marktwert des Künstlers hat es jedenfalls nicht geschadet!«, war die schlagfertige Antwort meiner Anlageexpertin.
Da gab es nur eines, schweigen und durch.
Und in der Gegenwart von Mona das Thema Kunst meiden.
Augusto Giacometti und seinen Cousin Giovanni haben wir im Kunstunterricht am Gymnasium durchgenommen, die Bündner Tourismusplakate von Augusto Giacometti, die in ihrer Einfachheit genial sind, durften wir mehrfach und ungelenk kopieren, bis die klaren Aussagen der Plakate verwässert und verwischt waren. Dennoch, Kunst bei Krell war ein Knaller, er zeigte uns seine Betroffenheit angesichts der Werke, er führte uns an die verletzlichen Seiten der Menschen hinter den Bildern und Statuen heran, ohne oberlehrerhafte Arroganz. Auch Amiet und Hodler, die im nächsten Raum herumhängen, sind keine Unbekannten für mich.
Da, auf einmal steht er vor mir! Dieser magere Hund, der durch die Straßen von Paris zu schleichen scheint, auf der Suche nach Nahrung, nach Zuneigung. Mattes Fell, gesenkter Kopf und hängende Ohren, von allen getreten und verlacht. Ich mag die Skulptur von Alberto Giacometti auf Anhieb, vorsichtig streichle ich ihr über den Rücken.
»Ein schönes Stück, finden Sie nicht auch, Mettler?« Fritschi steht plötzlich hinter mir und schenkt mir ein flüchtiges Lächeln. »Aber Sie sind ja zum Rasenmähen hier …«
»Was kostet dieser Hund, ich meine, was ist er wert?« Ich denke an den Japaner und an sein Angebot.
»Den könnten Sie sich nie leisten, Mettler, auch wenn Sie alle Einnahmen Ihres ganzen Lebens zusammenfassen würden.«
Fritschi geht voraus, seine Schritte hallen im leeren Haus, er führt mich durch eine Hintertüre hinaus in den Park, zeigt mir den Schuppen mit den Gartenwerkzeugen und den Rasenmäher.
»Der Rasen muss perfekt geschnitten sein, Mettler, keine abstehenden Halme an den Rändern. Heute Abend wird hier im Park eine Giacometti-Gala stattfinden, wir erwarten die halbe Kunstwelt der Schweiz, ebenso namhafte Politiker sowie die nationale Presse. Da darf nichts schief gehen, verstehen Sie?«
Ich nicke eifrig. »Was ist meine Aufgabe?«
»Nach dem Rasenmähen können Sie beim Aufbau des Buffets behilflich sein, Sie werden sehen, es gibt genug Arbeit.«
»Wie sieht es längerfristig aus? Können Sie mich hier im Kunsthaus gebrauchen?«
»Das besprechen wir morgen, Mettler. Das hängt von Ihrem Engagement bei unserem Event ab. Beim Empfang heute Abend können Sie mir als Mädchen für alles behilflich sein, klar?«
Die abschätzige Art, wie er Mädchen für alles sagt, passt mir nicht, doch ich sage nichts, ziehe mich um, fülle Benzin in den Tank und beginne ohne Murren den Rasen zu mähen, achte dabei besonders auf Ränder und Kanten. Keiner soll sagen, dass Mettler die Kunst des perfekt geschnittenen Rasens nicht beherrschen würde. Danach reche ich die Wege und klaube Abfall aus den Hecken, die den Park zur Straße hin abschließen.
Später gehe ich den Spezialisten zur Hand, die die Skulpturen aus dem Museum hinaus in den Park transportieren, helfe den Jungs vom Party-Service beim Aufstellen des Buffets neben dem Eingang. Fritschi ist überall, er organisiert, gibt Anweisungen, macht Verbesserungsvorschläge, zeigt dann den Männern des privaten Sicherheitsdienstes, wo die Skulpturen stehen, wie die Zugänge des Parks überwacht werden sollen.
Gerade als es in der Cafeteria einen kleinen Imbiss für die Mitarbeiter gibt, fährt ein weiterer Lastwagen vor. Fritschi gibt mir mit einem Handzeichen zu verstehen, dass ich beim Abladen helfen soll. So nehme ich die Arbeitshandschuhe und packe mit an, wir tragen die Kisten mit den Kühlschränken durch den Park zum Buffet, die Männer der Transportfirma öffnen Kisten, stellen dann die Prachtstücke auf und stecken die Kabel ein. Da ich nicht mehr gebraucht