Sie senden den Wandel. Viviana Uriona
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3. Methodologie (Genese)
Zu Beginn meiner Forschung (2008) und in Anbetracht der damaligen Informationslage standen zunächst die inneren Phänomene der Radios im Fokus (Finanzierung, Gruppenprozesse, Partizipationserfahrungen, Technik usw.).1 Im Laufe der Untersuchungen leiteten mich aber deren Zwischenergebnisse, vor allem die Menschen, denen ich diese Ergebnisse verdankte, zu einem weiteren Blickwinkel, der den inneren Aufbau der Stationen zwar berücksichtigt, aber zugleich den äußeren gesellschaftlichen Rahmen untersucht, in den hinein die Stationen gleichsam senden und der ihnen dazu auch die Anlässe und Gründe gibt. Ähnlich wie bei einem beobachtenden Dokumentarfilm2 wollte ich nicht die Wirklichkeit auf der Basis zuvor unverrückbar beschlossener Maßstäbe untersuchen, sondern vielmehr die Maßstäbe meiner Beobachtung der zu entdeckenden Wirklichkeit abgewinnen. Dazu sind (neben dem Studium der einschlägigen Literatur und der analytischen Werkzeuge) hauptsächlich folgende Forschungsmethoden im engeren Sinne eingesetzt worden: Expert*inneninterviews und themenzentrierte Interviews3.
Diese Methoden waren zum einen mit Blick auf den Forschungsgegenstand geeignet, zum anderen entsprachen sie meiner wissenschaftlichen Erfahrung u.a. bei der Erarbeitung meiner Diplomarbeit. Als passende Instrumente für die Untersuchung sind qualitative Methoden der Sozialforschung gewählt worden. Im Vergleich zur quantitativen Forschung erlauben diese die Integration von Beobachtungs- und Befragungstechniken der Anthropologie und der Ethnologie und die Berücksichtigung von subjektiven Sichtweisen und des Handelns der Subjekte im Alltag. (Flick, U. 1999)
Es bot sich an, die empirische Forschung in zwei Teile zu gliedern:
Erstens: die Befragung von so genannten Expert*innen, d.h. von direkt Beteiligten der Radioprojekte und insbesondere solcher Beteiligten, die wechselseitig innerhalb sozialer Bewegungen und dem Radio partizipieren. (Flick, U. 1999: 109–110)
Zweitens: die Erfassung konkreter Erfahrungen von Aktivist*innen aus den sozialen Bewegungen. Die Mehrheit dieser Akteur*innen überschneiden sich in ihren Rollen. Sie sollten aus jeder Rolle heraus frei und nur mäßig gelenkt über Abläufe, Konzepte und Ziele, die sie selbst für relevant hielten, reden können.
Für die Expert*inneninterviews sind Leitfäden erarbeitet bzw. halbstandardisierte Interviews durchgeführt worden. Dies erschien mir notwendig, um die von mir im Vorfeld konzeptionell berücksichtigten Inhalte einiger Begriffe, wie der der Partizipation, des Empowerments und der Autonomie, zu erfassen, zu klären und zu hinterfragen. Auch konnte ich auf diese Weise viele relevante Informationen erhalten, die ich im Vorfeld nicht (vorrangig) konzeptionell berücksichtigt hatte. Teilweise bot es sich auch an, mit den Akteur*innen eine dem Forschungsgegenstand angepasste Version des themenzentrierten Interviews zu führen. Der Ansatz dreier zentraler Kriterien – Problemzentrierung, Gegenstands- und Prozessorientierung (Flick, U. 1999: 105f.) – wurde herangezogen. In den themenzentrierten Interviews sind Auffassungen zu verschiedenen Punkten erfragt worden, um die Bedürfnisse der Befragten nach alternativer Berichterstattung zu untersuchen. Die von mir zunächst festgelegten Schwerpunkte waren u.a. interne Organisation, Partizipation und Finanzierung. Weitere Schwerpunkte haben sich bei den ersten Interviews erst herausgebildet und blieben aber als Bestandteil der Interviewfragen bestehen, z. B. Identität und (Suche nach) Wahrheit(en).
Die Untersuchung konzentrierte sich darauf, so viele Erkenntnisse wie möglich aus dem erhobenen Material zu gewinnen. Von daher war es frühzeitig klar, dass die Instrumente der qualitativen Forschungsanalyse im Allgemeinen und die der Grounded Theory im Besonderen heranzuziehen waren. Mit diesen richtungsweisenden Methoden und Theorien führte ich die Auswertung mit einem computergestützten Programm (ATLAS. ti) durch. Grundsätzlich ging es mir darum, nicht nur Antworten auf Fragen zu erhalten, sondern eher Erkenntnisse zu sozialen Zusammenhängen durch Gespräche zu gewinnen.
Da das Hauptziel der Grounded Theory die Gewinnung von Theorien ist, wurden Fragestellungen benötigt, die die notwendige Flexibilität und Freiheit gaben, Phänomene in ihrer Tiefe zu erforschen. (Strauss, A. und Corbin, J. 1996: 22) Selbstverständlich fand sowohl während der Erstellung der Fragen über die Durchführung der Interviews bis hin zur Auswertung der Daten eine Fokussierung statt. (Strauss, A. und Corbin, J. 1996: 23)
Der Prozess der aus dem Datenmaterial betriebenen Theoriebildungen ist im Grunde zeitlich offen. So er an ein Ende gebracht wird, liegt dennoch kein endgültiges Ergebnis, sondern gleichsam ein festgelegtes Standbild in einem an sich endlos weiterlaufenden Film vor. In diesem Sinne ist der »Grounded Theory [...] kein perfektes Produkt [abzuringen], sondern nur ein Ausschnitt [aus einer permanenten Entwicklung] [...]«. (Glaser B. G. und Strauss, J. 1998: 41) Diese Entwicklung wiederum wird nicht nur durch die Umstände (Ort, Zeit, politische und soziale Rahmenbedingungen etc.) begleitet, sondern wird ja auch durch die Brille eines Menschen analysiert, unterliegt insofern subjektiven Unschärfen.
Von Anfang an motivierte mich zu dieser Arbeit die Absicht, Diskussionen im deutschsprachigen Raum anzustoßen. Selbstverständlich wirkt auch diese Absicht als subjektive Unschärfe im oben genannten Sinne.
Die »entdeckten« Theorien finden sich in Kapitel IV. dieser Arbeit.
3.1 Methodologische Herangehensweisen
3.1.1 Eigene Verortung und äußere Rahmenbedingungen
Meine jahrelangen Erfahrungen in der Interviewführung (als Radiomacherin) und meine autodidaktische Weiterbildung in diesem Bereich bewahrten mich vermutlich vor denen von Hopf beschriebenen typischen »Anfänger*innenfehlern«.4 (Hopf, Ch. 2006: 357–360) Ich nahm eine Haltung ganz im Sinne des ethnografischen Interviews ein: Das heißt, ich zielte darauf, die Bedeutung des »Fremden« und die in ihm verwandte Handlungspraxis zu verstehen und nachzuvollziehen.
Ich nehme (dennoch) an, dass meine Interviewpartner*innen mich gleichzeitig als Teil ihres Zusammenhanges und als Fremde zu diesem Zusammenhang wahrgenommen haben: Einerseits wurde mir z.B. viel Nähe und Freundlichkeit und auch Hilfe bei der Auffindung geeigneter (weiterer) Projekte und Interviewpartner*innen zuteil, andererseits spürte ich eine sanfte bis deutliche Zurückhaltung, wenn ich nach Interna fragte, die mich als Außenstehende nun einmal nichts angehen sollten. Einerseits wurde ich als Medienaktivistin und Radiomacherin, mithin als »eine von ihnen« wahrgenommen; andererseits war überdeutlich, dass ich die Gruppen in meiner Eigenschaft als Politik- bzw. Medienwissenschaftlerin aus dem europäischen Raum besuchte, was mich zu »einer von außen« machte. Eine Thematisierung dieser Wahrnehmungen vermied ich allerdings, weil ihre Erörterung auf der Metaebene m.E. die Struktur des ethnografischen Interviews gerade gestört hätte.
Die Interviews wurden, außer in zwei Fällen5, vor Ort in den Community-Radios durchgeführt. Die jeweiligen Interviewpartner*innen wurden zuvor gebeten, einen für sie geeigneten Raum und eine für sie angenehme Atmosphäre zu suchen bzw. zu schaffen. Die Interviewpartner*innen wurden im Vorfeld des Interviews über den Grund des Interviews, mein Forschungsvorhaben und die Tatsache informiert, dass die Interviews anonymisiert werden würden. Sie gaben dann ihr Einverständnis für die Durchführung und die Nutzung der auf Audio aufgenommenen Gespräche.6
Für die vorliegende Untersuchung waren zwei Forschungsaufenthalte in Argentinien notwendig, die der Recherche, dem Studium der nur vor Ort zugänglichen Publikationen