Stolps Reisen: Damals und heute, von den Anfängen bis zum Massentourismus. Jürgen Dittberner

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Stolps Reisen: Damals und heute, von den Anfängen bis zum Massentourismus - Jürgen Dittberner

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und im Tal der Erinnerung an die einstigen jüdischen Gemeinden in Europa erschien die seinerzeitige heimatliche Diskussion über das „Holocaust-Mahnmal“ in Berlin problematisch. Dieses Denkmal hier, „Yad Vashem“, steht nicht für die ermordeten Juden im geläuterten Land der Täter, sondern die Juden haben es bei der Hauptstadt ihres nach 2000 Jahren wiedererrichteten Staates gebaut. Der „Holocaust” war die letzte – und grausamste – aller Verfolgungen, denen dieses alte und so lebendige Volk ausgesetzt war. Ihre Toten ehren sie nun in ihrem eigenen Land.

      Es wird behauptet, deutschen Initiatoren für die Errichtung eines eigenen Denkmals an die ermordeten Juden in Europa sei die Idee in „Yad Vashem“ gekommen. Im Unterschied zu Jerusalem müsste in „Berlin“ ein Gedenkort entstehen, der sich primär an die Deutschen wendet. „Yad Vashem“ dagegen versucht, Andenken und Namen für die Opfer im eigenen Land zu sein. Die Nachfahren der Täter müssten demgegenüber wohl einen Gedenkort schaffen, der vor allem Scham und Trauer über die Verbrechen an einem anderen Volk als dem eignen ausdrückt.

      Diese Verbrechen haben Namen wie „Auschwitz“, „Dachau“ oder „Theresienstadt“. Die Namen dieser Stätten müssen in „Berlin“ unbedingt genannt werden!

      Klagemauer in Jerusalem

      Der deutschen Delegation wurde klar: Bei der Diskussion über ein Holocaust-Mahnmal in „Berlin“ sollte nicht so sehr auf das Ausland – nicht einmal auf Israel – geschielt werden, um heraus zu bekommen, was man dort erwartet. Wenn die Deutschen innerlich bereit sind, sollten sie für sich und ihre Nachfahren eine Stätte schaffen, die über Trauer und Scham um die Mordstätten zugleich Warnung wäre vor dem seinerzeitigen Kulturverfall.

      Als Stätte solcher Warnung wäre dieses Denkmal für das vereinte Deutschland auch staatspolitisch hilfreich. Damit so etwas gelingt, müsste die Debatte daheim ehrlicher, weniger rechthaberisch und nicht so pompös geführt werden wie bislang, fanden die deutschen Besucher Israels. Nachdem das Mahnmal in Berlin errichtet wurde, scheint dieses Ziel verfehlt worden zu sein.

      Nach dem Besuch in „Yad Vashem“ versammelte sich die Delegation in ihrem Bus: Verweinte Gesichter, Stille. Der Israeli schien das nicht zu merken. Gleich an der nächsten Straße verteilten junge Juden Wahlkampfaufkleber für Shimon Peres: „Frieden jetzt“. – „Frieden wollen wir alle.“, sprach der Guide ins Mikrofon, „aber der Frieden muss auch sicher sein. Bei uns und bei den Palästinensern werden die Fundamentalisten mehr. Die Syrer wollen den Golan wieder. Dann sind Galiläa und ganz Israel ungeschützt. Und dahinter sitzt der Iran, unversöhnlich.“

      Der Sohn Israels hatte die Delegation bewusst in die Gegenwart zurückgestoßen. Er und viele weitere der seinerzeitigen Juden glaubten, dass ihr Volk mit „Yad Vashem“ und anderen Gedenkstätten in Israel für die Opfer getan haben, was ihnen menschenmöglich ist.

      So erschien den Besuchern zu Pessach in „Jerusalem“ der Gedanke absurd, die Halle für die ermordeten Kinder irgendwo und vielleicht sogar in „Berlin“ zu kopieren. „Yad Vashem“ war Ausdruck der Trauer der Juden über die bitterste Zeit ihrer Geschichte. Ein „Holocaust-Mahnmal“ in „Berlin“ dagegen müsste die Fassungslosigkeit der Deutschen über „Auschwitz“ ausdrücken: Dieses Mahnmal an der Spree sollte spezifisch für die Deutschen da sein, und die sollten weder Staatsoberhäupter noch andere Gäste drängen, dorthin zu gehen.

      So dachten deutsche Besucher damals.

      Aber die israelischen Gastgeber schlugen ganz andere Töne an. Nach „Yad Vashem“ wurde die deutsche Delegation von einem Mitarbeiter der Stadt „Jerusalem“ empfangen. Der erfuhr, dass den Gästen die Städte „Berlin“ und „Potsdam“ bekannt waren. Auf Deutsch intervenierte er da: „Kennen Sie den? – Ein reicher Mann geht in ‚Berlin‘ am Kurfürstendamm in einen Autosalon, um einen Mercedes zu kaufen. Der Verkäufer empfiehlt: ‚Nehmen Sie den hier. Da sind Sie in einer halben Stunde in Potsdam.‘ Darauf der Kunde: ‚Potsdam – was soll ich denn in Potsdam?‘“

      Die Deutschen verstanden: Das Leben geht weiter.

      (1993, 1996)

      Die USA galten lange Zeit in Deutschland als das gelobte Land schlechthin. Insbesondere das Hochschulwesen galt als vorbildlich. Und Experten waren sich sicher, dass die USA der Nabel der Welt sei, wenn es um ihr Gebiet, die Drogenbekämpfung, ging. Schließlich war es eine Sensation, dass diese Siegermacht von einst sich aufwändig einem eigentlich sie gar nicht betreffenden Thema, dem Nationalsozialismus, zuwandte.

      Hutschenreuther in Boston

      Also spürten viele und unterschiedliche einheimische Experten den Ruf „Auf nach Amerika! Alle pilgerten über den „großen Teich“.

      Die Abgeordneten landeten in „Boston“. Im dortigen Hotel „Colonade“ fand ein erstes „Briefing“ durch den deutschen Generalkonsul statt. Nach der Besichtigung vom „Freedom trail“, von „Quinci Market“ und vom „Common“ hatten die Volksvertreter schnell gelernt, dass die USA in dieser Gegend ihre ersten Schritte getan hatten. Die Besucher folgten einer Einladung eines amerikanischen Politikwissenschaftlers, der einst Mitglied des „American Council on Germany“ gewesen war. Diese Einladung zur Party im Garten hatte sie, Frau Dr. Schlechter, organisiert. Es gab Bowle, Erdbeeren und Krabben. Die Abgeordneten merkten: Sie waren in einer anderen Welt.

      Dass hier die Uhren anders gingen, erkannten die Volksvertreter erneut, als sie in einem Restaurant in „Boston“ sonntags am Vormittag Bier trinken wollten. Es war elf Uhr. – „Männer!“, hatte Frau Schlechter gedacht, da klärte die Kellnerin schon die Besucher auf: „In Massachusetts sagt das Gesetz, dass erst ab zwölf Uhr Bier verkauft werden darf.“ Also mussten die durstigen Besucher warten. Frau Dr. Schlechter hatte das insgeheim gefreut.

      Europäisch erschien den Besuchern später dagegen eine Art Wochenmarkt hier in „Boston“. Wie zu Hause hatten Händler auf der Straße Stände aufgebaut und boten ihre Waren (meist Landwirtschaftsprodukte) preis. Allerdings kamen den Beobachtern Zweifel, als sie einen schwarzen Fischhändler entdeckten: Ein potentieller Kunde näherte sich seinem Stand, zeigte auf einen bestimmten Fisch und fragte: „What’s that?“ – „It’s fish!“, bekam er zur Antwort und trollte sich daraufhin beleidigt vor sich hinmurmelnd.

      Sehr ausführlich waren die Besuche und Gespräche beim „Massachusetts Institute of Technology“ („MIT“), der ersten Adresse in der Wissenschaftswelt jener Tage. Frau Schlechter staunte, wie spärlich die Arbeitszimmer auch hochberühmter Wissenschaftler eingerichtet waren und dass diese immer wieder durch Veröffentlichungen oder berufliche Erfolge ihrer Absolventen ihre wissenschaftliche Klasse beweisen mussten. Sie tauschte sich darüber mit Stolp aus.

      Die amerikanischen Wissenschaftler stellten ihren Besuchern ihre Arbeiten vor. Dabei konnten die Gäste jenen Amerikanern, die aus dem Norden der USA kamen, durchaus folgen, den Südstaatlern jedoch weniger. Ihr Dialekt war für europäische Ohren schwer verständlich. Dr. Schlechter und Stolp sahen sich an, schmunzelten darüber

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