Stolps Reisen: Damals und heute, von den Anfängen bis zum Massentourismus. Jürgen Dittberner

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Stolps Reisen: Damals und heute, von den Anfängen bis zum Massentourismus - Jürgen Dittberner

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werden. Inlandsflüge gehörten verboten. Wer dennoch über Landesgrenzen hinweg flöge, sollte Ablass an Umweltorganisationen leisten müssen. Die Ozeanriesen sollten umweltfreundlicheren Treibstoff verwenden oder am besten überhaupt nicht mehr gebaut werden.

      Nahte das Ende des Massentourismus?

      Es sah nicht so aus. Die Zahl wohlhabender Rentner im Norden dieser Erde nahm zu. Ihre Arbeitgeber und die Zentralbanken versorgen sie reichlich mit Geld. Wenn auch die Welt zu Scherben brach: Sehr, sehr viele wollten sie vorher noch sehen. Also flogen sie möglichst nicht im Inland; bis zur Landesgrenze schaffte es ja der Bus allemal. Einige zahlten sogar den Umweltablass; das machte ein gutes Gewissen. Und wenn die Reedereien weiterhin große Schiffe vom Stapel lassen: Wer konnte das schon beeinflussen?

      Plötzlich setzte ein bislang vollkommen unbekannter „Gegentourismus“ ein. Neuartige und unerforschte „Wesen“ eroberten ihrerseits die Erde. Für ihre „Reisen“ benutzten sie Schiffe, Bahnen, Flugzeuge. Doch diese „Wesen“ zogen nicht von West nach Ost, sondern in die entgegengesetzte Richtung von Ost nach West. Sie waren Viren, und bildeten eine tödliche Gefahr für die Menschen. Ihr Name war „Corona“, und sie lösten eine Pandemie aus. Gekommen waren sie aus dem Tierreich.

      Die Welt der Menschen zerfiel in die alten Nationalstaaten. Die meisten dieser Staaten verordneten einen „Lockdown“. Fast alle Menschen gingen in Quarantäne und fanden den staatlich angeordneten Stillstand richtig.

      Da war die Blase des Massentourismus jäh geplatzt. „Urlaubsländer“ wie Italien waren plötzlich dicht. Airlines (gestern noch mit stolzen „Vögeln“) starben wie die Fliegen. Veranstalter und Agenturen des Tourismus brachen zusammen, Hotels schlossen, Reisebüros machten zu, „Einheimische“ Helfer des Tourismus wurden arbeitslos, Traumstrände verwaisten.

      Ein bis dahin stets wachsender Industriezweig brach zusammen. Niemand reiste mehr: Wie gewonnen, so zerronnen.

      Geschädigte forderten, der jeweilige Staat sollte für die Einbußen einstehen. Können die das leisten? Es ging um Milliarden, Millionen waren nur noch Peanuts.

      Schon nach wenigen Wochen holte sich die Natur einiges von dem zurück, was der Tourismus ihnen genommen hatte: Delphine tobten wieder am Strand, Rehe kamen in die Städte, sogar die Lagunen in Venedig erholten sich, und leere Strände wurden sauber.

      Niemand wusste, wie es weiter gehen würde.

      Im Zweiten Weltkrieg wurde lieber „verlegt“ als verreist. Truppen der Wehrmacht wurden von der Ost- zur Westfront geschoben. Die Soldaten (meist blutjunge Männer) wurden von zu Hause „eingezogen“. Viele kamen dabei früh ums Leben, starben den „Heldentod“ und liegen seitdem begraben, oft in fremder Erde.

      Kindern ging es in dieser Zeit etwas besser. Viele, die in bombengefährdeten Städten wohnten, wurden aufs Land „verschickt“ oder „evakuiert“. Andere fuhren zu ihren Verwandten, meist zu den Großeltern. Transportmittel war fast immer die Bahn. Am Zielort atmeten Großstadtkinder zum ersten Mal den Duft frischen Brotes, wenn der zentrale Backofen angefeuert war. Oder sie vernahmen ihnen bis dahin fremde Laute, wenn im Dorf ein anderer Dialekt als daheim gesprochen wurde.

      Später waren abertausende „Prisoners of War“ („PW“) von Amerikanern, Russen, Engländern, Franzosen und anderen in „Kriegsgefangenenlager“ transportiert worden. Die lagen in Neapel, am Rhein, in Sibirien und waren sehr unterschiedlich. In der „Heimat“ hatten derweil Sieger das Kommando übernommen, und Fortbewegungen Deutscher erfolgten meist per Pedes oder mithilfe von Pferden. Tauchten Trupps fremder Soldaten auf, schienen die Kinder gefährdet zu sein. Doch wenn man Glück hatte, entpuppten sich die „Fremden“ als Einheit, die deutsche Kinder mit Bonbons beglückte.

      Transporte, Flucht, Vertreibung: Zwangsreisen waren das.

      Lange hielt sich das nicht. Wer in Städten wohnte, schaute vorsichtig im Nachbarbezirk nach. Auf dem Lande wurden Kreisgrenzen überschritten. Hauptsächliche Transportmittel waren Fahrräder, auch U-, S- und Straßenbahnen waren im Einsatz. Dann kamen Busse wieder, und für längere Strecken gab es noch immer die „Reichsbahn“.

      Als sich zwei deutsche Staaten entwickelten, kam es zu „innerdeutschen“ Reisen, erst zaghaft, dann immer heftiger. Bis zum Bau der Mauer 1961 in „Berlin“ flüchteten viele Ostdeutsche in den „Westen“. Dann machte die DDR die Grenzen dicht, und die Wege in den Westen waren versperrt. Spätere Passierscheinabkommen durchlöcherten diese Grenzen nach Osten ein wenig. Bürokratisch registriert von Ost-Behörden durften „Wessis“ in die DDR „einreisen“. West-Berliner und „Bürger der BRD“ wurden dabei sorgfältig getrennt.

      Kuriositäten taten sich auf: „Hier ist eine BRD-Mutter mit einem WB-Kind!“, schallte es durch die „Übergangsstelle“ am Bahnhof Friedrichstraße in „Berlin“. Eine Mutter aus (vielleicht) Hamburg wollte mit ihrem Berliner Kind „in den Osten“ fahren. Das störte den Ordnungssinn der „Staatsorgane“ der DDR.

      Reisevehikel im anwachsenden „innerdeutschen Verkehr“ wurde mehr und mehr das Auto („‘s heiligs Blechle“ der westdeutschen Familien): „Sollen die Zonis ruhig sehen, wie gut es uns im Westen geht!“ Im Kofferraum lagen Schokolade, Bananen und „Jacobs-Kaffee“ – Mitbringsel für die „Brüder und Schwestern von drüben“. Die nahmen es gerne und revanchierten sich mit „Bückware“, speziell „organisiertes“ Rindfleisch beispielsweise. Bei der Rückreise („Achtung: Geschwindigkeitsbegrenzung!“) in die „BRD“ hieß es dann: „Machen Sie mal den Kofferraum auf!“ Aber da war nichts drin.

      Allmählich wurde die DDR als alleiniges Reiseziel zu poplig. Dort machte man mehr und mehr nur noch Verwandtenbesuche. Auch in die nun leider zum „Ostblock“ gehörende alte Heimat zog es manche

      Erholt jedoch hatte man sich woanders. Zuerst ging es in die Lüneburger Heide, nach Bayern oder schon nach Sylt. „Hotelkästen“ gab es noch nicht. Man logierte während der Ferien in Schulgebäuden oder bei „privaten“ Vermietern. Das Auto musste Unmengen von Gepäck transportieren. Am Zielort ging es wacker zu: Am Meer lechzten nun aufkommende „Touristen“ tagelang nach Sonne, um zu „bräunen“, damit die Nachbarn neidisch wurden.

      Oft ging’s auf die Wanderschaft mit Hut, Rucksack und Stock. Die „Sommerfrischler“ freuten sich, zu einer privilegierten Schicht zu gehören, und bedauerten Daheimgebliebene. Urlaub wurde zum Wohlstandssymbol.

      Da der Druck groß, die Möglichkeiten aber manchmal begrenzt waren, kam eine neue Art des Reisens auf: Das „Trampen“. Das war freilich nicht jedermanns Sache, aber besonders für Schüler und Studenten ideal. Trampend lernten sie Deutschland, Länder Europas, ja sogar die USA, kennen. Klar war dabei: Mädchen sollten nicht alleine trampen, und Luxus war nicht unbedingt zu erwarten. Man konnte auf Last- oder Viehwagen landen, aber auch in Edellimousinen. Unter Kennern galten die USA als gutes Tramperland. Den Ostblock aber mieden die meisten Tramper lieber.

      Als die Tramper älter geworden waren, mutierten einige von ihnen zu „Campern“. Das Rustikale und die Illusion der Naturnähe wollten sie nicht missen. Außerdem ersparte man sich das Hotel. Dafür musste ein geeignetes Vehikel her. Die Automobilindustrie half: Auf gängige PKW-Modelle

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