Stolps Reisen: Damals und heute, von den Anfängen bis zum Massentourismus. Jürgen Dittberner

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Stolps Reisen: Damals und heute, von den Anfängen bis zum Massentourismus - Jürgen Dittberner

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richteten „Campingplätze“ mit „Stellplätzen“ zum Übernachten ein: Eine spezielle Variante des Tourismus war entstanden. Natürlich konnte man bald auch Camper mieten, um vorübergehend zum fahrenden Volk zu gehören.

      Wem der „Camper“ schon zu zivilisatorisch war, konnte das „Zelt“ als Alternative wählen, naturverbunden, meist mit PKW daneben.

      Deutschland war mittlerweile touristisch gerüstet: In- und Ausland öffneten sich bis zum Ende der Welt. Ein Begriff machte die Runde: Die Deutschen wären nicht nur Fußball-, sondern auch „Reiseweltmeister“! Sie hatten alle anderen überholt. Engländer beispielsweise kannten Pauschalreisen schon aus dem 19. Jahrhundert. Da hatten Abenteurer mit dem weltweit ersten Platzhirschen „Thomas Cook“ die Schweizer Alpen mühsam erschlossen. Doch nun, zur Zeit des Wirtschaftswunders, kamen die Deutschen, nicht unbedingt mit Qualität, dafür aber mit immer erdrückenderer Quantität.

      Schließlich wurde das Reisen diversifiziert und spezialisiert. Auf den Flughäfen machten sich Urlaubsflieger breit. Billigflieger traten auf den Plan. Die Flughäfen (von vermeintlichen Kennern „Airports“ genannt) platzten aus allen Nähten. Die „Abfertigung“ von Touristen wurde immer weiter rationalisiert, Speisen und Getränke wurden selbst auf Langstrecken selten. Manche Passagiere fragten sich schon, ob sie demnächst selber steuern und fliegen müssten. Derweil ergaben sich Menschen, die sonst für ihre Persönlichkeitsrechte kämpften, in immer peinlicher werdende „Sicherheitskontrollen“. Der „Massentourismus“ war entstanden.

      Würde es immer so weitergehen, oder war die Spitze erreicht? „Thomas Cook“ und „Air Berlin“ waren Vorboten: Auch der kapitalistisch organisierte Massentourismus war vor Krisen und Insolvenzen nicht gefeit.

      Doch in Deutschland gab immer noch genügend viele Menschen im Rentenalter, die nun endlich die Welt sehen wollten, um daheim nachher wieder ihr Elend zu bejammern.

      Darüber hinaus wuchsen stets neue Generationen heran. Auch sie wollten fremde Orte und Landschaften kennen lernen, auch sie wollten nach Sevilla, New York und auf die Kanaren sowieso.

      In „Frankfurt“ am Main druckte die Europäische Bank derweil unentwegt Frischgeld, das man bei Reisen besonders leicht verprassen konnte.

      Der Tourismus boomte. Doch das zerstörerische Corona lauerte schon.

      „Otto Normalverbraucher“ reiste einst (wenn auch selten) selbst in dunkelsten Zeiten. Die Nazis hatten eine eigene Tourismusorganisation: „KdF“ („Kraft durch Freude!“). Der Urlaub der „Volksgenossen“ sollte reguliert und überwacht werden. Bei Kriegsbeginn 1939 musste man das allerdings reduzieren.

      „Private“ Reisen gab es dennoch. Menschen reisten mit vollgestopften Pappkoffern, Leiterwagen, trugen lange Mäntel und verzichteten niemals auf ihre Schlapphüte oder Kopftücher. Zur Bahnfahrt berechtigten diejenigen, die es sich leisten konnten, kleine Pappkärtchen, auf denen Ausgang und Ziel der Reise vermerkt waren. Diese „Fahrkarten“ konnten am „Schalter“ der Bahn erworben werden, und ein Schaffner im Zug knipste sie ab.

      Ziel der Fahrt waren oft einsame und kleine Bahnhöfe, von denen aus es zu Familienangehörigen ging. Manchmal marschierten die Reisenden endlose Alleen entlang. Rechts und links davon waren Felder, die abgegrenzt waren durch Straßengräben. Irgendwann tauchte am Horizont schließlich ein kleiner Ort auf: ein Dorf oder gar ein Städtchen. Im Winter lagen die Häuschen im Schnee; im Sommer flatterte Federvieh über den Anger. Die Alten beäugten die angekommenen Fremden misstrauisch.

      Die Besucher schliefen meistens bei ihren Verwandten (wo denn sonst?). Unter den Gästebetten standen Nachttöpfe oder Schüsseln, und wer größeres verrichten wollte, musste im Nachthemd über einen Hof gehen und das „Plumpsklo“ aufsuchen. Das war eine Bretterbude, in der ein Querbalken angebracht war, in dessen Mitte sich ein großes Loch befand. Die Holztür vor diesem „Donnerbalken“ war mit einem neckisch eingeschnitzten Herz verziert.

      Im „Gästezimmer“ gab es kein Radio, kein TV, kein Telefon, keine Dusche, kein Safe – nichts dergleichen. Stattdessen stand auf einem Schränkchen eine weiße Emaille-Schüssel mit dunkelblauem Rand und daneben eine ebensolche Kanne, die mit Wasser gefüllt war. Hier konnte der Gast seine Morgentoilette verrichten, und wenn er Glück hatte, waren auch Handtuch, Seife und ein Spiegel da.

      Angereist kamen die Besucher meist aus größeren Städten, und nach drei Tagen reisten sie wieder ab, denn: „Besuch und Fisch fängt vom dritten Tag an zu stinken.“ Für die Abreise war wichtig, den Fahrplan der Bahn zu kennen und die Umsteigebahnhöfe im Kopf zu haben.

      So reisten Menschen vor Erfindung des modernen Tourismus. Das war der industrielle Massentourismus, dem Corona ein jähes Ende setzte.

      Ist das Reisen damit am Ende?

      Die Gründe zu reisen sind vielfältig. Es wird wiederkommen. Aber wer weiß, in welcher Form?

       Wie immer: „Der Vorhang geht zu und alle Fragen bleiben offen.“

      23 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges besuchte Andor Stolp1 die Heimat seiner Vorfahren. Als Kind war er hier gewesen; nun gehörte das pommersche Dorf zu Polen. Andor war schon in der großen Stadt zur Welt gekommen. Diese Reise war ein Geschenk an Andors Vater.

      Der hatte Pommern zwischen den Weltkriegen verlassen. Als fünfter Sohn hatte er keine Chance für sich in der alten Heimat gesehen. In der großen Stadt schaffte er es zum Kriminalbeamten.

      Bei Familientreffen war aber immer die Rede von der alten Heimat – oft sehr direkt. Kaufte sich eine Schwester des Vaters neue Schuhe, hieß es:

       „Pommersche Beene passen nicht in Pariser Schuhe!“

      Erinnert wurde an die Zwergschule, in der alle den Spruch gelernt hatten:

       „Der Kaiser ist ein guter Mann.

       Er wohnet in Berlin.

       Und wär das nicht so weit vor hier,

       So führ’ ich heute noch hin.“

      Auch dass man Ostern sehr früh aufstand, um Osterwasser vom See zu holen, wurde erinnert. Die fauleren Familienmitglieder bekamen es zu spüren:

       „Stiep, stiep Osterei,

       Gibst Du mir kein Osterei,

       Stiep ich Dir das Hemd entzwei!“

      Der Tanz der „Mudder Witsch“ war unvergessen:

       „Bald up de Hacken,

       Bald up de Teihn,

       Oh, Mudder Witsch,

       Wie geiht dat wunderschön.“

      Mittags

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