Stolps Reisen: Damals und heute, von den Anfängen bis zum Massentourismus. Jürgen Dittberner

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Stolps Reisen: Damals und heute, von den Anfängen bis zum Massentourismus - Jürgen Dittberner

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steht. Unterricht findet in Lubow statt. In der Schule ist ein Kaufmann, Maurers Gaststätte ein Kindergarten und gegenüber von Ost Fritz, Schaukeln, Klettergerüste pp.

      An der Straße nach Bewerdick stehen alle Häuser. Bei Ferdinand Bäskow ist das Haus neu überholt – Stall pp wie früher. Auf einem Starkstrommast ist ein Storchennest zwischen Mauerers und Ziesemers, direkt an der Straße.

      Der Friedhof ist bewaldet. Wir haben beim Absuchen keine alten Kreuze oder Tafeln gefunden. Der Weg zum Karzsee und Rackow Mühle ist beidseitig mit ca. 3 m hohen Fichten bewachsen. Golz‘ Grundstück ist weg. Der Karzsee ist ringsum mit Schilf und Fichten bewachsen, gen auso der Rackow- und der Kämmerersee. Ans Wasser kommt man kaum. Nur am Kämmerersee in der Kurve nach Bewerdick kann man ans Wasser. ....“

      Hier endet der Bericht leider.

      Nachtrag: An dem Abend nach dem Besuch in „Rackow“ gingen sie ins Hotel zu einer Tanzveranstaltung. Es gab gekochten Weißfisch in Aspik. Alkohol floss reichlich. Am nächsten Tag waren vor allem Vater und Sohn etwas duhn, aber mithilfe knallroter und saftiger Äpfel von „Meiers“ legte sich das allmählich. Alle kamen heil im heutigen zu Hause wieder an.

      (1978)

      1. Minister in der Lüneburger Heide

      Seine allererste Reise machte Andor als 16-Jähriger mit einer Gruppe Gleichaltriger in die Lüneburger Heide. Das Jugendamt hatte das eingefädelt. Die Jugendlichen kamen in ein „Lager“, das aus Baracken bestand und von einer Dame geleitet wurde, die als „Tante“ anzusprechen war. Irgendwie war das Jugendamt politisch motiviert, denn kaum angekommen, mussten sie eine „Lagerregierung“ bilden, die den Urlaub regeln sollte. Die „Regierung“ wurde ganz demokratisch gewählt, und Andor erhielt so das Amt eines Ministers. Er war der Minister für Ernährung, musste also den Speiseplan mit der Lagerleitung abstimmen, die Essenszeiten an- und durchsetzen und dafür sorgen, dass genügend viele „Lunchpakete“ zur Verfügung standen, wenn ein Ausflug vorgesehen war. – Das war die erste und letzte Reise, auf der Andor ein „Regierungsamt“ ergatterte.

      Als Andor Student war, kannte er seine Silke schon. Sie studierte an derselben Universität wie er, allerdings ein anderes Fach.

      Eines Tages entschlossen sich die beiden, eine Reise zu machen: Hamburg-Bremen und zurück. Aber wie? Die beiden hatten kein Auto, und Bahn oder Bus erschienen ihnen viel zu teuer. Was blieb übrig? –Trampen.

      Am Ortsausgang von Hamburg standen zwei Studenten und winkten stadtauswärtsfahrenden Autos zu. Hielten welche, ging die Frage an den Fahrer: „Können Sie uns ein Stück mitnehmen Richtung Bremen?“ Einige konnten, aber immer nur ein Stückchen, nicht gleich ganz bis Bremen. Stück für Stück kamen Silke und Andor Richtung Westen voran, und wieder standen sie an der Landstraße. Da hielt ein Dreiradauto mit einer offenen Ladefläche hinten. „Da könnt Ihr rauf; ich fahre bis Bremen!“ Beglückt sprangen die beiden auf den Minilaster, da entdeckten sie, dass sie bei weitem nicht die einzigen Passagiere waren. Unendlich viele junge Dackel reisten mit. Und jeder von ihnen wollte den beiden Menschen die Ohren ablecken. Die ließen es schließlich geschehen, denn der Wagen sauste strickt nach Bremen, und an einen vorzeitigen Stopp war gar nicht zu denken.

      Gründlich abgeschleckt kamen die Nachwuchswissenschaftler in der Weserstadt an. Als sie ihr Domizil, eine Jugendherberge, erreicht hatten, fragten sie sogleich, wo man sich das Gesicht waschen könne.

      Der „Herbergsvater“ zeigte alles: die Waschräume, die Schlafsäle und die große Küche. Hier mussten die beiden Unmengen von Kartoffeln schälen, bevor es Abendessen gab.

      Am nächsten Abend waren Silke und Andor wieder in Hamburg und wieder in einer Jugendherberge. Hier partizipierten sie am öffentlichen Nahverkehr der Hansestadt, denn alle zwei, drei Minuten schallte es vom nahe gelegenen Bahnhof herüber: „Landungsbrücken“, „Landungsbrücken“…

      Andor und Silke Stolp wurden Kern einer richtigen kleinen Familie. Bald nach der Eheschließung kam Töchterlein Maria zur Welt; vier Jahre später war Johann da. Von nun an reisten sie zur viert. Sie fuhren im PKW über Land, Bundesstraßen und Autobahnen entlang. Vorne saßen die Eltern Silke und Andor – der Vater fuhr „den Wagen“– und im Fonds waren die lieben Kleinen. Spätestens nach fünfzehn Minuten Fahrzeit kam von hinten die Anfrage: „Sind wir bald da?“ Oder der Hilferuf: „Ich hab‘ Hunger!“ Oder: „Ich muss mal!“ Auch „Hör auf zu stänkern!“, war oft zu hören. Die Mutter versorgte den Nachwuchs mit psychischer oder physischer Zuwendung. Der Vater hatte das Radio eingestellt, hörte Nachrichten oder summte die Melodien des Senders mit.

      Es ging hinaus in die Welt. Das Auto fraß Kilometer der Bundesstraßen. Fort war der heimatliche Ort, und neue Gegenden tauchten auf. Immer neues „Futter“ (Benzin) floss in den Schlund des Autos, und Tankwarte sprachen unbekannte Dialekte. „Wie weit wir schon sind! Das ist Freiheit!“ Vater Andor drehte das Radio noch lauter auf und sang bei allen Schlagern mit. Dann sendeten sie Kindergeschichten, und die Kleinen waren ganz Ohr. Die Route war auf der papiernen Landkarte vorgeplant. Nun waren die auf der Karte roten Linien graue Straßen, und was zu Hause Sekunden gedauert hatte – die Reise von A nach B – beanspruchteStunden. An manchen Kreuzungen wurde es knifflig: Wo sollte man fahren: „Rechts, links oder geradeaus?“ Die Mutter setzte die Brille auf, studierte die Karte, (das „verdammte Ding“!) und entschied über die weitere Route. Meist lag sie richtig. Die Gastgeber hatten die Betten schon gemacht.

      Dann tauchten sie auf: das Meer oder die Berge. Unendlich weit zog sich der Ozean dahin, und im anderen Fall lockten die Gipfel. Die Hänge waren gefleckt – weite Wälder wechselten sich mit weißen Schneefeldern ab. Je höher die Berge waren, desto häufiger waren Schneefelder zu sehen, und statt des dunklen Grüns der Wälder waren nun immer mehr nackte graue Felsen zu sehen.

      Andor und Silke verließen das Gefährt, schauten in die Runde, genossen die „ganz andere Luft“ und waren überglücklich, am Ziel zu sein: „Am Meer“ oder „In den Bergen“. Die Kinder indes maulten und waren müde geworden von der langen Fahrt.

      „Nun aber ab zur Unterkunft!“ Ein altes Schulhaus war leer und wartete, oder die „Gasteltern“ in der „Privatpension“ warteten. Wo aber waren sie? Andor und Silke studierten die Zettel mit den Adressen, fuhren Straßen und Gässchen in den erwählten Orten ab, fragten nach dem Weg und erreichten schließlich das gewünschte Haus.

      Im Schulhaus lag der Schlüssel unter dem Fußabtreter des Portals. Silke war es eingefallen, dass ihnen das zu Hause mitgeteilt worden war. Die Klassenzimmer waren zu Gästezimmern umgewandelt. Jeder Familie stand ein ehemaliger Klassenraum zur Verfügung. Die Gästefamilien stammten von überall her: Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Bayern, und sogar Österreicher waren da. In den Klassenräumen standen keine Stühle, Bänke und auch kein Lehrerpult mehr, dafür Doppelstockbetten. Die Klassenschränke waren ausgeräumt und warteten auf die Garderoben und Wäsche der Gäste. Alle Schultafeln hingen noch, und zur Freude der Gästekinder waren die Kreidekästchen gefüllt. Die ehemaligen Jungentoiletten waren zu Badezimmern für männliche Feriengäste umfunktioniert worden – egal, ob groß oder klein. Für die weiblichen Besucher gab es die früheren Mädchentoiletten. Das Lehrerzimmer war geteilt, und wer wollte und es sich leisten konnte, mietete hier einen Aufenthaltsraum

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