Mary und das Geheimnis der Kristallpaläste. Elfriede Jahn

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Mary und das Geheimnis der Kristallpaläste - Elfriede Jahn

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erzählt, um dem sicheren Tod zu entgehen, von Königen oder Bettlern handelten, von Dieben oder Heiligen, Liebe, Hass oder Rachsucht, sie brachten den Zuhörern den Zauber des Orients nahe. Danach kuschelten sie sich in ihre warmen Schlafsäcke und schliefen sofort ein.

      In Shaktis Jeep wurde ihre Ausrüstung transportiert und die drei Freunde und Troy fuhren mit Bhakti, der sie darauf aufmerksam machte, dass sie sich nun in der Nordwestprovinz befanden. Von hier aus bahnte sich der Indus sein Bett. Inzwischen waren sie tief in die Gebirgswelt vorgedrungen. Die Straße stieg steil an und überall ragten kahle Bergriesen empor. Am Hang eines besonders steilen Berges klebte Besham, eine kleine Stadt, die nahe am Indus liegt. Es war viel kälter geworden und die Menschen, die sie hin und wieder am Straßenrand beobachten konnten, hatten sich wie sie selbst in ihre warmen Umhänge gehüllt.

      „Wann kommt denn endlich die Karawanenstraße?“, fragte Doff ungeduldig. Mary lächelte in sich hinein, und Larry, der sich ausmalen konnte, was in Doffs Kopf vorging, kicherte.

      „Wir sind schon mitten drauf“, sagte er.

      „Was?!“, rief Doff entsetzt, der nirgendwo Kamele entdecken konnte, nur Autos und Lastwagen, die ihnen voll beladen entgegenkamen.

      Liebevoll stupste Larry Doff in die Seite, bevor er trocken, wie es seine Art war, erklärte: „Diese Karawanenstraße ist eine der höchst gelegenen asphaltierten Straßen der Welt.“

      Troy beugte sich zu Doff herab und zwinkerte ihm zu. „Warte nur ab, Doff, bis wir jenseits des Khyber-Passes sind.“

      „Was passiert dann?“, erkundigte Doff sich neugierig.

      „Dort erwartet dich dein erstes Abenteuer“, sagte Troy ernsthaft, und Doff machte große Augen.

      „Versprochen?“, fragte er, und Troy, der im Rückspiegel Bhaktis Blick auf sich ruhen sah, nickte: „Versprochen!“

      „Zuerst müssen wir allerdings nach Peshawar, um neue Vorräte zu besorgen“, warf Bhakti ein.

      „Ist das noch weit?“, wollte Doff wissen.

      „Nur noch fünfzig Kilometer“, beruhigte ihn Troy. „Das ist eine faszinierende Stadt. Sie wird dir gefallen“, versprach er und damit musste Doff sich zufriedengeben.

      Mary sah Troy von der Seite an. Als er den Pass erwähnte, war etwas in seinen Worten mitgeschwungen, das sie nachdenklich machte. Auch Bhakti hatte das bemerkt, und Mary dachte, dass dieser Pass eine besondere Bedeutung haben müsse. Sie hätte Troy gern gefragt, tat es jedoch nicht. Bisher wusste nur sie, dass Troy ein Zeitreisender war. Shakti ahnte allerdings etwas, dessen war sich Mary sicher.

      Als sie Peshawar erreichten, sagte Bhakti stolz: „Hier befinden wir uns am Schnittpunkt der alten Karawanenwege.“ Doff starrte ungläubig auf die in einem breiten Becken vor ihnen liegende riesig große Stadt. „Von hier aus sind es nur noch fünfzig Kilometer zum Khyber-Pass.“ Diese Information war für Doff bestimmt, der schon wieder schmollte.

      Bhakti setzte die vier vor einer Pension in einer stillen Seitenstraße ab. Larry reckte und streckte sich, sodass seine langen Knochen knackten. Nach der tagelangen Autofahrt waren alle froh, sich die Füße vertreten zu können. Und da kam auch schon Shakti mit ihrem Gepäck. Erleichtert nahmen sie ihre Rucksäcke an sich und folgten Troy in die Herberge.

      Bhakti wandte sich an seinen Bruder. „Troy kennt die Legende vom Khyber-Pass“, flüsterte er Shakti zu und der fragte: „Bist du sicher?“ Als Bhakti nickte, murmelte Shakti zufrieden: „Also wird sich die Prophezeiung endlich erfüllen.“

      In den Tagen und Monaten, die vor ihnen lagen, würden Mary, Larry und Doff all ihre Kräfte brauchen, weshalb Troy ihnen den Aufenthalt hier so angenehm wie möglich machen wollte. An diesem Tag gab es für sie kein Lauftraining und keine Meditation, dafür heiße Duschen, bequeme Betten und so viele Getränke und Leckereien, wie sie wollten.

      Durch Peshawar waren bereits Alexander der Große und Marco Polo gekommen. Die Einheimischen nannten sie Sher, „die Stadt an der Grenze“. Die Sommer waren sehr heiß und im Winter regnete es, was den Anbau von Tee, Tabak, Gemüse und Früchten erlaubte. Peshawar war bekannt für seine Lederwaren, für feines Kunstschmiedehandwerk, prächtige Teppiche und Textilien. Seit jeher zog die Stadt Händler aus Orient und Okzident an und die verschiedenen kulturellen Einflüsse spiegelten sich auf beeindruckende Weise in den Geschäften und Bauwerken der Stadt wider. Mary, Larry und Doff bestaunten die Badhaki-Moschee, bewunderten alte Paläste, und erfreuten sich an prächtigen Gärten. Sie zogen über Märkte und große Plätze und genossen das bunte Treiben in den belebten Straßen von ganzem Herzen.

      Schließlich führte Troy sie in ein kleines Lokal, in dem sie sich mit Bhakti und Shakti trafen, die inzwischen die Einkäufe erledigt hatten. Die Brüder freuten sich über die Begeisterung der jungen Leute. Von den beiden Brüdern erfuhren die drei Freunde, dass Peshawar ihren heutigen Namen einem indischen Großmogul verdankte. Von ihren Urgroßeltern hatte das Brüderpaar die Legenden von Kaiser Bubur gehört, der einer der mächtigsten Herrscher seiner Zeit gewesen und sein ganzes Vermögen an das Volk verschenkt haben soll. Als Zeichen des Friedens und Wohlstands hatte er aus seinem Palast tausend weiße Tauben aufsteigen lassen. Doff war begeistert und Larry interessiert, und Troy, der die blutige Wahrheit der Eroberungen hinter dieser Geschichte kannte, schwieg, um die Brüder nicht zu kränken. Nach kurzem Zögern erwähnte Shakti noch eine alte Legende vom Khyber-Pass und Doff, der schon beinah eingedöst war, merkte interessiert auf. ... War das nicht der Pass, nach dem er sein erstes Abenteuer erleben sollte?

      „Die Prophezeiung sagt: Wer diesen Pass zur richtigen Zeit überquert, befindet sich plötzlich in einer anderen Zeit. Manche sagen, dass Reisende dann in ein Zeitfenster geraten und sich außerhalb der Zeit befinden.“ Shakti sah Troy an, der seinen Blick lächelnd erwiderte. Shakti verstummte und Bhakti sprang für ihn ein. „Wenn das geschieht, so wird erzählt, kehrt die Zukunft in die Vergangenheit zurück und wird zur Gegenwart.“

      „Was bedeutet das?“, fragte Doff verwirrt. Larry, der angestrengt nachdachte, runzelte die Stirn, während Troy erklärte: „Es wird eine neue Zeit beginnen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Auserwählten durch das Zeitfenster gehen.“

      Mary fielen die Blicke auf, den die Brüder austauschten. Sie konnte geradezu Bhaktis Gedanken hören: „Hab ich’s dir nicht gesagt?“

      Plötzlich war es auffallend still und Mary flüsterte: „Ein Engel geht durch den Raum.“

      Doff, der gerade fragen wollte: „Was ist ein Zeitfenster?“, schwieg verblüfft. Dann öffnete er seinen Mund, und Larry, der sich an Troy wandte, kam ihm mit seiner Frage zuvor: „Liegt dieser Pass nicht auf der Bruchzone zwischen der Eurasischen und der Indischen Platte?“

      Zu seiner Überraschung lachte Troy laut auf. „Bravo, Larry!“, rief er. „Du hast gerade einen der mächtigsten Kraftplätze der Erde beschrieben.“

      „Wirklich?“, fragte Larry so erstaunt, dass alle lachen mussten, und der Bann war gebrochen. Troy klatschte in die Hände. „Genug von alten Legenden für heute. Diese Nacht schlafen wir noch einmal in einem bequemen Bett. Das sollten wir unbedingt ausnutzen!“

      Bhakti und Shakti wollten bei Verwandten übernachten und sie am nächsten Tag um sechs Uhr in der Frühe abholen. Als sich die Brüder vor ihrer Unterkunft höflich von Troy verabschiedeten, fragte Mary sich, ob sie in ihm den Zeitreisenden und Formwandler aus der geistigen Welt erkannt hatten. Sie war sich dessen beinah sicher, aber sie wunderte sich darüber, dass Bhakti und Shakti deshalb kein bisschen verängstigt zu sein schienen, sondern sich vielmehr darüber freuten,

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