Mary und das Geheimnis der Kristallpaläste. Elfriede Jahn
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Читать онлайн книгу Mary und das Geheimnis der Kristallpaläste - Elfriede Jahn страница 11
„Feigen gab es schon im alten Ägypten.“ Larry wandte sich Doff zu, den Feigen überhaupt nicht interessierten.
„Richtig, Larry“, bestätigte Troy. „In vielen Ländern sagt man der Feige nach, dass sie vor Behexung und dem bösen Blick schützt.“
Und Doff rief: „Und denk mal an das Feigenblatt von Adam und Eva.“
Troy schmunzelte. „Jedenfalls schmeckt sie süß und ist eine begehrte Delikatesse, wenn sie reif ist.“
„Kann man Feigen in Schokolade tunken?“, wollte Doff wissen.
„Nichts ist unmöglich. Halt einfach die Augen offen.“
Doff verdrehte die Augen. Bislang hatte er nichts gesehen, was ihn interessierte. Fortan hielt er aufmerksam nach einschlägigen Geschäften Ausschau. Sie hatten die breite, stark befahrene Straße überquert und tauchten in eine schattige Nebengasse ein. Larry spitzte die Ohren. Er konnte Stimmengewirr hören und das Gackern von Hühnern.
„Wieder ein Markt?“, fragte er.
Troy nickte. „Das ist allerdings kein gewöhnlicher Markt, sondern der älteste Basar der Stadt.“
„Cool!“, flüsterte Doff, und Mary und Larry staunten ebenfalls.
Die Eindrücke – die Farben, die Gerüche und die Geräusche – waren überwältigend. Dies schien endlich ihre Vorstellung von einer orientalischen Stadt zu treffen. Viele Menschen waren auf dem Platz unterwegs und die Gesichter der Männer waren verwegen, die Kleider der Frauen bunt ... und zwischen all diesen Gestalten meckerten Ziegen und blökten Schafe. Fasziniert folgten die drei Troy, vor dem sich, wie Larry auffiel, die Menge wie selbstverständlich teilte. Mary wusste nicht, wohin sie zuerst schauen sollte. Da priesen Händler lautstark lebende Hühner an, dort schnitt ein Barbier in seinem Laden Haare und trimmte Bärte. An den Türläden baumelten blitzende Kupferkessel und Küchenutensilien, kostbare Teppiche und Lederwaren. Im Café tranken Männer Milchtee, spielten Schach oder unterhielten sich. Kleine Gewürzberge in allen Farbschattierungen, vom sandigen Safran bis zum blutroten Chili, verströmten ein betörendes Aroma, das sich mit dem feinen Duft von Rosenwasser und von blühenden Zweigen vermischte, und das Stimmengewirr war ohrenbetäubend laut. Plötzlich war inmitten der wogenden Menge der klagende Ton einer Flöte zu hören. Neugierig folgten die drei Freunde Troy. Wieder teilte sich die Menge vor ihm und gab den Blick auf den Flötenspieler, einen hageren, bärtigen Mann, der einen weißen Turban trug, frei. Zu seinen Füßen stand ein Korb, aus dem sich eine Königskobra aufrichtete, deren Kopf sich rhythmisch hin und her zu wiegen schien.
„Ein Schlangenbeschwörer“, hauchte Doff ehrfürchtig und wich einen Schritt zurück.
„Hab dich nicht so“, flüsterte Larry. „Die ist ohnehin zahm.“
„Woher willst du das wissen?“, fragte Doff und sprang entsetzt zur Seite, denn neben ihm war ein Mann aufgetaucht, der Mary eine Schlange um den Hals legte.
Mary hatte keine Angst vor Schlangen, seit sie vor Jahren in einem Wanderzoo einen Python berührte und dabei gefühlt hatte, wie gut sich das Reptil anfühlte. Der Mann, der sie erschrecken wollte, nahm Mary enttäuscht die Schlange von der Schulter und sah sich nach einem neuen Opfer um. Larry und Doff hatten bereits die Flucht ergriffen. Nur Troy war stehen geblieben. Er lächelte so zufrieden, dass Mary das Gefühl hatte, dass sie gerade eine Probe bestanden hatte. Larry wartete nur wenige Schritte entfernt auf die beiden, aber Doff konnten sie nirgendwo entdecken. Schließlich fanden sie ihn vor einem Stand mit Süßigkeiten.
„Doff, deine Lieblingsschokolade von Zotter gibt es zwar schon weltweit, doch bis nach Pakistan ist sie noch nicht vorgedrungen“, witzelte Larry.
Tatsächlich starrte Doff wie gebannt auf in Honig getränkte Pralinen, während er darüber rätselte, aus was sie wohl gemacht waren. Troy legte ihm fest die Hand auf die Schulter.
„Zuerst müssen wir unsere Kleidung den Gebräuchen des Landes anpassen“, sagte er und schob den enttäuschten Doff energisch weiter.
Der Schlangengürtel
Die nächste Stunde wühlten sich die drei an einem Stand mit Kleidern durch ein riesiges Angebot an Hosen, Hemden und Kaftans aus reiner Baumwolle. Larry war der Erste, der fündig wurde: Er hatte sich für eine Pluderhose entschieden, die einfarbig und hell, leicht und praktisch war. Dazu passte ein weißes, locker sitzendes Hemd, das ihm fast bis zu den Knien reichte.
Mary musste lachen. „Abgesehen davon, dass dir alles drei Nummern zu groß ist, siehst du hübsch aus.“
Larry, der sich in einem fast blinden Spiegel betrachtete, gefiel sich in seinem neuen Outfit so gut, dass er, der doch sonst eher ernsthaft war, übers ganze Gesicht strahlte, und Mary verkniff sich lieber eine weitere Bemerkung. Der Händler, ein kleiner, wieselflinker Mann, breitete unermüdlich Hosen und Hemden vor Doff aus und redete dabei wie ein Wasserfall auf ihn ein. Mary kam Doff und dem Händler, der schon zu verzweifeln drohte, zu Hilfe. Nach langer Suche fand sie ein Hemd, das Doff nicht zu lang und nicht zu eng war. Doff hatte jedoch seine eigenen Vorstellungen. Er bestand auf einer in grellem Grün und Gelb gemusterten Tunika, die über seinem Bauch spannte, und einer Hose, die ihm nur knapp bis unters Knie reichte.
Mary prustete los, weil der Verkäufer Doff gerade einen der roten Filzkappen auf das abstehende, rote Haar stülpte. Wortlos schob Mary Doff vor den Spiegel. Aber der gefiel sich, wie er war, und so ließ er sich nicht davon abhalten, diese auffallende Kleidung zu kaufen. Für sich selbst suchte Mary einen himmelblauen Kaftan aus. Der Verkäufer beschwatzte Mary und reichte ihr einen dazu passenden Seidenschal. Sie nahm die Schirmmütze ab, schüttelte das Haar aus, und knotete es mit dem Tuch im Nacken zusammen.
„Wie sehe ich aus?“, fragte sie und drehte vor dem Spiegel eine Pirouette.
„Wie eine Prinzessin“, staunte Doff beeindruckt, während Larry kritisierte: „Da hätten wir ja beide Platz drin!“ Dabei grinste er, und Mary verstand, dass er sich nur für ihre Bemerkung von vorhin revanchieren wollte.
Mary sah sich suchend um und ihre Augen leuchteten auf: Troy hatte sich für einen weißen Kaftan mit Kapuze entschieden, in dem er sich bewegte, als hätte er nie etwas anderes getragen. Er betrachtete Mary und nickte zustimmend, dann sagte er: „Der Kaftan ist zu lang, Mary. Du brauchst einen Gürtel.“
Plötzlich schien Troy es eilig zu haben. Nachdem er bezahlt hatte, erhielt jeder von ihnen einen Beutel mit den Sachen, die sie zuvor getragen hatten, und sie verließen gut gelaunt den Laden. Nur Mary fiel auf, dass Troy einen zweiten Nylonbeutel trug.
„Weshalb rennen wir denn so?“, schnaufte Doff, der kaum noch mit Larrys langen Beinen Schritt halten konnte. Larry, dem aufgefallen war, wie Mary strahlte, wenn sie Troy ansah, zuckte nur mit den Schultern. Da blieb Mary jäh vor einem Tisch stehen, auf dem glitzernde Kostbarkeiten ausgebreitet waren. Sie schaute auf die Ringe, die Armbänder, Ohrringe, Ketten und Antiquitäten, die vor ihr lagen. Neben ihr stand ein Mann, der von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet war. Er hielt gerade einen Gürtel in seinen Händen, der Marys Aufmerksamkeit erregte. Neugierig trat sie näher und der Mann hob den Kopf. Mary sah in sein Raubvogelgesicht und erschrak: Die schwarzen Augen dieses Mannes funkelten sie gefährlich an ... und da stand bereits Troy an ihrer Seite. Mary kam es vor, als ob die beiden Männer – der eine so dunkel, der andere so hell – sich mit ihren Augen duellierten.