Mary und das Geheimnis der Kristallpaläste. Elfriede Jahn

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Mary und das Geheimnis der Kristallpaläste - Elfriede Jahn

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hatte sie noch nie gesehen! Der Gürtel schien sehr alt zu sein. Er war aus fein bearbeitetem Silber und hatte die Form einer Schlange, auf deren Kopf drei bunte Kristalle funkelten. Schloss man die Schnalle, sah es aus, als ob sich die Schlange in ihren eigenen Schwanz biss. Der Händler, von dem bisher nichts zu sehen gewesen war, trat hervor, und Mary bemerkte erstaunt, dass er sehr ärgerlich war. Da fauchte er sie auch schon in ihrer Sprache an: „Dieser Gürtel ist nicht für Touristen bestimmt!“

      „Weshalb nicht?“, fragte Mary, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen.

      „Weil er übernatürliche Kräfte besitzt. Wer diesen Gürtel annimmt, wird Schutz und Führung erhalten, solange er ihn trägt. Der Gürtel wartet schon lange auf seinen rechtmäßigen Besitzer und niemand außer ihm kann ihn anlegen.“

      Seltsamerweise erinnerte der aufgebrachte Händler Mary an Mrs Toth. Einerseits sprach er freundlich, andererseits schwangen in den Gesten, mit denen er seine Rede unterstrich, und in seiner Stimme etwas mit, was Mary Angst machte. Sie sah sich den Mann genauer an. Die gute Mrs Toth war nur neugierig, aber dieser Mann, das erkannte Mary, war genauso gefährlich wie der schwarze Mann gerade eben. Auch er war groß und hager, hatte eine scharf geschnittene Nase und in seinen Augen funkelte dieselbe Bosheit.

      Mary hatte jedoch nicht vor, sich einschüchtern zu lassen. Ruhig sagte sie: „Ein Schutzgürtel ist genau das, was ich suche.“

      Die Lippen des Händlers verzogen sich zu einem höhnischen Grinsen, und Mary konnte sehen, dass seine Vorderzähne wie der Schmuck, den er verkaufte, mit Silber überzogen waren. Das sah so unheimlich aus, dass sie unwillkürlich zurückwich. Larry war irgendwohin verschwunden und Troy konnte Mary ebenfalls nirgendwo entdecken. Doff, der neben Mary stand, ärgerte sich über den Mann mit den Silberzähnen. Energisch griff er nach dem Gürtel, der Mary so gut gefiel. Da packte der Händler blitzschnell mit einer Hand zu und drückte Doffs Hand mit aller Kraft zusammen. Doffs Augen wurden trübe vor Schmerz. Er schrie laut auf und ließ den Gürtel fallen. Bevor der Händler reagieren konnte, beugte Doff sich nach vorn und biss ihn in die Hand, woraufhin der Mann wütend aufschrie und Doffs Hand losließ.

      Mary wusste nicht, was sie tun sollte. Da war Troy plötzlich wieder an ihrer Seite. Marys Augen weiteten sich erstaunt, als sie wahrnahm, dass Troy mit einem Mal um vieles älter und größer wirkte. Wieder erschien es ihr, als ob vor ihren Augen ein stummes Duell ausgefochten wurde, dann sackte der Händler in sich zusammen. Von einem Augenblick zum anderen war er nicht mehr ärgerlich, sondern äußerst beflissen. Er verbeugte sich tief und hielt Mary mit beiden Händen den Gürtel hin.

      Sie zögerte, ihn anzunehmen, und Troy sagte ruhig: „Nimm ihn, Mary. Er ist für dich. Denn du bist diejenige, für die dieser Gürtel bestimmt ist.“

      Erstaunt nahm Mary den Gürtel, der sich in ihrer Hand anfühlte, als wäre er lebendig. Ihr fiel auf, dass zwei Silberfassungen leer waren. Zwei Steine fehlten also, das tat der Schönheit des Gürtels allerdings keinen Abbruch. Dann runzelte sie die Stirn. Was sie für drei Glassteine gehalten hatte, waren in Wirklichkeit Edelsteine: Ein roter Rubin, ein blauer Saphir und ein grüner Smaragd leuchteten miteinander um die Wette.

      „Ja, die Steine sind echt“, bestätigte Troy, der zu Marys Erleichterung wieder so aussah wie immer.

      „Er ist viel zu kostbar“, flüsterte Mary, doch Troy, der um den Wert des Gürtels wusste, hielt bereits ein dickes Geldbündel in der Hand, das er dem Händler reichte, der es an sich nahm.

      „Diese edlen Steine haben eine besondere Kraft. Sie werden dir noch sehr nützlich sein ...“, erklärte Troy. Dann half er Mary, die überglücklich war, den Gürtel anzulegen. Mit einem satten „Klick“ rastete die Gürtelschnalle ein.

      „Er ist wie für dich gemacht.“ Troy lächelte. Tatsächlich schmiegte sich der Gürtel so perfekt um Marys schmale Taille, als wäre er für sie angefertigt worden.

      Troy runzelte die Stirn. „Wir wollen nicht mehr Aufmerksamkeit erregen als nötig“, sagte er und zupfte an dem himmelblauen Stoff von Marys Kaftan, sodass er locker über den Gürtel fiel. Er trat einen Schritt zurück und lächelte. „Das hat auch den Vorteil, dass du nicht über deinen schönen Kaftan stolperst. “

      Mary senkte die Augen, und Troy sah sie liebevoll an. Er nahm ihre Hand in seine und Mary hob den Kopf. Troys Augen waren jetzt sehr ernst.

      „Eines musst du mir versprechen, Mary. Du darfst diesen Gürtel nicht ablegen, bevor deine Aufgabe beendet ist. Unter keinen Umständen! Das ist sehr wichtig. Bitte versprich mir, dass du immer daran denken wirst und dass du den Gürtel niemals abnimmst.“

      Und Mary, die Troys Ernsthaftigkeit beeindruckte, versprach, das nicht zu vergessen.

      Doff hatte alles mit kugelrunden Augen verfolgt. Er war begeistert davon, dass Mary einen Zaubergürtel erhalten hatte, seine Hand tat jedoch entsetzlich weh. Er stöhnte auf und Mary wandte sich ihm zu. Da ergriff Troy Doffs Hand, der wieder vor Schmerz aufschrie und dann sogleich fühlte, wie seine Hand sehr warm wurde und der Schmerz plötzlich wie weggeblasen war. Doff war so verblüfft, dass es ihm die Sprache verschlug. In diesem Augenblick stieß Larry wieder zu ihnen, er war außer Atem.

      „Geschichten aus Tausendundeiner Nacht!“, rief er und schwang ein zweites Päckchen. „Auf Englisch! Ist doch die passende Reiselektüre, oder?“ Er kicherte, aber dann bemerkte er, dass etwas vorgefallen sein musste.

      „Was ist los?“, fragte er besorgt.

      Doff, der immer noch verdattert auf seine Hand sah, öffnete schon den Mund, um Larry von dem Mann mit den Silberzähnen und dem Zaubergürtel zu erzählen, da legte Troy seinen Arm um Doff und sagte zu ihm: „Komm, mein Freund. Du hast dir eine süße Belohnung verdient.“

      Mary hakte sich bei Larry unter. Troys ernsthafte Worte hatten sie an den Zweck ihrer Reise erinnert. Während sie Troy und Doff folgten, erzählte sie Larry, was vorgefallen war, und ließ ihn einen kurzen Blick auf den Gürtel werfen. Larry wurde sehr nachdenklich. Zum ersten Mal, seit er sie kannte, hatte ein anderer Mary beschützt. Die Tatsache, dass Troy jetzt seine Rolle übernommen hatte, bedrückte Larry, und er begriff, dass ihre Reise weit mehr als ein faszinierendes Abenteuer war. Vor ihnen lagen Veränderungen, deren Tragweite sie noch gar nicht abschätzen konnten. Bevor sie den Basar verließen, zeigte Troy Doff einen Stand mit Süßigkeiten und drückte ihm einige Geldscheine in die Hand. Und als Doff zu ihnen zurückkehrte, schwenkte auch er ein zweites Päckchen in der Hand.

      „Das ist zwar kein magischer Schmuck!“, rief er strahlend. „Aber hier gibt es ja noch andere Geheimnisse zu entdecken. Ihr ahnt gar nicht, was man alles in Honig tunken und in Sesam wälzen kann.“

      Großzügig wie selten – denn bei Süßigkeiten war Doff eigen und kannte keinen Spaß –, bot er allen an zuzugreifen, doch Troy winkte ab. Sie hatten noch etwas sehr Wichtiges vor und es war schon spät geworden.

      Unter Troys Führung machten sich die Freunde wieder auf den Weg zurück zu ihrer Unterkunft und gerieten dabei auf eine kleine Straße, in der es viele Trekking-Agenturen gab. Zielstrebig steuerte Troy auf eines der Geschäfte zu, in deren Auslagen Fotos vom Himalaja-Gebirge zu sehen waren. Bhakti und Shakti, die diese Agentur betrieben, waren Brüder. Wie Troy waren sie Ende zwanzig. Sie sprachen fließend Englisch, da sie drei Jahre bei ihrer Tante in London gelebt hatten, und waren die jüngsten Anbieter von Trekking-Touren in der Stadt. Zugleich hatten sie die meiste Erfahrung. Es war den Brüdern eine Freude und Ehre, die fremden jungen Leute auf ihrer Reise durch ihr Land zu begleiten.

      Es war Abend geworden. Ihr erster Tag in Pakistan neigte sich dem Ende zu und vor ihnen lag die erste Nacht in diesem fremden Land. Zu Hause,

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