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Er versicherte ihnen, sie würden genügend Zeit haben, sich auf die Bedingungen im Gebirge einzustellen, und damit war die Fragestunde beendet. Troy hob die Hand und ihr Taxi blieb stehen.
„Endstation“, sagte er, öffnete die Tür und half Mary beim Aussteigen.
Während Troy den Fahrer bezahlte, sahen sich die drei überrascht um. Die lange Fahrtzeit war so rasch vergangen, und es war ihnen gar nicht aufgefallen, dass sie sich bereits in einem völlig anderen Stadtteil von Islamabad befanden.
„Seht nur, ein Markt!“, rief Mary.
Larry und Doff erhaschten nur einen kurzen Blick auf das bunte Gewimmel am Ende einer kleinen und engen Straße, die sich zu einem weiten Platz öffnete.
„Den besuchen wir später“, sagte Troy und schob sie zu einem kleinen Gebäude, dessen Fensterläden zur Straße hin geschlossen waren.
„Eine Jugendherberge“, sagte Larry und deutete auf die mehrsprachige Tafel neben der Eingangstür.
„Ist dir das exotisch genug?“, blinzelte Mary Doff zu, nachdem sie die Eingangshalle betreten hatten.
„Das ist Zedernholz“, flüstere Larry, der die Läden bewunderte, in die Formen geschnitzt waren, durch die das Tageslicht fiel und so Rauten und Sterne auf Wände und Boden zauberte.
Troy unterhielt sich an der Rezeption mit einem hageren, bärtigen Mann, der einen blauen Turban trug. Er sah aus wie ein Inder, hatte aber eine Hakennase.
„Ich glaube, er ist ein Sufi“, flüsterte Larry Doff zu, der ihn fragte, was das sei. „Ein arabischer Mystiker“, erklärte Larry leise, als der wache Blick des Mannes auf sie fiel. Er wirkte zwar freundlich, allerdings auch sehr bestimmt, und Larry verstummte.
Troy brachte sie in den ersten Stock und wies ihnen ihre Zimmer zu. Mary und er selbst hatten je eines für sich, Larry und Doff schliefen in einem Raum. Zu ihrer Erleichterung sahen sie, dass die Fenster ihrer Zimmer auf einen kleinen, schattigen Innenhof hinausgingen. In den kleinen Räumen, in denen es nur Holzbetten, einen Tisch, zwei Sessel und ein Waschbecken gab, war es angenehm kühl.
„Ihr seid bestimmt hungrig“, sagte Troy. „Ruht euch eine Stunde aus und dann essen wir einen Happen und gehen anschließend auf den Markt.“
Damit waren alle einverstanden, besonders Doff, dem schon jetzt der Magen knurrte, aber sie waren auch sehr erschöpft und so versanken die drei Freunde schon bald in einen kurzen Schlaf, der jedem einen Traum schenkte.
Mary träumte von ihren Eltern. Sie waren lebendig und wieder doch nicht und sahen genauso aus, wie sie sie in Erinnerung hatte. Hand in Hand kamen sie auf Mary zu, die auf einer Waldlichtung stand. Es war kein gewöhnlicher Wald, denn jeder dieser Bäume hatte ein Gesicht, das ihr zulächelte. Eine leichte Brise ließ ihre Zweige tanzen, wodurch ihr die Blätter zuwinkten. Marys Mutter lächelte. In der Hand hielt sie ein Kästchen, das sie Mary reichte.
„Darin befindet sich ein Schlüssel“, hörte sie ihren Vater sagen.
„Du darfst ihn erst verwenden, wenn du weißt, wofür der Schüssel ist“, sagte ihre Mutter und strich Mary zärtlich übers Haar.
Dann verschwanden ihre Eltern und der Wald war ebenfalls nicht mehr zu sehen. Mary blieb allein mit dem Kästchen zurück, das sie an ihr Herz drückte, worin sie es in Gedanken verwahrte.
Auch Larry träumte von einem Wald, in dem er etwas suchte, es jedoch nicht fand. Er kam an großen, mit Moos bewachsenen Steinen vorüber, die ihm etwas in einer Sprache sagen wollten, die er nicht verstand. Einmal glaubte er, in einem Schatten seine Mutter zu erkennen. Sie öffnete den Mund und rief etwas, aber ein starker Wind verwehte ihre Worte. Larry war sich nicht sicher, ob seine Mutter lachte oder weinte. Er hatte das Bedürfnis, sie zu trösten.
Hinter ihm raschelte es. Aus einem Dornbusch trat ein sehr alter Mann mit einem sehr langen, weißen Bart, der ihm zuwinkte und ihm bedeutete, ihm zu folgen. Larry gehorchte und fand sich in einer Höhle wieder, in der große Kristalle von der Decke herabwuchsen. Der Alte hockte sich auf den Boden.
„Du bist jetzt mein Schüler“, sagte er und Larry setzte sich zu ihm und lauschte seinen weisen Worten.
Und Doff träumte, dass sich eine Fee auf seiner Nasenspitze niedergelassen hatte, die ihn an den Ohren kitzelte. Er lag auf dem Rücken im Gras und konnte sich nicht bewegen. Das war schlimm für ihn, weil vor seiner Nase eine Marzipanpraline baumelte, die ein Troll auf dem Haken an einer Angelschnur aufgespießt hatte. Er wollte etwas sagen, aber die Fee legte den Finger auf die Lippen. Sie sah aus wie Mary, nur viel kleiner.
Plötzlich sah Doff sich auf einem Diwan liegen. Er war hungrig und durstig. Um ihn herum standen auf kleinen Tischchen Leckereien und Kannen mit süßen Säften, doch er konnte sie nicht erreichen. Da öffnete sich die Tür und seine vier Geschwister sprangen herein. Sie herzten und küssten ihn und gaben ihm zu essen und zu trinken, worüber die kleine Fee ebenso froh war wie er selbst.
Alle drei wachten sie wie auf ein inneres Kommando hin gleichzeitig auf und da klopfte auch schon Troy an ihre Türen. In dem kleinen Frühstücksraum neben der Rezeption aßen sie Fladenbrot, Käse und Obst. Seltsamerweise waren sie nicht mehr sehr hungrig, nicht einmal Doff.
„Ich hab geträumt!“, rief Doff.
„Ich auch“, sagten Mary und Larry wie aus einem Mund.
„Ich kann mich allerdings nicht mehr an meinen Traum erinnern“, fügte Doff hinzu.
„Das tust du doch nie“, neckte Mary Doff. Doch dann gab sie zu, dass sie sich ebenfalls nicht erinnern konnte, und Larry ging es genauso.
„Wozu sind Träume dann gut?“, fragte Doff Troy.
„Träume sind Geschenke deiner Seele. An deine wichtigen Träume wirst du dich erinnern, wenn es notwendig ist“, sagte Troy und das klang ein wenig geheimnisvoll.
Auch Mary hatte eine Frage: „Sind wir hier die einzigen Gäste?“ Außer dem Mann an der Rezeption hatten sie niemanden gesehen und in der Herberge war es seltsam still. „Zu still“, dachte Mary.
„So hat es den Anschein“, sagte Troy vage und stand auf.
An der Rezeption gaben sie ihre Pässe und Zimmerschlüssel ab. Als sie gut gelaunt auf die Straße hinaustraten, stand die Nachmittagshitze wie eine Wand vor ihnen. Sie hielten sich im Schatten der Häuser und erreichten nach nur wenigen Schritten den Marktplatz. Um Marktstände, die Lebensmittel, Obst und Gemüse anboten, drängten sich Frauen, die Kopfschleier trugen, und Männer mit von Wind und Wetter gegerbter Haut, alle bärtig und mit verschiedenfarbigen Kappen, aber auch Pakistani und Touristen in europäischer Kleidung.
Mary und Troy gingen voraus. Mary hatte ihr blondes glänzendes Haar unter ihrer Schirmmütze verborgen, wodurch sie beinah knabenhaft und jünger wirkte. Dennoch streiften sie hin und wieder verstohlene Männerblicke, was Larry wütend machte. Ihm fiel jedoch auch auf, dass die Blicke der Männer, sobald sie Troys Augen begegneten, seltsam leer wurden ... fast so, als ob ihre Gedanken jäh gelöscht würden.
„Ich bin gut beschützt“, dachte Mary, die eine aufmerksame Beobachterin war. Wie schon am Flughafen lag wieder eine kleine Insel der Ruhe, auf die nicht einmal eine Rasselbande bettelnder Jungen vordringen konnte, um Troy. Aus