Mary und das Geheimnis der Kristallpaläste. Elfriede Jahn
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Mary und das Geheimnis der Kristallpaläste - Elfriede Jahn страница 5
„Was bedeutete dieses Flammenschwert?“, fragte sie und schüttelte den Kopf. „Ich muss mehr darüber wissen. Am liebsten möchte ich die Reise gleich beginnen.“
Ihre Augen leuchteten, als sie Larrys Hand ergriff, und sie rief: „Komm, Larry, wir müssen jetzt zurückfahren.“
Doff kaute gerade missmutig an einer langen Lakritzenschnur. Er hockte auf einem Baumstrunk in der Bucht und fühlte sich so einsam wie schon lange nicht mehr. Master Ruppy hatte ihm einen endlosen Vortrag über die stille Freude gehalten, die man empfinde, wenn man sich ganz und gar dem Beruf des Leichenbestatters widme. Danach war er ausführlich auf die Krisensicherheit seines Berufes eingegangen und hatte Doff zu dessen Entsetzen durch den Schauraum mit den offenen Särgen geschoben.
Doff schüttelte sich. Er brauchte dringend seinen Freund, aber er hatte Larry nirgendwo entdecken können, und Mary war in der Schule. Frustriert hatte er sich in dem Laden am Hauptplatz mit so viel Süßigkeiten eingedeckt, wie er sich leisten konnte, und das war nicht gerade wenig, weil ihm sein Onkel – wohl wegen der Aussicht, ihn bald unter seinen Fittichen zu haben – großzügig ein paar Pfund zugesteckt hatte.
Doff wünschte sich so weit wie möglich fort von Lysardh Fount und seinem Onkel. Während er seine Tüten leerte, starrte er trübselig in den Himmel. Danach zählte er die Krähen, doch ihr aufgeplustertes schwarzes Federkleid erinnerte ihn nur wieder an Master Ruppy. Gequält schloss er die Augen. Als er sie wieder öffnete, leuchtete sein Gesicht. Endlich! Larrys Boot war in Sicht. Zu Doffs Überraschung war Mary auch an Bord. Das kränkte ihn, denn es bedeutete, dass sie ohne ihn auf St. Michael waren. Doch dann nahm er gerührt zur Kenntnis, dass die beiden sich ebenfalls riesig freuten, ihn zu sehen. Kaum hatten sie das Boot an Land gezogen, da stürzten sie sich auf ihn und umarmten und drückten ihn.
„Du wirst jetzt Leichenbestatter“, kicherte Mary und Doff, der gute Miene zum bösen Spiel machte, knurrte verlegen: „Nur über meine Leiche!“
„Was wolltet ihr denn auf der Insel? Und wieso war ich nicht dabei?“
Ein Blick in Marys Gesicht, das plötzlich einen ernsten Ausdruck hatte, sagte Doff, dass etwas Wichtiges vorgefallen sein musste. Auch Larry, der zu bedenken gab, dass er das Boot zum Anlegesteg zurückbringen müsse, wirkte seltsam nervös, was gar nicht seine Art war. Neugierig bestürmte Doff Mary mit Fragen, doch sie winkte ab. Mary überlegte. Heute war Mittwoch. Laura spielte wie immer mit ihren Freundinnen in Corrdall Fort Karten, also würden sie im Haus ihrer Großmutter ungestört sein.
„Wir gehen zu mir“, schlug sie vor und alle waren einverstanden. Larry stieg wieder ins Boot und Mary und Doff machten sich an den Aufstieg durch die Klippen.
Um diese Tageszeit wirkte Lysardh Fount wie ausgestorben. Nicht einmal von Emily war etwas zu sehen, doch das war gut so, weil sie so wenig Aufsehen erregen wollten wie möglich. Immerhin war es ein normaler Schultag und gute Nachbarschaft hatte den Nachteil, dass jeder alles vom anderen wusste oder wissen wollte, und Emily war dabei keine Ausnahme, wie Mary aus eigener Erfahrung wusste.
Erst nachdem sie sich in Lauras Cottage um den runden Tisch versammelt hatten, weihte Mary Doff ein.
„Gut“, sagte er, zufrieden darüber, dass sein ungesprochenes Gebet erhört worden war. „Wann soll’s losgehen? Wir müssen doch jemanden retten, oder?“ Dabei steckte er sich das letzte Stück Marzipan in den Mund.
Mary lachte. „Wenn du so weitermachst, Doff, müssen wir dich bald durch die Gegend rollen.“
In Erinnerung an einen Hinweis, den er dem sprachgewandten Larry verdankte, konterte Doff: „Besser dick als doof.“
Larry verzog gequält sein Gesicht, aber Mary dachte, dass es einer von Doffs liebenswertesten Zügen war, dass er es niemandem nachtrug, wenn er sich über seine Dickleibigkeit oder Naivität lustig machte. Selbst für jeden Spaß zu haben, war er auf eine Weise großzügig, die sie immer wieder erstaunte.
„Also, was machen wir jetzt?“, wollte Doff wissen.
„Wir warten auf den nächsten Hinweis“, sagte Mary, die selbst noch keine Ahnung hatte, wie das alles gemeint war. „Oder was denkst du?“, wandte sie sich an Larry, der zustimmend nickte.
„Was auch kommt, wir bleiben zusammen!“
„Klar“, stimmte Doff kauend zu, doch Larry murmelte undeutlich: „Wir werden sehen.“
Mary streckte ihre Hände bis zur Mitte des kleinen Tisches aus und Larry und Doff legten ihre Hände auf ihre. Mit diesem kleinen Ritual besiegelten und erneuerten sie ihre Freundschaft – doch diesmal schloss Mary dabei die Augen, hob leicht den Kopf und ließ die Schultern fallen. Doff schielte zu Larry hinüber und sah, dass auch er die Augen geschlossen hatte, schluckte das letzte Marzipanstück hinunter und tat es ihnen gleich. Ihre Hände begannen zu pulsieren. Sie spürten eine vibrierende Kraft, die durch ihre Körper aufstieg und dabei zunahm. Ein Energiekreis bildete sich, eine Art schützender Bannkreis, und sogar die Luft, die sie umgab, schien zu knistern. Sie hatten keine Ahnung, wie lange sie die Spannung halten konnten, bis sich, wie auf ein unhörbares Kommando hin, ihre Hände lösten und sie ihre Augen wieder öffneten.
„Cool!“, flüsterte Doff.
Larry murmelte leise: „Wahnsinn!“, und Mary rief: „Das war unglaublich!“
In diesem Augenblick öffnete sich die Tür zum Wohnzimmer und Laura trat ein. Sie war klatschnass.
„Ich hatte Glück! Den ersten Bus hab ich versäumt, der nächste wäre erst in vierzig Minuten gekommen. Und dann dieser Wolkenbruch. Wie aus dem Nichts. Keine Möglichkeit, mich unterzustellen, keine Autos, die ich hätte anhalten können. Dann kam irgendwann Gott sei Dank Mr Griffin mit seinem Polizeiauto vorbei und hat mich mitgenommen.“
Larry sprang auf und half Laura aus der nassen Jacke, Doff nahm ihr die Tasche ab, und Mary lief in die Küche, um den Wasserkessel aufzusetzen.
„Ein Wolkenbruch?!“, rief Mary fragend durch die offene Tür. „Sonst sieht man doch, wenn sich ein Unwetter zusammenbraut.“
„Ja, habt ihr denn nichts gemerkt?“, fragte Laura erstaunt, bevor sie im Badezimmer verschwand, um sich umzuziehen. „Es hat geblitzt. Und wie! Direkt über dem Dorf.“
„Es war wie vor einem Gewitter!“, platzte Doff heraus, „Nur stärker und wir ...“ Verwirrt verstummte er, als ihm Mary und Larry bedeuteten, den Mund zu halten.
„Was war vor dem Gewitter?“
„Nichts, Laura!“, rief Mary und schob Larry und Doff rasch in Richtung Eingangstür, wobei sie flüsterte: „Wir treffen uns jetzt jeden Tag gegen vier Uhr nachmittags in der Höhle, unserem Versteck in der Nähe vom Bootshaus. Falls einer von uns nicht kommen kann, sehen wir uns am nächsten Morgen vor der Schule.“
Erleichtert schloss Mary die Tür hinter den beiden und drehte sich um. Vor ihr stand ihre Großmutter im Bademantel und frottierte sich das Haar. Obwohl Laura schon so alt war, hielt sie sich sehr gerade, und ihr Gesicht zeigte trotz der vielen Falten immer noch die Spuren großer Schönheit. Einen Augenblick lang kam es Mary vor, als ob sie sich in den Augen ihrer Großmutter spiegelte, die nachdenklich auf ihre Enkelin gerichtet waren. Sie