Mary und das Geheimnis der Kristallpaläste. Elfriede Jahn

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Mary und das Geheimnis der Kristallpaläste - Elfriede Jahn

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sagst ja gar nichts“, flüsterte Mary.

      Der raue Wind hatte ihre Wangen gerötet. Als Larry in ihre schönen Augen sah, hätte er Mary am liebsten sofort gesagt, dass auch er weit weg wollte, und zwar mit ihr und so bald als möglich. Sie war wie er noch sehr jung, aber schöner und klüger als alle Mädchen, denen er bisher begegnet war. Etwas gemeinsam zu unternehmen, das wichtiger war, als mit einem Boot ein und dieselbe Strecke unentwegt hin- und herzufahren oder im Ort mit der Post im Kreis herumzulaufen, erschien Larry äußerst verlockend. Doch er war schüchtern, und so murmelte er nur verlegen: „Du sagst ja auch nichts.“

      „Hast du über meine Erscheinung nachgedacht?“, fragte Mary, und Larry, schon bereit, alles zu erzählen, was er gerade dachte, begann: „Wenn ich ehrlich bin ...“

      Mary fiel ihm ins Wort: „Ist schon okay, Larry. Wenn ich ehrlich bin, ist die Vision schon wieder so weit weg, dass ich mich frage, ob es vielleicht doch nur ein komischer Traum war.“

      Unbefangen nahm sie seine Hand und Larrys Herz schlug plötzlich schneller. Widerstandslos ließ er sich von Mary den kleinen Hügel zur Kapelle hinaufziehen. Die Kapelle war verschlossen. Etwas von der alten Mary kam zum Vorschein, als sie lachend rief: „Ich will da hinein! Nachdem ich von einer anderen Dimension den Auftrag erhielt, die Menschheit zu retten, muss ich da hinein!“

      Oh ja! Sie konnte sich auf ihn verlassen! Denn Larry, der auch den Küster des Dorfes mit seinem Boot nach St. Michael übersetzte, wusste, wo der Ersatzschlüssel lag. Im Nu stand die Tür offen und sie betraten die Kapelle, in der es, abgesehen von einigen Sonnenstrahlen, die durch die beiden kleinen Seitenfenster fielen, dunkel war. Sie fielen auf ein in Leder gebundenes Buch, das aufgeschlagen auf dem Stehpult vor dem Altar lag. Mary und Larry nahmen auf der letzten der fünf Bänke Platz. Von draußen drang kein Laut in die Kapelle, nicht einmal ein Vogelruf. Der schwache Duft von Weihrauch unterstrich die ruhige und friedliche Stille des kleinen Heiligtums.

      „Hast du die Zündhölzer dabei?“, flüsterte Mary, und Larry kramte in seiner Jackentasche und reichte sie ihr.

      „Wo muss ich hier Münzen für die Kerzen einwerfen?“, erkundigte sich Mary.

      Larry, ganz Gentleman, stand schon neben ihr und es klimperte in der Spendendose. Drei Kerzen zündete Mary an. Larry warf noch etwas Geld in die Büchse, dann setzten sie sich beide wieder in die Bank. Eine Weile saßen sie nur schweigend da, dann stand Mary auf, und Larry dachte, sie wolle die Kapelle verlassen. Aber Mary, die der Weihrauchduft an Ernestino erinnerte, ging zum Altar, über dem ein großes, eindrucksvolles Bild hing. Sie konnte kaum etwas sehen, wusste allerdings, dass es den Namenspatron der Insel, den heiligen Michael, beim Kampf gegen einen gefährlichen Widersacher darstellte. Unter dem Bild standen zwei Vasen mit kümmerlichen Plastiklilien. Dann fiel Marys Blick auf das Buch, das auf dem Pult lag, vor dem sie jetzt stand. Erstaunt bemerkte sie, dass es auf der Seite aufgeschlagen war, auf der das gleiche Bild wie über dem Altar zu sehen war. Michael trug ein mächtiges Schwert – und, als Mary daraufsah, wurde es zu einem flammendem Lichtschwert, das so hell aufblitzte, dass sie geblendet die Augen schließen musste. Mary taumelte und sofort war Larry bei ihr. Er konnte das Aufflackern des Lichts gerade noch sehen, bevor es wieder erlosch. Eine Sekunde lang starrte er verblüfft auf das Schwert in der Hand des Heiligen, dann nahm er Marys Hand und gemeinsam gingen sie aus der Kapelle heraus.

      „Was um Himmels willen war denn das?“, keuchte Larry, während er mit zittrigen Fingern die Tür abschloss und den Schlüssel wieder an seinem gewohnten Platz versteckte.

      Mary holte tief Luft. „Ich bin so froh, dass du bei mir bist, Larry“, sagte sie und drückte fest seine Hand. „Ich würde sonst selbst glauben, dass ich verrückt bin. Das war genauso unglaublich wie die Erscheinung, die ich hatte. Glaubst du mir jetzt?“

      „Ich hab dir immer geglaubt“, verteidigte sich Larry, „Es ist nur ...“

      Mary schien ihn nicht zu hören. Als Larry sie ansah, stand Mary an seiner Seite und blickte aufs Meer. Sie schien ihm wie zur Salzsäule erstarrt.

      „Was, was ist los ...?“, wollte Larry gerade fragen, als Mary abwinkte.

      „Schhhh! Hör doch mal!“, forderte sie ihn auf.

      Larry folgte ihrem Blick hinaus aufs Wasser und lauschte. Doch da war nichts, er hörte und sah nichts.

      „Da ist nichts. Ich weiß nicht, was du meinst“, sagte er, und Mary nickte langsam.

      „Genau, da ist nichts ... es ist totenstill, viel zu still! Gerade eben war es noch windig, die Wellen klatschten gegen die Felsen und die Äste der Bäume knarrten im Wind. Und jetzt ... nichts!“

      Erst jetzt fiel Larry auf, dass sie recht hatte. Kein Lüftchen war mehr zu spüren, das Meer lag plötzlich völlig ruhig vor ihnen, kein Geräusch war zu hören ... Das war merkwürdig und irgendwie unheimlich. Mary wagte kaum zu atmen, irgendetwas ging hier vor. So etwas hatte sie noch nie erlebt. Es war, als wäre die Stille aus der Kapelle mit ihnen hinaus ins Freie getreten und hätte nun alles verstummen lassen. ... Plötzlich war ein Schrei zu hören. Mary fuhr zusammen und drehte sich um, um festzustellen, aus welcher Richtung der Schrei gekommen war.

      „Komm mit, komm mit!“, wieder hörte sie den schrillen Ruf, und diesmal war er so laut, dass sie sich vor Schreck die Ohren zuhielt.

      „Mary, was ist los, ist alles in Ordnung? Mary, sag doch was!“ Larry beunruhigte das Verhalten seiner Freundin. Er wollte sie gern hier fortbringen ... irgendetwas ging heute vor und was, das konnte er noch nicht einordnen.

      „Alles in Ordnung, es war nur gerade einfach zu laut, dieser Schrei, wo ist der nur hergekommen?!“ Mary hatte sich wieder gefangen und schaute sich abermals suchend um.

      „Welcher Schrei, wovon sprichst du, es ist totenstill hier.“ Larry war ganz offensichtlich verwirrt, denn er hatte nichts gehört, und Mary sah ihn erstaunt an.

      „Willst du damit sagen, dass du das gerade nicht gehört hast?“, fragte Mary verwirrt und erzählte Larry von dem Schrei, den sie vernommen hatte, doch ihr Freund blieb ratlos, er hatte nichts gehört.

      „So wie du es mir beschreibst, klingt das ganz nach dem Ruf eines Steinkauzes ... du weißt schon, der Totenvogel.“ Larry kannte diese Vögel, ihren Ruf und wusste, was der Volksmund über diese Tiere sagte: Ihr Ruf sei ein Zeichen dafür, dass in naher Zukunft jemand den Tod finden würde.

      „Ja, du könntest recht haben, aber diese Vögel sind nachtaktiv, und ... warum habe nur ich allein ihn gehört?“, fragte sich Mary. In diesem Augenblick setzte der Wind wieder ein, die Wellen schlugen geräuschvoll gegen die Felsen und die Bäume wiegten ihre Äste im Wind. Alles war wieder genauso wie zuvor, als wäre es nie anders gewesen. Larry war noch immer etwas unheimlich zumute, doch er wollte Mary auf jeden Fall beistehen, auch wenn das heißen würde, dass künftig noch mehr solche Situationen auf ihn zukommen würden. Er betrachtete Mary aus den Augenwinkeln heraus: Ihre Wangen waren gerötet vor Aufregung und sie sah wunderschön aus. Er legte seinen Arm um ihre Schultern und drückte sie freundschaftlich an sich.

      „Ich werde dich immer beschützen, egal was passiert!“

      „Versprochen?“ Mary lächelte ihn an.

      „Großes Ehrenwort! Ich lass dich nicht im Stich, egal was kommt. Und ich versprech dir sogar noch etwas: Wenn das alles geschafft ist und du deine Aufgabe erfüllt hast, werd ich dich heiraten und dann bau ich uns hier ein wunderschönes Haus mit Blick aufs Meer.“

      Mary lachte und

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