Das Gemälde von Pfalzel. Anna-Lena Hees
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An jenem Tag, an dem er diesen Entschluss fasste, notierte er seine Ideen auf einem Zettel und steckte ihn in die Hosentasche. Er würde Onkel Klaus an Heiligabend fragen und am zweiten Weihnachtsfeiertag ins Pfalzeler Quartier ziehen.
Der Heilige Abend wurde im engsten Familienkreis gefeiert. Klaus war natürlich auch dabei. So gesellte sich Markus in einem günstigen Moment zu seinem Verwandten und schaute ihm tief in die Augen. »Es war schön, als wir zusammen jagen gingen. Wir könnten doch mehr Zeit miteinander verbringen. Findest du nicht?«
Klaus tat, als müsste er zunächst darüber nachdenken. Schließlich nickte er. »Was hast du dir denn genau darunter vorgestellt?«, fragte er.
»Nun, ich habe gedacht, die Zeit bis zum Jahreswechsel bei dir zu verbringen. In Pfalzel. Es würde mir sehr gefallen. Erlaubst du das?« Markus schaute seinen Onkel flehend an. Zu seiner großen Freude nickte Klaus schließlich erneut. »Warum nicht? Ich wohne ja immerhin alleine, da würde ich mich über Gesellschaft freuen.«
»Prima!« Markus strahlte. Sein Plan schien aufzugehen. Der Suche nach dem Bild und den damit verbundenen nächtlichen Streifzügen durch den historischen Ort stand nun nichts mehr im Wege.
»Wann möchtest du kommen?«, wollte Klaus wissen. Er blickte seinen Neffen herausfordernd an.
»Also«, begann Markus, »ich dachte da an den zweiten Weihnachtsfeiertag. Vielleicht auch einen Tag später. Ich entscheide spontan. Ist das in Ordnung?«
»Ja, klar. Warum denn nicht? Es ist abgemacht!« Klaus lächelte. Er wusste nicht, wie ihm geschah, als Markus ihn stürmisch umarmte. »Danke!«, sagte der 27-Jährige. »Du bist der Beste!«
»Ja, gerne«, murmelte Klaus leise. Er drückte seinen Neffen einige Minuten lang an sich. Markus spürte die Glücksgefühle durch seinen Körper strömen. Innerlich war er bereits ganz nervös, und er stellte sich die verrücktesten Fragen, bezogen auf dieses geheimnisvolle Gemälde. Er konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen, als er an sein Vorhaben dachte. Als sein Onkel ihn jedoch fragend ansah, winkte er ab. Was er vorhatte, war riskant. Deswegen wollte er seine Pläne geheim halten. Koste es, was es wolle. Das nahm er sich fest vor.
Schließlich stand der zweite Weihnachtsfeiertag vor der Tür, und Markus packte seine Tasche. Für die nächsten Tage ging es endlich zu Klaus nach Pfalzel. Markus konnte es kaum erwarten, dort anzukommen. Obwohl er mit dem Auto in der Regel knappe 15 Minuten bis Pfalzel brauchte, kam es ihm wie eine Ewigkeit vor, bis er in dem eher weniger bekannten Trierer Stadtteil ankam. Während er sich dem Trierer Stadtbezirk, der den Eindruck einer einsamen Insel erweckte, näherte, schossen ihm wieder die Gedanken an das Gemälde durch den Kopf. Er spürte, wie aufgeregt er war. Immerzu fragte er sich, ob es ihm tatsächlich gelang, die Nachricht in dem Bildnis entschlüsseln zu können. Ein paar Minuten später kam er im historischen Ortskern Pfalzels an. Klaus wohnte in einem anschaulichen Anwesen in der Golostraße, nahe des in der Münzstraße gelegenen Eingangs der Wallmauer. Hierüber betrat der alteingesessene Pfalzeler gerne die Befestigungsanlage und spazierte bis zum Pavillon, in dem vor einiger Zeit ein grausamer Mord geschehen war. Klaus wusste davon. Er war damals ziemlich betroffen gewesen, angesichts dieser drei Vorfälle, die sich auf Pfalzels imposantestem Bauwerk ereignet hatten. Es war schon über drei Jahre her, doch ihm kam es vor, als sei es erst gestern geschehen. In der letzten Zeit war es ruhig geblieben. Klaus hoffte inständig, dass es so schnell nicht zu weiteren Verbrechen kam, aber er wusste nicht, dass sein Gefühl ihn trügen sollte. Sein Neffe war auf dem Weg zu ihm und führte Böses im Schilde, worüber sich Markus selbst nicht einmal im Klaren war. Er parkte sein Auto an der Wallmauer. Von dort ging er zu Fuß weiter. Zur Golostraße war er wenige Minuten unterwegs. Schließlich betätigte er den Klingelknopf. Kurz darauf öffnete Klaus die Tür und begrüßte seinen Neffen mit einer überschwänglichen Umarmung.
»Hallo, wie schön, dass du da bist!«, rief der Jäger erfreut. »Hast du einen guten Parkplatz gefunden?«
»Ja, direkt an der Wallmauer, unten an der Mosel. Immer wieder schön hier!« Markus strahlte übers ganze Gesicht. »Danke nochmal, dass ich ein paar Tage bei dir verbringen darf. Zuhause fällt mir manchmal doch die Decke auf den Kopf.« Er seufzte.
Klaus lachte. »Ach, das ist doch kein Problem, mein lieber Neffe! Wir beiden werden eine schöne Zeit miteinander haben. Sag mir einfach, worauf du Lust hast, und wir machen es.«
»Danke«, sagte Markus lächelnd und ließ sich von seinem Onkel in die Stube ziehen. Am Fuß der Treppe stellte er seine Reisetasche ab und marschierte ins Wohnzimmer, wo er es sich sofort auf dem Sofa gemütlich machte. Der Raum war nicht sehr groß; eine Couch, ein Fernseher sowie ein kleiner Tisch passten trotzdem hinein. Über dem Sofa hing die Trophäe eines Hirsches, den Klaus selbst vor einigen Jahren erlegt hatte. Markus schaute sich um. Er war eine Weile nicht hier gewesen, doch die Umgebung kam ihm vertrauter vor denn je. Während er auf dem weichen Polster saß, überlegte er insgeheim schon, wo er das Gemälde platzieren könnte, falls er es in der kommenden Nacht bereits fand. Allerdings hatte er noch keine Idee. Daher beschloss er, sehr spontan zu handeln. Irgendwo konnte er das Kunstwerk gewiss unterbringen. Daran zweifelte er nicht. Schon jetzt spürte er, wie sein Herz kräftig pochte. Sicher die Aufregung, vermutete Markus. Er wusste schließlich nicht, welches Abenteuer ihm da bevorstand.
»An was denkst du gerade?« Klaus musterte seinen Neffen von oben bis unten.
»Ach, nichts. Das heißt, doch ... das Bild! Ich fühle mich ihm so nah!« Markus schaute seinen Onkel vielsagend an. Er hoffte, dass Klaus nicht gerade eins und eins zusammenzählte und verstand, weshalb sein Neffe wirklich da war. Leider durchschaute er ihn sofort. »Bist du deswegen hier?«, fragte er lachend.
»Nein, nein«, log Markus daher schnell. »Ich bin gekommen, um mit dir die restlichen Tage des Jahres zu verbringen.«
»Na, dann ... Ich dachte ja schon ...« Klaus erhob sich und ging hinüber zu dem Fenster, durch das er auf die Straße blicken konnte. Er genoss diese Aussicht. Jede noch so schmale Gasse dieses Ortes war etwas Besonderes. Immer wieder kam es ihm bei seinen Spaziergängen so vor, als befände er sich in einem anderen Land. Jede Straße war anders; insbesondere die Altbauten erweckten diesen Anschein. Für Klaus war es daher immer wieder eine Wonne, durch die schmalen Gassen Pfalzels zu gehen. Eine Weile dachte er daran, dann wurde er von seinem Neffen abrupt aus den Gedanken gerissen.
»Klaus? Warum bist du so still?«
»Ich? Ähm ...« Klaus legte den Zeigefinger an die Nase und tat, als müsste er überlegen, was er sagen wollte. »Es ist alles in Ordnung! Sag, möchtest du deine Tasche nicht ins Gästezimmer bringen und dann mit mir eine Runde durch den Ort drehen? In Pfalzel gibt es doch immer sehr viel zu sehen!«
»Von mir aus gern.« Markus schmunzelte. Nun stand er selbst vom Sofa auf und marschierte aus dem Wohnzimmer, geradewegs auf seine Reisetasche zu. Er schnappte sie und trug sie hinauf ins Gästezimmer, das er bereits wie seine linke Westentasche kannte. Hier hatte er schon sehr oft geschlafen, wenn er zu Besuch bei Klaus war. Seit er das letzte Mal ein wenig Zeit in Pfalzel verbracht hatte, waren viele Monate vergangen. Markus stellte fest, dass es jetzt tatsächlich wieder soweit