Das Gemälde von Pfalzel. Anna-Lena Hees
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Kapitel 3
Der erste Nachmittag verging sehr schnell. Markus und Klaus waren durch den Ort gewandert und hatten sich historische Bauwerke angeschaut. Insbesondere Stiftskirche und Wallmauer besuchten sie bei ihrem Spaziergang. Nach ein paar Stunden ging es wieder nach Hause, und es wurde lecker gekocht. Beide Männer kreierten ein winterliches Menü, bestehend aus Kartoffelpüree, Rotkohl und Gulasch. Es schmeckte fantastisch. Nun lag Markus im Bett und grübelte darüber, wie er in dieser Nacht vorgehen sollte. Nach einer weiteren, sorgfältigen Recherche über das Gemälde wusste Markus jetzt nicht nur, dass er es auf jeden Fall in Pfalzel fand; es gab dazu noch einen Anhaltspunkt darauf, wo er mit seiner Suche beginnen sollte. Klaus hatte das Bildnis zuvor kurz erwähnt und anschließend von einem Ehepaar berichtet, das er sehr gut kannte. Markus war zunächst nicht in der Lage, die zwei völlig unterschiedlichen Themen in einen Zusammenhang zu bringen, doch dann zählte er eins und eins zusammen. Da das Interesse an der verschlüsselten Nachricht gestiegen war und er es nach wie vor schaffen wollte, das Bild zu weiteren Forschungen in die Hände zu kriegen, war er davon überzeugt, es bei den Eheleuten Hansen zu finden. Berta und Ben wohnten in der Pfalzeler Straße, die nicht weit entfernt lag. Außerdem konnte man in Pfalzel überall zu Fuß unterwegs sein, da der Ort nicht sehr groß war. Zwischen 3.000 und 4.000 Einwohner lebten hier; die Zahlen variierten von Jahr zu Jahr. Den Statistiken zufolge umfasste der Trierer Stadtteil 237,2 Hektar. Markus dachte gerade an vorangegangene Recherchen, die er vor einigen Jahren bezüglich seines Interesses an Pfalzel getätigt hatte. Augenblicklich merkte er, wie froh er darüber war, in einem kleinen Ort wie Pfalzel seine Taten durchzuführen, da er längere Fußmärsche nicht leiden konnte. Da dachte er ungern an die gemeinsame Jagd mit Klaus zurück, die noch nicht so lange her war. Jetzt sollte Markus aber langsam einen Plan schmieden. Er überlegte, wann die Zeit reif sein würde, um das Haus zu verlassen. Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es jetzt noch viel zu früh war. Es war gerade mal 22 Uhr. Ihm schien es am besten, so lange abzuwarten, bis in Pfalzel die letzten Lichter hinter den Fenstern erloschen waren. Er schloss für einige Minuten die Augen, um etwas Kraft für die bevorstehende Aktion zu tanken. Nach einer Weile begann er zu zittern. Er atmete sehr flach. Die Ungewissheit, wie der Einbruch verlaufen würde, schien ihm die Luft abzuschnüren. Seine Gedanken zeigten ihm plötzlich Bilder, die er nicht sehen wollte. Sie schienen ihm zu prophezeien, dass er es nicht schaffen sollte, hinter die Geschichte im Bild zu kommen. Unruhig wälzte er sich hin und her. Schließlich schreckte er auf. Er hoffte, dass seine Vorstellungen nicht zur Realität wurden.
Es ging auf Mitternacht zu, als Markus aufstand und nach einem Sack suchte, der groß genug war, um das Gemälde darin verstauen zu können. Leider war es nicht einfach, auf die Schnelle irgendetwas zu finden. So griff er schließlich zu einem Rucksack, der an der Garderobe hing. Schnell schlüpfte er in Schuhe und Jacke, dann verließ er das Haus. Er lief die finstere Golostraße entlang, bis er sich in der Residenzstraße, direkt neben dem Amtshaus, befand. Dann bog er rechts ab und machte sich auf den Weg zur Pfalzeler Straße, die er nach wenigen Metern erreichte. Suchend schaute er sich nach dem Haus um, in dem Berta und Ben Hansen wohnten, und lief weiter geradeaus. Sein Herz pochte immer heftiger, je näher er diesem Anwesen kam. Im Nu stand er davor und zögerte einen Moment. Im oberen Stockwerk brannte noch Licht. Markus fluchte. Um sich die Zeit zu vertreiben, lief er die Straße rauf und runter. Schließlich wurde im Haus der Lichtschalter betätigt. Alles war dunkel. Nach einigen Minuten kehrte Markus zurück und versuchte, mit seinen klammen Fingern die Tür zu öffnen. Vergeblich! »Scheiße!«, fluchte er und überlegte, was er weiterhin machen könnte. Schließlich fiel sein Blick auf ein Fenster, das ihm am nächsten war. Er setzte ein breites Grinsen auf. Das war die Idee, ging ihm durch den Kopf, als er daran dachte, die Scheibe mit einem geeigneten Gegenstand einzuschlagen. Markus setzte den Rucksack ab und schaute hinein. Als wäre es Glück oder Zufall, fand er darin einen Hammer, mit dem er gegen das Glas schlug. Das plötzlich einsetzende Klirren der zu Boden fallenden Scherben war so laut, dass Markus sich für einen Moment die Ohren zuhalten musste und erstarrte. Er betrachtete das entstandene Loch, dann stieg er durch die eingeschlagene Scheibe in die Stube. Schließlich stand er mitten in einer kleinen Waschküche, in der sowohl eine Waschmaschine als auch ein Trockner standen. Die Tür zum Hausflur stand einen Spalt offen. Vorsichtig sprang Markus über den Scherbenhaufen, verließ die Kammer und schaute sich überall um. Wo sollte er mit der Suche beginnen? Flink huschte er durch alle Räume, schaute in jeden Schrank und durchwühlte die Schubladen. Auch im Keller suchte er nach dem Gemälde. Verdammt, Klaus hatte doch gesagt, dass es hier war. Oder lag ein Missverständnis vor, und das Bild befand sich gar nicht bei Berta und Ben? Dann war er hier falsch. Markus fluchte und stampfte wütend mit dem Fuß auf. »Scheiße, scheiße, scheiße! Wo ist das Bild? Ich war doch so sicher!« Kopfschüttelnd stapfte er die Treppen wieder hinauf. Ob er sich lieber noch mal in der Schlafetage umsehen sollte? Er war gerade auf dem Weg, da hörte er, wie jemand eine Tür ins Schloss warf. Kurz darauf wurde der Lichtschalter betätigt, und Schritte näherten sich der Treppe. Markus beeilte sich, das Haus zu verlassen. Bevor er die Haustür erreichte, fiel ihm ein Zettel auf der Kommode im Flur auf. Er nahm ihn und las zwei Namen. Dabei schaute er sich hektisch um. Noch war er nicht entdeckt worden. Gut, dachte er, trotzdem musste er sich beeilen. Den Zettel steckte er ein und floh über die Haustür auf die Straße. Jetzt nichts wie weg! So schnell er konnte, raste er durch die Straßen Pfalzels, bis er an Klaus’ Wohnung zum Stehen kam. Hier konnte er sich ausruhen. Er schnaufte und lehnte sich gegen die Hauswand. Kurz darauf nahm er den Zettel aus der Jackentasche und studierte die Namen noch einmal. »Julia Berg, Hannah Berg. Eltzstraße.« War das nun die richtige Spur, die ihn zu dem Gemälde führen sollte? Markus konnte sich nicht erklären, wie er darauf kam, doch das Verlangen nach dem Bild ließ den 27-Jährigen in der Notiz den Hinweis sehen, den er brauchte. Eine Weile grübelte er. Nachdenklich steckte er das Papier dann wieder in die Tasche und schloss die Tür auf. Markus streifte Schuhe und Jacke ab, dann ging er hinauf ins Gästezimmer. Als er endlich im Bett lag, dachte er darüber nach, was auf dem Papierfetzen stand. Er beschloss, in der kommenden Nacht den Einbruch bei Julia und Hannah Berg zu wagen. Dann schlief er vor Erschöpfung ein.
Kapitel 4
Schweißgebadet wachte Markus am nächsten Morgen auf. Er hatte wild geträumt. Bilder, die das in dem Gemälde verschlüsselte Verbrechen zeigten, waren durch seinen Kopf gegeistert. Ein junges Mädchen wurde mitten auf der Wallmauer erstochen. Der Täter hatte sich der Jungfrau von hinten genähert, sie in den Schwitzkasten genommen und dann brutal zugestochen. Markus war den Tränen nahe, als er aus dem Schlaf erwachte. Er spürte einen stechenden Schmerz in der Schläfe. Seine Augenlider waren schwer. Er hatte Mühe, sie überhaupt offen zu halten. Einige Minuten döste er vor sich hin, dann schlug er die Decke zurück, sprang aus dem Bett und eilte hinüber ins Badezimmer. Nun musste er dringend den nächtlichen Schweiß abduschen, den der Traum ihm beschert hatte. So ließ er wenig später das Wasser auf seine nackte Haut prasseln und schloss noch einmal die Augen. Die heiße Dusche tat ihm gut. Es fühlte sich an, als würde er in eine kuschelige Decke gehüllt werden. Über mehrere Minuten stand er da und lauschte dem Plätschern des Wassers. Dann wurde er von einem Klopfen aus den Gedanken gerissen.
»Markus, bist du da drin? Ich muss auch mal!«, rief sein Onkel, dessen Stimme für den Autisten in weiter Ferne lag. Vermutlich deswegen, weil er gedanklich immer noch ein wenig abwesend war. Er schüttelte sich und drehte den Wasserhahn zu. Er verließ die Dusche, trocknete er sich eilig ab und schlüpfte in die bereitgelegte Unterwäsche, dann öffnete er die Tür. Klaus stand im Flur und verschränkte die Arme. »Du hast aber lange geduscht«, stellte er fest.
»Findest du? Ach, ich ... mir ist in der Nacht warm geworden. Ich habe geschwitzt wie sonst was. Da wollte ich mich einfach ein bisschen frisch machen. Das ist in Ordnung, oder?«