Des Rates Schreiber - Chemnitzer Annalen. Gerd vom Steinbach
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„Nun verbiegt Eure Seele nicht, Herr Bürgermeister!“ wehrt der Alte ab. „Ganz so Unrecht hat der Ruprecht nicht, wenn er die verfluchte Geldgier einiger ehrenwerter Bürger anprangert, zumal, wenn sie der Stadt zum Schaden gereichen können.“
„Aber ganz so streng habe ich das nicht gemeint“, sucht Ruprecht das Gespräch zu relativieren, „es ging mir darum, dass man das Augenmerk auf die Geschäftsgebaren richten sollte, um der Stadt Schaden zu ersparen. Nicht alles ist so, wie es anfangs scheint. Weder den Tyle noch die Schützes wollte ich der Unredlichkeit bezichtigen. Aber Gedanken darf und muss man sich machen.“
„Ist gut, Schreiber. Nur solltest du deine Gedanken nicht äußern, wenn du von Amts wegen deine Pflicht erfüllst. Dann gilt es, nur zu schreiben und nicht zu denken und auszulegen. Wenn wir unter uns sind, bin ich schon an deinen Gedanken und Ideen interessiert“, beruhigt ihn der Bürgermeister. „Scheinst mir ein ganz brauchbares Köpfchen zu sein. Man sollte nicht glauben, was so in einem Tischlerhaus heranwächst.“
„Oh ja, es geschehen Zeichen und Wunder, zumal wenn des Tischlers Weib die Magdalena Prescherin ist“, fügt der alte von Pirne leise lächelnd hinzu. „Aber ich schlage vor, wir gehen hinüber in die Ratsstube und erwarten dort die übrigen Ratsherren. Sie dürften schon sehr bald eintreffen.“
***
Während Ruprecht am Rande der Ratsstube an seinem Schreibpult eifrig die Feder über das Papier fliegen lässt, diskutieren die Ratsherren recht aufgeregt an dem großen ovalen Tisch in der Mitte des Raumes. Die schweren Armsessel entstammen allesamt der Prescherschen Tischlerei, wurden jedoch schon zu Großvaters Zeiten gefertigt. Die wuchtige Gestaltung der Sitzmöbel hindert den jungen Ratsherrn Ulrich Schütz nicht, durch eine enorme Beinanstrengung den Sessel auf den Hinterbeinen auszubalancieren und, gleich einem ungezogenen Kind, zu wippen, was ihm das mahnende Räuspern des Bürgermeisters einbringt. „Es ist der Situation nicht angemessen, das Ratsgestühl zur Schaukel umzufunktionieren!“, lautet der freundlich vorgetragene, aber umso ernster gemeinte Tadel.
Der Gemahnte lässt übermütig den Sessel auf alle vier Beine fallen und meint dazu: „Nur keine Angst, meine Herren, trotz des Kippelns fehlt es mir nicht an der nötigen Ernsthaftigkeit. Es ist nur so, wenn ich meine, zu schweben, dann fliegen mir die besten Gedanken zu. Freilich, als mein Vater diesen Stuhl voriges Jahr noch innehatte, da gab es das nicht. Aber mit mir ist das ein wenig anders. Allerdings gefiel diese Eigenart meinerseits bereits dem Schulmeisterlein an der Lateinschule keinesfalls, was mir manchen Ärger einbrachte. Nur habe ich dadurch bessere Ergebnisse erzielt und somit ließ er mir dann das Kippeln durchgehen.“
„Wie rührend diese Geschichte auch ist, Herr Schütz, ich will hoffen, dass Ihr geschäftlicher Erfolg nicht ausschließlich dem Schaukelstuhl zu verdanken ist“, bemerkt der Ratsherr von Pirne. „Soweit ich richtig gerechnet habe, seid Ihr längst den Kinderschuhen entwachsen und zählt über zwanzig Lenze. Da sollte man langsam solche Unartigkeiten abgelegt haben und ernsthaft werden.“
„Lassen wir diese unfruchtbare Diskussion“, wirft Ratsherr Tyle ein, „wenn der junge Herr Schütz meint, schaukeln zu müssen, dann lassen wir ihm doch das Vergnügen, wenn er nur für neue Bestuhlung sorgt, sollte diese zu Schaden kommen. Ich meine, wichtigere Dinge besprechen zu müssen, die unsere Stadt betreffen.“
„Womit wir beim Kernpunkt unserer Zusammenkunft angelangt sind“, bekräftigt Ulrich Schütz und im Handumdrehen ändert sich sein lausbübisches Verhalten in personifizierte Ernsthaftigkeit. „Ich schlage vor, dass wir drei wesentliche Punkte in die Tagesordnung aufnehmen, nämlich die Errichtung eines neuen Rathauses in steinerner Bauweise, die stärkere Ausnutzung des Berggeschreis für das städtische Wohlbefinden und letztendlich die Wahrung der städtischen Privilegien.“
Überrascht hebt der Bürgermeister den Kopf. „Da hat sich der Herr Schütz ganz hübsch den Kopf zerbrochen, wie er uns auf Trab bringen kann. Nur frage ich mich, ob all die Punkte unbedingt heute behandelt werden müssen. Ich erinnere daran, dass wir bereits eine Reihe von Punkten zur Beratung vorliegen haben. Wenn Ihr also bitte die Dringlichkeit der benannten Punkte erläutern wollt?“
Einem Schulmeister gleich hebt der junge Ratsherr die rechte Hand mit gestrecktem Mittelfinger und doziert: „Es ist nur rechtens, wenn wir den Zeichen der Zeit aufmerksam folgen und daraus Kapital zum Wohle unserer Stadt ziehen. Wie wir alle wissen, gibt es in den Bergen gutes Erz zu schürfen, was wir uns zu Nutzen machen sollten. Wenn wir nicht schnell genug handeln, dann werden es uns die Städte Zwickau oder Freiberg, vielleicht auch Mittweida oder Glauchau besser zu machen wissen und wir haben das Nachsehen. Mit der Saigerhütte schaffen wir eine Menge Gelegenheit weiteren Gewerkes zum Wohle der Stadt. Wir sollten also der Hüttengesellschaft Vorteile zubilligen, die uns fürderhin allen zugutekommen.“
Herr von Pirne schüttelt schmunzelnd das greise Haupt. „So habt ihr euch das klug gedacht, ihr Schützes und Tyles?! Chemnitz schustert der Hütte Geld zu, das dann in eure Taschen fließt! Es sind schon durch des Kurfürsten Privileg Vorteile gegeben, die ausreichend erachtet werden sollten, euch in sicherem Sattel zu wissen. Überlegen wir besser, wie wir der Unternehmung ihren angemessenen Beitrag für die Stadtkasse bestimmen, damit wir alle etwas davon haben.“
Empörung malt sich in die energischen Züge des Ulrich Schütz. „Ich muss sehr bitten, Herr von Pirne, nicht, dass es mir um das Geld leid wäre, was in die Stadtkasse zu fließen hat. Aber es sollte eher gering gehalten werden, um die Erfolgsaussichten nicht von vornherein zu mildern. Schließlich soll die Hütte nicht nur den Leuten Lohn und Brot auf Dauer geben, sondern auch steten Zufluss ins Stadtsäckel. Ich will damit sagen, dass es den Herren an der Spitze der Gesellschaft, mich eingenommen, weniger allein um den Gewinn geht als mehr um den Erfolg der Unternehmung!“
Der Bürgermeister hebt beschwichtigend die Hand. „Es bezichtigt niemand die Herren der Gesellschaft der Unredlichkeit. Wir wollen gerne glauben, dass Euch der unternehmerische Erfolg vornan steht, mein lieber Schütz. Aber wir sollten als Ratsherren dieser Stadt das Wohl der Bürger besonders im Auge behalten. Damit will ich sagen, wenn wir nicht darauf dringen, das Stadtsäckel immer gut gefüllt zu wissen, wird die städtische Entwicklung stocken und dann wiederum ist das Unternehmen Saigerhütte in größter Gefahr.“
Beifällig nicken die Ratsherren mit Ausnahme des jungen Schütz, der eher gelangweilt die Schnitzerei am Deckenbalken betrachtet. „Wenn es so gewollt ist, wird die Hütte gewiss ihren Beitrag zur Sanierung des Stadthaushaltes leisten, nur warne ich die werten Herren! Der Bauer sucht auch nicht von der Färse Milch zu bekommen.“
Herr von Pirne schüttelt den Kopf und murmelt vor sich hin: „Das hält man doch nicht aus, jetzt wird schon das Vieh bemüht! Fragt sich nur, wer ist das Rindvieh?“
Ruprecht hat an seinem Schreibstuhl sehr wohl die Worte verstanden und muss sich bemühen, nicht loszuprusten.
Ein dröhnender Knall füllt den Raum aus, als Ulrich Schütz seine Faust auf den Tisch fallen lässt. „Es ist genug, Alter!“, donnert seine plötzlich sehr erregte Stimme hinterdrein. „Gewiss bin ich für manchen derben Spaß zu haben, aber dass ich dem Vieh zugeordnet werde, gestatte ich selbst dem Stadtadel nicht – mag dessen Stammbaum auch auf den Lokator dieser Civitae zurückgehen! Mein Protest wird den Markgrafen Albrecht sicher sehr interessieren! So ganz für umsonst wird er nicht die Genehmigung zum Betrieb der Hütte erteilt haben.“
Bürgermeister Stobener klopft mit den Knöcheln auf die Sessellehne. „Aber, aber, meine Herren, so erregt Euch nicht so über die Maßen! Die Hütte soll nur ruhig ihren Gewinn bringen, sehr zum Segen auch der Besitzer. Aber natürlich muss auch die Stadt ihren Gewinn damit haben – im Interesse der Bürger.“
Schütz nickt zustimmend. „Ist richtig,