Des Rates Schreiber - Chemnitzer Annalen. Gerd vom Steinbach

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Des Rates Schreiber - Chemnitzer Annalen - Gerd vom Steinbach

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schwätzt, wie ihr es versteht“, wirft endlich Ruprecht ein. „Wenn auch der Schütz bald die Tochter vom Nickel Tyle freien wird, bleibt doch der Tyle oberster Herr der Hüttengesellschaft. Und der hat sich vom Markgrafen das Recht verbriefen lassen, über das gewonnene Kupfer und Silber bestimmen zu können. Albrecht verzichtet auf das Regalrecht. Im Übrigen wird in der Saigerhütte sehr wohl das Erz geschmolzen. Geh doch hin und lass dir zeigen, was dort passiert. Die verschiedenen Teile der Schmelze verhalten sich bei den Temperaturen unterschiedlich und so kann man sie voneinander trennen.“

      Unwirsch winkt Kaspar ab. „Diese Klugscheißerei ist nicht zum Aushalten! Es ist Wurst, ob der alte Nickel Tyle oder der junge Ulrich Schütz, ob geschmolzen oder gesaigert! Außerdem: was soll das Regalrecht sein? Für mich ist das eher die Erlaubnis, etwas aus dem Regal herauszunehmen – so wie der Wirt den Krug für mein Bier.“

      Genüsslich lehnt sich Friedrich zurück, streckt die Beine und lässt seine Hand auf die Schulter seines erregten Nachbarn fallen. „Nun halte die Luft an! Wenn der Ruprecht Genaueres weiß, dann lass ihn. Wir haben ohnehin nichts davon, ob der Groschen an den Landesherrn geht oder nicht. Ob der Nickel oder der Ulrich die Münzen einstreicht, kann uns gleich sein, wir hören weder die Groschen klingen noch schenkt man uns dafür ein Bier ein. Trinken wir lieber auf unser Wohl!“

      Kalt und feucht deckt der Nebel den Schmutz der Gassen zu, als die drei Zecher endlich das Wirtshaus verlassen und vor der Tür Abschied voneinander nehmen. Dem übermäßigen Biergenuss ist es geschuldet, dass ihre Stimmen durch die schmale Häuserschlucht hallen, worauf bald schon schlaftrunkene Bürgerstimmen ärgerlich Ruhe zur Nacht einfordern. Gleich darauf sieht sich Ruprecht allein in der Dunkelheit und sich entfernende Schritte zeigen an, dass sich seine Freunde auf den Heimweg begeben haben.

      Schwer atmend lehnt er sich an den Zaunpfosten zu seiner Rechten und sucht sich zurechtzufinden. In biergeschuldeter Welligkeit wirken die schemenhaften Schattenrisse der Stadtbebauung desorientierend auf den Zecher. Suchend tappen die Schritte unter Ausnutzung der gesamten Gassenbreite endlich weiter und bald schon sieht er sich unerwartet in der zurückgewichenen Begrenzung auf dem Marktplatz gegenüber dem Rathaus. „Mein Gott, wie komme ich denn hierher?“, stammelt er trunken. „Wie soll ich zu meinem Marthel finden?“, lallt er mehr oder weniger leise und würgt gleich darauf den sauren Biergeschmack aus der Kehle zurück in den Bauch.

      „Wer da!“, tönt plötzlich eine barsche Stimme von rechts. Eine Laterne tut sich auf und stellt den Betrunkenen im grellen Licht bloß. Es ist Nik, der Nachtwächter, der da unvermutet an ihn herantritt. „Mein Gott, Ruprecht, was hast’ in dich hineingeschüttet, dass du so aussiehst? Ist dein junges Weib so schlimm, dass du saufen musst?“

      „Nnnein, ich habe doch nur …“, stammelt der Betrunkene und gleich darauf ergießt sich ein Schwall Erbrochenes über das Beinkleid Niks. Der springt erschrocken zurück und lässt dabei den Stiel der Hellebarde auf Ruprechts Schädel niedersausen.

      „Du besoffenes Stück!“, schreit er erschrocken und steppt zur Seite, als ein erneuter Schwall aus dem Mund Ruprechts dringt, der nun die Augen verdreht und zusammensackt.

      Der Hüter städtischer Nachtruhe lässt die Waffe wie die Lampe fallen und sucht den Betrunkenen zu halten, was ihm jedoch nicht gelingt und so wälzt der sich gleich darauf im Straßenschmutz.

      In der kleinen Hütte vor der Stadt dreht sich die alte Mechthild auf ihrem Lager hin und her. Wirre Gestalten tanzen durch ihren Traum und lassen sie hilflos stöhnen. Monströs erscheint ihr die vertraute Figur von Rudolf, der ihr zaghaft zuwinkt und doch zugleich die Zunge herausstreckt, dabei die Augen schielend auf die eigene Nasenspitze richtend.

      Erschrocken setzt sich die Alte auf und starrt in das Dunkle der Behausung. Urplötzlich ist sie hellwach und lauscht in die Nacht. Kein ungewöhnlicher Ton stört die vorstädtische Stille und doch fühlt sie sich gerufen. Irgendetwas flüstert ihr hartnäckig zu, dass sie sofort dem Ruprecht zu Hilfe eilen muss, dass er jedoch keineswegs in Gefahr ist.

      „Ach, Junge“, flüstert sie vor sich hin, „was hast du nun wieder angestellt und das zu nachtschlafener Zeit?“

      Bereits des Öfteren sagte ihr die innere Stimme, wenn dem Jungen etwas Schlimmes widerfahren ist. Zumeist wusste sie dann indessen Beistand in seiner Nähe. Heute hingegen ist alles so ungewöhnlich. Es geht ihm schlecht, aber er hat keine Schmerzen.

      Die Alte schließt nachdenklich die Augen und dann weiß sie es: der Suff hat ihren Liebling niedergerungen! „Warts ab, Bürschlein!“, schnieft sie durch die lückenhaften Zähne, „Dir werde ich schon das passende Kräutlein verabreichen, dass dir nie wieder in den Sinn kommt zu saufen!“

      Zielsicher greift sie im Dunkeln nach einem Säckchen, das von der niedrigen Decke herabhängt und schlingt sich ein wollenes Tuch um die Schultern. Sie schlüpft in die Pantoffeln und verlässt eilig das Häuschen.

      Wie allen Vorstädtern sind ihr die Unzulänglichkeiten in der Stadtbefestigung wohlbekannt, so dass sie die Mauern passieren kann, ohne die Stadtwache zu bemühen. Nicht weit vom Johannistor, zum Bretturm zu, kennt sie einen engen Durchlass. Den pflegt sie zu nutzen, wenn sie zu städtischen Kranken gerufen wird, die dem Bader nicht trauen, den Medikus nicht bezahlen können und doch Hilfe brauchen. In solchen Fällen ist der heimliche Besuch von größtem Vorteil.

      Eilig hastet sie durch die dunklen Gassen zum Markt, wo sie den Nachtwächter, über einen dunklen Schatten gebeugt, stehen sieht.

      „Was ist mit ihm, Nik?“, flüstert sie und hockt sich neben den Wachmann. Jetzt erkennt sie die jämmerlich hilflose Gestalt des Betrunkenen.

      „Was soll schon mit ihm sein? Es braucht keine feine Nase, die Ursache seines Zustandes zu erkennen. Stockbesoffen ist der feine Herr und seine eklige Kotze hat mein Beinkleid ruiniert. Ich denke, der Kerker wird ihn zur Besinnung bringen!“, schimpft der Wachmann.

      Beschwichtigend winkt die Alte ab. „Was soll das Gekeife, Nik?! Warst du nie betrunken? Mir sind da andere Dinge zu Ohren gekommen. Ich glaube nicht, dass ihn die Nacht im Kerker bessert. Ganz sicher wird damit die Stelle des Schreibers weg sein und das kann nicht deinem Interesse entsprechen!“

      Nik bekundet durch ein mürrisches Nicken seine Zustimmung, was Mechthilde nur mit Mühe in der Finsternis des nächtlichen Gassengrundes zu erkennen vermag. Drängend zischt sie: „Also los, tragen wir ihn flugs in seine Gasse, bevor ihn jemand in diesem Zustand sieht!“

      Dieses Ansinnen ist dem Nachtwächter freilich zuwider. „Das fehlt gerade noch, Alte! Nicht nur, dass ich jämmerlich nach dem Gekotzten rieche, jetzt soll ich auch noch hineinfassen?! Des Tischlers Karren wird dem Trunkenbold schon das passende Gefährt sein und wenn dieser Transport gesehen wird – unser Problem ist das nicht.“ Spricht es und eilt davon, seine Worte in Taten umzusetzen.

      Mechthild indes lauscht in die nachtstille Stadt, ob da nicht doch ein heimlicher Beobachter zu bemerken sei, bereit, den Ruf des jungen Stadtschreibers zu verderben. Nicht allzu viel später erklingen die polternden Fahrgeräusche des Karrens, die in ein Scheppern übergehen, als der Nachtwächter auf Höhe der Sankt Johannisgasse auf das Marktpflaster einbiegt. Eilig hebt Mechthild die Beine ihres Schützlings, während ihn Nik unter den Achseln erfasst. Gemeinsam wuchten sie den Hilflosen auf das Gefährt und die Alte hofft inständig, dass trotz des Lärms niemand auf das Geschehen aufmerksam wird.

      Eben haben sie die Einmündung Uff der Bach in die Lange Gasse erreicht, die hier nach links weg Hinter der Bach benannt ist, als im Hause des Stange ein Fensterladen aufgestoßen wird. Gespenstig weiß schimmert das Gesicht des alten Andreas im dunklen Geviert des Fensters und im zahnlosen Zischen klingt die Frage durch die Nacht, was zu dieser Zeit so dringlich zu transportieren sei.

      „Mach

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