Die Wiege des Windes. Ulrich Hefner

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Die Wiege des Windes - Ulrich Hefner

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wird’s Zeit!« Johannes Hagemann deutete auf das Telefon.

      *

      Gut zweihundert Kilometer entfernt saß zum gleichen Zeitpunkt Kriminaloberrat Kirner hinter seinem Schreibtisch und spielte geistesabwesend mit einem Bleistift. Seine Mitarbeiter wussten, dass Kirner die Kurzfassung, die reinen Fakten liebte. Er brauchte Zuträger, die funktionierten, sonst fanden sie sich schneller in einer anderen Abteilung, als ihnen lieb war. Die Bewertung ihrer Erkenntnisse war alleine seine Sache. Team­arbeit war nicht sein Metier. Er war der Kopf, der Denker, und genau deswegen saß er nachdenklich auf seinem Stuhl. Die Fahndung nach Friederike van Deeren war angelaufen. Da es in ihrer Akte einen vagen Hinweis auf einen Bekannten in Deventer gab, waren auch die holländischen Behörden informiert. Sie war die Hauptverdächtige, doch den Brief konnte sie nicht selbst überbracht haben. Das Flugzeug mit der Flugnummer AQ 4227 war erst um 15 Uhr in Frankfurt gelandet. Laut Passagierliste hatte sie sich an Bord dieser Maschine befunden.

      Inzwischen waren weitere Informationen auf seinem Tisch gelandet. Demnach hatte Friederike van Deeren ab 17. November an einem Training in einem Greenpeace-Aktiv-Camp bei Bremen teilgenommen. Danach war sie drei Wochen in Australien gewesen, um auf der Arctic Sunrise, einem Greenpeace-Schiff, gegen japanische Walfänger zu protestieren. Zumindest hatte sie am 3. Dezember in Frankfurt nach Perth eingecheckt.

      Dennoch konnte sie an dem Anschlag beteiligt gewesen sein. Zwei Namen waren in ihrem Strafregister unter der Rubrik Tatgenossen ständig aufgetaucht. Möglicherweise war sie Mitglied einer kleinen Aktivistenzelle, zu der auch Björn Larsen aus Wilhelmshaven und ein gewisser Uwe Töngen gehörten. Larsen schien, so hatten seine Mitarbeiter herausgefunden, untergetaucht zu sein – ein Indiz für seine Beteiligung oder Täterschaft? Uwe Töngen lebte auf Langeoog und hütete Schafe. Ihn würde er sich vornehmen, gleich morgen früh.

      Die Ungereimtheiten in dem zunächst so scheinbar klaren Fall raubten ihm die Ruhe. Warum war der Brief an die Behörde und nicht zu Esser nach Hause geschickt worden, und warum ausgerechnet einen Tag vor Weihnachten, wo doch viele in Urlaub waren? Das Risiko eines Fehlschlages war viel zu groß gewesen. Oder hatte der Überbringer gewusst, dass Esser an diesem Tag aus dem Urlaub zurückkehren würde? Woher beziehungsweise von wem?

      Kirner schaute auf die Uhr. Es war kurz vor vier. Wind war aufgekommen und verfing sich in den Zweigen der großen Tanne, die vor seinem Fenster als Weihnachtsbaum aufgestellt worden war. Einige der Glühbirnen in den Ästen leuchteten in das triste Grau der anbrechenden Dämmerung, doch die meisten waren längst der Nässe der vergangenen Tage zum Opfer gefallen. Kirner erhob sich und griff nach seinem Mantel.

      *

      Der dunkle BMW parkte am Ortsende von Greetsiel abseits auf einem Parkplatz. Ein Gebüsch versperrte die Sicht auf den Wagen. Die Männer darin hielten den Feldweg im Auge, der zum Haus des Alten führte.

      Als Rike am frühen Morgen in Cordes Auto auf die Straße nach Norddeich einbog, fuhr sie ahnungslos am BMW vorüber. Einen Augenblick später setzte sich der Wagen in Bewegung.

      9

      Das Boot der Küstenwache wartete wie versprochen um 9 Uhr im Großen Hafen. Die Wasserschutzpolizisten stutzten, als Kirner alleine an Bord kam, doch er erklärte ihnen, dass es nur um eine Routinebefragung ginge und er deswegen keinem Kollegen den zweiten Weihnachtstag vermiesen wollte. Eine Viertelstunde später verließ das Boot den Hafen und fuhr mit halber Kraft den Jadebusen hinauf in Richtung Schillighörn.

      Nach all den trüben Tagen schien es heute trocken und schön werden zu wollen. Kirner lehnte an der Reling und schaute in den wolkenlosen Himmel.

      Die Kollegen in Aurich hatten ihm den Weg zu Töngens Gehöft beschrieben. Sie hätten auf Langeoog auch für seine Abholung gesorgt, aber als Kirner erfahren hatte, dass Töngens Anwesen kaum einen Kilometer vom Hafen entfernt war und ein Fußweg entlang den Schienen der Inselbahn direkt zu seinem Haus führte, hatte er das Angebot abgelehnt. Ein Fußmarsch nach all den Festtagsbraten würde nicht schaden.

      Die Auricher hatten schon öfter mit Töngen zu tun gehabt. Er hatte so manche Nacht in ihrer Ausnüchterungszelle verbracht und wegen seines Rauschgiftkonsums vor kaum einem Vierteljahr seinen Bootsführerschein eingebüßt. Ansonsten schien der Mann eher zu den gemütlichen Typen zu gehören. Seit der Verurteilung war es ruhig um ihn geworden. Vielleicht auch deshalb, weil er wegen eines Rauschgiftvergehens eine Bewährungsstrafe erhalten hatte.

      Doch Kirner interessierte sich nur für Friederike van Deeren und Björn Larsen. Er war nach dem Aktenstudium und reiflicher Überlegung zu dem Schluss gelangt, dass Larsen hinter dem Briefbombenanschlag stecken musste. Vielleicht hatte seine Freundin noch nicht einmal davon gewusst.

      Als der kleine Kreuzer im Hafen von Langeoog festmachte, vereinbarte Kirner mit dem Kapitän, dass er in drei Stunden wieder abgeholt werden sollte. Dann machte er sich auf den Weg zu dem Anwesen. Der Feldweg entpuppte sich als morastiger Trampelpfad, doch Kirner war gut gerüstet. Das Wandern war eine seiner liebsten Freizeitbeschäftigungen. Er brauchte gerade mal eine halbe Stunde, bis er das einsame Gehöft westlich des Dorfes erreichte. Das Gebäude erschien verwahrlost. Der Lattenzaun davor wies etliche Lücken auf, und der windschiefe Stall links neben dem Hauptgebäude verstärkte den Eindruck, dass Töngen sich wenig um sein Hab und Gut kümmerte. Das braune Gras wucherte im Hof. In der Ferne hörte Kirner das Blöken einiger Schafe, die trotz der Kälte im Freien standen.

      Eine Klingel suchte Kirner an der altersschwachen Haustür vergebens, also klopfte er mit der Faust dagegen. Er lauschte, doch außer dem leisen Rauschen des Windes in den dürren Ästen der Pappeln direkt neben dem Haus war nichts zu hören. Noch einmal klopfte Kirner. Er wartete vergeblich. Niemand schien zu Hause zu sein.

      Plötzlich sah er eine Bewegung abseits der Scheune. Ein Mann stand neben dem Stall. Das trockene Hämmern von Metall auf Holz drang zu Kirner herüber. Der Mann trug einen langen, olivgrünen Parka, eine blaue Arbeitshose und schwarze Gummistiefel. Seine langen verfilzten Haare schwangen im Rhythmus der Schläge durch die Luft.

      »Töngen?«, rief ihm Kirner zu.

      Der Schlag des Mannes erfror in der Luft. Er hob den Kopf und blickte den Fremden, der auf ihn zukam, misstrauisch an. »Und wer will das wissen?«

      Kirner zeigte seinen Dienstausweis.

      »Was ist nun wieder los, wollt ihr noch mal mein Haus durchsuchen?«

      Kirner schüttelte den Kopf. »Friederike van Deeren. Wissen Sie, wo ich sie finden kann?«

      Argwöhnisch beäugte Töngen den Kriminalbeamten. »Rike? Hab ich schon lange nicht mehr gesehen.«

      »Und Larsen?«

      »Den auch nicht.«

      Kirner lächelte. »Erzählen Sie mir von Friederike.«

      »Was soll ich da erzählen«, erwiderte Töngen. »Rike ist anständig. Die tut niemandem was. Was wollt ihr von ihr?«

      »War Rike denn nicht auf großer Fahrt?«

      »Weiß nichts davon.« Töngen erhob den Hammer und schlug weiter auf den dicken Pfahl ein.

      »Sie sind derzeit auf Bewährung?«, rief ihm Kirner zu.

      Töngen ließ den Hammer sinken. »Was hat das mit Rike zu tun?«

      »Ich kann Sie auch vorladen«, versuchte Kirner Töngens Auskunftsfreudigkeit zu erhöhen. »Also noch

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