Der Sohn des Apothekers. Ulrich Hefner
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Читать онлайн книгу Der Sohn des Apothekers - Ulrich Hefner страница 18
Wo war Melanie Reubold geblieben? War sie längst schon tot oder wurde sie noch immer irgendwo in Dänemark gefangen gehalten? Diese Bande hatte den Ermittlungen der dänischen Reichspolizei nach in Viborg, in Aalborg, in Varberg und in Hjörring weitere Anwesen angemietet gehabt, die gestern zeitgleich gestürmt worden waren. Außer ein paar Waffen, ein paar Pfund Cannabis und siebzig Gramm Heroin hatten die Reichspolizisten dort aber nichts gefunden. Nichts hatte auf eine weitere Entführung hingedeutet, hatte es in dem Telex geheißen, das Trevisan gestern Nachmittag auf seinem Schreibtisch vorgefunden hatte.
Sein Gefühl sagte ihm, dass etwas an der Theorie nicht stimmte, nicht schlüssig war. Er konnte nicht sagen, was ihn an der Vorstellung einer Entführung störte, aber er vertraute dem Bauchgefühl, das ihn in all den Jahren der Ermittlungsarbeit an vorderster Front nicht im Stich gelassen hatte. Objektiv gab es nach dem derzeitigen Kenntnisstand keine vernünftigen Gründe, an der Entführung der Mädchen zu zweifeln.
Der Fall ließ ihn den ganzen Tag nicht in Ruhe und er dachte bis spät in die Nacht darüber nach, bis ihn kurz nach Mitternacht der Schlaf übermannte.
Am Montag um zehn Uhr betrat Trevisan die Dienststelle und ging den Flur entlang. Lisas Tür stand offen, sie saß hinter ihrem Schreibtisch.
»Guten Morgen, wohl gut geschlafen«, begrüßte sie ihn. »Ich habe die Plakate schon in Auftrag gegeben und die Pressemeldungen sind auch rausgegangen.«
»Das hast du sehr gut gemacht«, lobte Trevisan und schickte sich an, weiterzugehen.
»Hanna ist heute wieder da, sie hat deine Sachen in Smiseks Büro geräumt«, beeilte sich Lisa zu sagen. Trevisan blieb stehen. Lisa erhob sich, umrundete den Schreibtisch und zeigte den Flur hinunter. »Hanna meint, dass dir Smiseks Büro zusteht und wir das Zimmer nicht leer stehen lassen sollten.«
»Wo ist diese Hanna, die sich so viele Sorgen um mich macht?«, fragte Trevisan mürrisch.
Lisa zeigte auf das Büro, das Trevisan die ganze Zeit über genutzt hatte und in dem zwei Arbeitsplätze eingerichtet waren. Trevisan nickte kurz. Ohne anzuklopfen trat er ein. Hanna Kowalski, die bei seiner Zuversetzung in Urlaub gewesen war und die er nur vom Hörensagen kannte, saß rittlings auf einem Stuhl und hielt eine Kaffeetasse in der Hand. Rund um den Stuhl hatte sie aufgeschlagene Aktenordner verteilt, die sie studierte. Sie kehrte Trevisan den Rücken zu.
»Ich habe gehört, dass hier umgeräumt wurde«, bemerkte Trevisan spitz.
Hanna Kowalski wandte sich um, und für einen Augenblick war Trevisan wie elektrisiert. Sie erhob sich und stellte ihre Tasse auf den Schreibtisch.
»Ich dachte, das ist okay«, sagte die schlanke, großgewachsene junge Frau mit den langen, blonden Haaren und der Figur eines Fotomodells. Bei ihrem Anblick verschlug es ihm einen Moment die Sprache. Trevisan schätzte seine neue Kollegin auf Mitte dreißig.
»Normalerweise bestimme ich selbst, wo ich arbeite«, antwortete er in deutlich entspannterem Ton.
Hanna streifte sich eine Strähne aus der Stirn. »Engel hat mit mir gesprochen und gesagt, dass du jetzt die Abteilung leitest und bei uns bleibst. Deswegen steht dir Smiseks Büro zu. Er fand es in Ordnung, dass wir die Zimmerbelegung neu ordnen. Du bist doch nicht verärgert, oder?«
»Dazu habe ich keine Zeit«, wechselte Trevisan das Thema. »Wir haben einen Fall zugeteilt bekommen.«
»Ich weiß, oder glaubst du, ich suche nach neuen Kochrezepten«, antwortete Hanna Kowalski scharf und wies auf die Aktenordner. »Ich habe mich schon eingelesen. Das ist keine einfache Sache. Glaubst du, das andere Mädchen lebt noch?«
Trevisan schüttelte den Kopf. »Nein, das glaube ich nicht, aber trotzdem müssen wir es in Erwägung ziehen. Ich würde sagen, in einer Stunde treffen wir uns im Konferenzraum. Ich muss noch ein paar Telefonate führen.«
Hanna nickte und lächelte. »Okay. Also dann, bis später.«
*
Justin Belfort war am Mittag in den Klosterkrug zurückgekehrt.
Die Wirtin hatte ihn misstrauisch gemustert, als er die Gaststätte betrat und nach dem Zimmerschlüssel verlangte. »Leider kann ich Ihnen keinen Nachlass geben, obwohl Sie das Zimmer in der letzten Nacht nicht benutzt haben.«
»Ich brauche das Zimmer noch für eine weitere Woche«, antwortete er. »Meine Redaktion überweist den Betrag.« Ohne auf eine Antwort zu warten, setzte er den Weg zur Treppe fort.
Mit offenem Mund schaute die Wirtin ihrem Gast nach, der die Treppe hinaufging und hinter der Ecke verschwand. Schließlich schüttelte sie den Kopf, umrundete das Empfangspult und betrat den Gastraum, wo drei Gäste am Stammtisch zu Mittag aßen. Oberkommissar Klein war einer von ihnen, die beiden anderen waren der Unternehmer Stolz und der Mardorfer Arzt Dr. Rosenberg. Sie wohnten allesamt in Tennweide und nahmen meist gemeinsam das Mittagessen im Klosterkrug ein.
»Der Reporter ist wieder da.« Sie trat an den Tisch. »Er will noch bleiben, eine Woche.«
Stolz schaute Klein fragend an. »Was will er noch hier?«
»Er forscht nach«, antwortete Dr. Rosenberg. »Er gehört zu Direkt, habe ich gehört. Die sind für ihre Reportagen bekannt. Die kratzen nicht nur an der Oberfläche.«
»Aber hier wird er nichts finden«, sagte die Wirtin.
»Wer weiß«, antwortete der Arzt geheimnisvoll.
»Die anderen Reporter sind hier aufgetaucht, haben ein paar Fotos gemacht und sind sofort wieder verschwunden, nachdem ihnen klar war, dass niemand mit ihnen reden will, aber der Kerl ist anders. Ich habe gehört, dass er in Mardorf in der Apotheke war und mit Thiele gesprochen hat.«
Stolz schaute den Polizisten ungläubig an. »Thiele hat noch nie mit einem von der Presse gesprochen.«
»Er soll beinahe eine Stunde in der Apotheke gewesen sein und Thiele ist mit ihm ins Hinterzimmer gegangen.«
»Wer sagt das?«, fragte Stolz.
»Ich habe meine Quellen«, antwortete Klein.
»Egal«, mischte sich die Wirtin ein. »Mir ist der Kerl nicht geheuer.«
»Du hättest ihm einfach nur das Zimmer verweigern müssen«, scherzte der Arzt.
Magda Tanges gab einen abfälligen Zischlaut von sich. »Ich lebe davon und bis zur Saison vergehen noch ein paar Tage. Ich muss sehen, wo ich bleibe. Außerdem würde er in Mardorf sofort eine andere Übernachtung finden. Dann wäre er auch jeden Tag hier.« Sie wandte sich um und stapfte davon.
»Wenn’s um Geld geht, versteht die Magda keinen Spaß«, scherzte