Der Sohn des Apothekers. Ulrich Hefner

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Der Sohn des Apothekers - Ulrich Hefner

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style="font-size:15px;">      »Hat man Sie jemals mit dem Vorwurf konfrontiert, an der Tat beteiligt gewesen zu sein? – Zumindest beim Verstecken der Opfer, denn dazu wäre Sven wohl alleine nicht in der Lage gewesen, oder?«

      »Ich sagte doch, den Vorwurf selbst hat man nie ausgesprochen, immer nur angedeutet, aber er war deutlich zu spüren. Auch im Dorf hat man mich geschnitten, Sie glauben gar nicht, wie das ist.«

      Rudolf Thiele schlug die Hände vor das Gesicht. Für einen kurzen Augenblick schwieg er, ehe er sich wieder aufraffte und weitererzählte. »Jahrelang leben Sie mit den Menschen in einem Ort zusammen und plötzlich wird man ausgestoßen, nur weil die Behörden einen Erfolg vorweisen müssen. Niemand redet mehr mit einem, sie wenden ihre Blicke ab und schauen zu Boden. Es ist die Hölle.«

      »Warum sind Sie nicht weggezogen?«

      »In Tennweide steht mein Haus, in Tennweide wurde ich geboren und dort bin ich aufgewachsen«, konterte der Apotheker. »Ich werfe nicht die Flinte ins Korn. Ich lasse mich nicht so einfach vertreiben. Tennweide ist zwar nicht der Nabel der Welt, aber es ist meine Heimat.«

      »Ich verstehe«, antwortete Justin. »Und wie ist das Verhältnis heute?«

      Der Apotheker zeigte auf die Tür. »Die Menschen in Tennweide sind mir inzwischen egal. Ich bin die meiste Zeit hier in meiner Apotheke. Und die Leute kommen jetzt wieder. Damals war ich schon kurz davor, schließen zu müssen. Wenn die Feriengäste nicht gewesen wären, hätte ich keine andere Wahl gehabt. Es war eine lange Durststrecke und dann starb auch noch meine Frau. Sie hatte eine Lebensversicherung. Ich konnte meine Apotheke retten und für Sven ein anständiges Pflegeheim finden. Im Dorf konnte er nicht mehr bleiben.«

      »Sie haben sicherlich gehört, dass eines der Mädchen vor ein paar Tagen in der Nähe der dänischen Grenze wieder auftauchte. Sie wurde möglicherweise aus einem fahrenden Wagen geworfen. Können Sie sich einen Reim darauf machen?«

      Rudolf Thiele schüttelte den Kopf. »Ich habe davon gehört, nur: Ich will nicht, dass sich das Ganze deshalb jetzt wiederholt. Die Polizei soll die Mörder endlich zur Strecke bringen, damit ein für alle Mal Ruhe herrscht. Sie können mir glauben, wenn einmal so ein Gerücht die Runde macht, dann wird man diesen Makel nie mehr los. Es sei denn, das Verbrechen wird endlich restlos aufgeklärt.«

      »Ich verstehe.« Justin packte seinen Block ein. »Wäre es möglich, mit Ihrem Sohn zu sprechen?«

      Der Apotheker hob abwehrend die Hand. »Nein, das auf keinen Fall. Sven hat die Sache damals stark mitgenommen. Ich bin froh, dass er einigermaßen darüber hinweg ist.«

      »Danke, Herr Thiele, Sie haben mir sehr geholfen.«

      Der Apotheker reichte Justin die Hand. »Bitte, und schreiben Sie, dass wir nichts, rein gar nichts mit der Sache zu tun haben und jeden Tag dafür beten, dass die Verbrecher endlich gefasst werden.«

      »Das werde ich tun«, sagte er und folgte dem Apotheker zur Tür.

      Als Justin Belfort in seinen Wagen stieg, den er auf dem Parkplatz der Apotheke abgestellt hatte, befiel ihn das eigenartige Gefühl, dass er beobachtet wurde. Er blickte sich um, doch außer zwei Radwanderern, die gegenüber der Apotheke standen und eine Straßenkarte studierten, war niemand zu sehen. Justin schüttelte das bedrückende Gefühl ab und ließ sich in seinen Fahrersitz fallen. Kurz blickte er in den Rückspiegel, doch die Straße war frei. Er schnallte sich an und startete den Wagen.

      *

      Trevisan zog sich in sein Büro zurück und holte sein Notizbuch aus der Schreibtischschublade. Er blätterte, bis er auf die Nummer der Kommissarin Holt von der Polizei in Arhus stieß. Bedächtig wählte er die Telefonnummer, nachdem er einen Blick auf seine Armbanduhr geworfen hatte. Es dauerte eine Weile, bis sich Kristina Holt meldete.

      »Hallo, hier ist Martin Trevisan aus Deutschland.«

      »Hallo, Martin, wie geht es dir«, antwortete die dänische Kollegin, die er kennengelernt hatte, als er gegen den Sektenführer ermittelt hatte.

      »Den Umständen entsprechend«, antwortete Trevisan. »Ich bin derzeit beim Landeskriminalamt in Hannover, nachdem es mich erwischt hat.«

      »Was heißt erwischt?«, fragte Kommissarin Holt.

      Trevisan erzählte ihr seine Geschichte. Schließlich hatte er ihr sein Leben zu verdanken, nachdem der Mann damals versucht hatte, Paula und ihn zu töten.

      »Das tut mir leid. Ich hoffe, dass es deiner Tochter bald wieder besser geht. Und natürlich auch dir.«

      Trevisan nickte. »Ich komme eigentlich schon wieder ganz gut zurecht. – Ich habe da eine Sache, wo ich deine Hilfe bräuchte. Es geht um eine Geschichte, die schon ein paar Jahre zurückliegt. Wir suchen einen alten weißen VW-Bus, ich denke, ein T3- oder T4-Modell, mit einem dänischen Kennzeichen. Möglicherweise wurden zwei deutsche Mädchen hier in der Nähe von Hannover entführt und nach Dänemark verschleppt. Es könnte eine Rockerbande dahinterstecken, die kürzlich bei Padborg verhaftet wurde.«

      »Padborg«, wiederholte Holt. »Das ist im Grenzland, da ist das Polizeiamt in Esbjerg zuständig. Hast du Details?«

      »Ich würde sie dir zusenden, außerdem noch das Teilkennzeichen. Es ist, wie gesagt, schon eine Weile her.«

      »Martin, du weißt, für meine Freunde tue ich, was ich kann. Schick es mir per E-Mail, meine Adresse hast du ja bestimmt noch. Ich rufe dich zurück, sobald ich ein Ergebnis habe. Und grüße Paula von mir, wünsch ihr alles Gute. Sie muss einfach stark sein.«

      »Ich weiß, aber das Gefühl spielt unserem Verstand allzu oft einen Streich, und schon gerät man aus dem Gleichgewicht.«

      »Ich weiß, aber trotzdem alles Gute und vielleicht sehen wir uns bald einmal wieder.«

      »Möglicherweise schneller, als du denkst«, antwortete Trevisan. »Dann lade ich dich auf einen Kaffee ein.«

      »Ich nehme dich beim Wort.«

      Trevisan ging zurück zu Lisa, die vor dem Computer saß und einen ersten Entwurf eines Fahndungsplakates erstellt hatte.

      »Was hältst du davon?«, fragte sie.

      »Sieht gar nicht schlecht aus, nur die Fotos sollten noch ein klein wenig größer sein. Ich will, dass die Leute in die Augen der Mädchen sehen, das macht Eindruck.«

      »Fotos größer, alles klar.« Lisa griff nach der Maus.

      Trevisan legte seine Hand auf ihre Schulter. »Okay, lass gut sein, das reicht für heute. Es ist schon nach sechs, wir machen morgen weiter.«

      Lisa schaute auf und lächelte ihn an. »Das ist gut. Ich dachte schon, ich versäume heute Abend das Konzert.«

      »Du gehst ins Konzert?«

      »Na ja, nicht direkt ein Konzert. Es ist eine Rockband. Mein Freund spielt dort Gitarre.«

      Trevisan trat einen Schritt zur Seite. »Also dann, los geht’s, worauf wartest du noch.«

      *

      Nachdem Lisa das Büro verlassen hatte, setzte sich Trevisan noch einmal an seinen Schreibtisch. Aufmerksam blätterte er in den Akten. Schließlich rief er im Computer

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