Der Sohn des Apothekers. Ulrich Hefner
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Читать онлайн книгу Der Sohn des Apothekers - Ulrich Hefner страница 16
Angenommen, die Mädchen waren tatsächlich in einem Bus mit dänischem Kennzeichen entführt worden, dann würde der Fund des Rucksacks von Melanie Reubold an der A7 Richtung Norden sogar einen Sinn ergeben. Die dort gesicherte DNA-Spur war interessant. Er fragte sich, ob seine dänische Kollegin etwas damit anfangen konnte, denn möglicherweise waren die in Padborg verhafteten Rocker an der Entführung beteiligt gewesen. Eine Überprüfung schadete nicht, deswegen kopierte er den Befund und fügte ihn in die E-Mail an Kristina Holt ein. Die anderen erforderlichen Dokumente waren bereits in die Gesamtakte eingescannt, so hatte er es leichter. Als er auf senden drückte, dauerte es beinahe zehn Minuten, bis die Daten verschickt worden waren.
Er war hungrig, als er das LKA verließ und mit seinem Wagen nach Davenstedt fuhr. Zu Hause bereitete er sich eine Tiefkühlpizza zu, die er gerade aus dem Ofen holte, als das Telefon klingelte. Er nahm ab, Paula war am Apparat.
»Hallo, Liebes, wie geht es dir?«, fragte Trevisan erfreut.
»Gut, es geht mir gut, wirklich. Wir machen gerade Station, morgen in aller Frühe geht es weiter. Es ist herrlich hier. Die Landschaft, die Wiesen und die Natur … alles ist so friedlich, ganz anders als bei uns.«
»Das freut mich, dass du dich wohlfühlst, aber ich freue mich auch schon wieder darauf, dass du zurückkommst. Ich habe ein Eiscafé in der Innenstadt entdeckt, das Eis dort ist sagenhaft, da müssen wir unbedingt mal zusammen hingehen.«
»Ja, gerne, aber hier ist es auch toll. Schade, dass du nicht dabei bist.«
Trevisan unterhielt sich beinahe noch eine Stunde mit seiner Tochter, ehe Paula das Gespräch beendete. Von seinen Ermittlungen erzählte er nichts. Als er zurück in die Küche ging, fand er seine Pizza erkaltet vor. Nach dem ersten Bissen warf er den Rest in den Mülleimer. Das harte Toastbrot war keine schöne Alternative, aber was blieb ihm weiter übrig. Sein Magen knurrte, als er zu Bett ging. Draußen hatte es zu regnen begonnen.
8
Trevisan hatte bis acht Uhr geschlafen und war nach der Morgentoilette und einem ausgedehnten Frühstück ins Büro gefahren. Ein schwerer Gang lag heute vor ihm, er hatte einen Termin bei den Reubolds in Minden ausgemacht. Der Vater der verschwundenen Melanie war nicht begeistert gewesen, als Trevisan angerufen und um ein Gespräch gebeten hatte.
»Na ja, dann kommen Sie eben, es ändert ja sowieso nichts«, hatte Robert Reubold schließlich eingelenkt.
Trevisan hatte die Mutlosigkeit und die Verzweiflung aus seiner Stimme herausgehört. Er dachte an damals, als er erfahren hatte, dass seine Tochter Paula entführt worden war, das Gefühl war ihm nicht unbekannt.
Im Büro schaute er noch bei Lisa vorbei, die vor ihrem Computer saß und die Pressemeldung für die örtlichen und überregionalen Zeitungen schrieb. Trevisan setzte sich kurz zu ihr und kritzelte auf einen Notizzettel, welche Fragen sie ausformulieren sollte und welche Details von Nutzen waren und der Presse bekannt gegeben werden konnten.
»Wenn du fertig bist, dann schicke alles gleich an die Pressestelle«, sagte Trevisan.
»Willst du nicht vorher noch mal drüberschauen?«, fragte Lisa ungläubig.
»Du hast mehr Erfahrung in solchen Sachen«, antwortete Trevisan. »Oder hast du damit ein Problem?«
»Smisek wollte alles sehen und abzeichnen. Nichts verließ die Abteilung, bevor er nicht seinen Haken darunter gemacht hatte. Und meistens war er mit nichts zufrieden und wir bekamen die Berichte rot gefärbt wieder zurück.«
Trevisan lächelte. »Hatte wohl den falschen Beruf, hätte Lehrer werden sollen.« Er klopfte Lisa auf die Schulter. »Ich geh dann mal, Robert Reubold wartet auf mich.«
Er fuhr mit dem Fahrstuhl in die Tiefgarage und schnappte sich den Dienstwagen des Dezernats, einen blauen VW Passat. Die Fahrt nach Minden über die Bundesstraße dauerte länger als angenommen. Mit dichtem Verkehr hatte Trevisan an diesem Samstagvormittag nicht gerechnet.
In Minden suchte er die Goethestraße auf dem Ortsplan, den er sich ausgedruckt und entsprechend markiert hatte. Vor dem Mehrfamilienhaus parkte er am Straßenrand. Die Reubolds wohnten in dritten Stock. Einen Aufzug gab es nicht, so dass Trevisan erst einmal durchatmete, als er an der Wohnungstür ankam. Er klingelte und wartete geduldig, bis ein Mann öffnete, unrasiert und in Jogginghose und Unterhemd. Die nackenlangen, grauen und ungepflegten Haare hingen ihm wirr ins Gesicht.
»Robert Reubold?«, fragte Trevisan.
»Ja, das bin ich.«
Trevisan schätzte ihn auf Anfang fünfzig. »Ich bin Martin Trevisan vom Landeskriminalamt wir haben miteinander telefoniert.«
Robert Reubold nickte nur, ließ die Wohnungstür offen und verschwand im dunklen Gang. Trevisan folgte ihm. Schuhe standen kreuz und quer und Kleidungsstücke lagen herum. Staub hatte sich auf der kleinen Kommode abgesetzt. Trevisan folgte dem Mann in die Küche, wo sich schmutziges Geschirr auf der Spüle türmte. Robert Reubold zeigte auf einen Stuhl und ließ sich mit einem Seufzer auf der Eckbank nieder. Zwei leere Bierflaschen standen auf dem Tisch.
»Ich bin noch nicht zum Aufräumen gekommen«, sagte er knurrig, als Trevisan den Raum gemustert und eine Armada von weiteren leeren Bierflaschen hinter der Tür entdeckt hatte.
»Ist Ihre Frau ebenfalls hier?«, fragte Trevisan.
Reubold schüttelte den Kopf. »Als sie von Tanja erfuhr, ist sie sofort nach Flensburg gefahren.«
Trevisan nickte. »Das kann ich verstehen, aber Tanja liegt im Koma. Die Ärzte meinen, es kann Wochen, sogar Monate dauern, bis sie wieder zu sich kommt.« Den Rest verschwieg Trevisan. Es war durchaus möglich, dass Tanja überhaupt nicht mehr aufwachen würde. Aber er war nicht hierher gekommen, um Hoffnungen zu zerstören.
»Das ist meiner Frau egal, sie lässt sich nicht davon abbringen. Sie tut, was sie will.«
»Und was haben Sie gedacht, als Sie hörten, dass Tanja aufgetaucht ist?«
Der Mann fuhr sich über seine fettigen Haare. »Ich glaube nicht, dass es Tanja ist, ich glaube, sie ist genauso tot wie meine Meli. Wenn ich dieses Schwein erwische, dann schlage ich es mit eigenen Händen tot.« Robert Reubold biss sich auf die Lippen und versuchte, seine starke Erregung zu unterdrücken.
»Gab es denn seit ihrem Verschwinden irgendwelche ungewöhnlichen Vorfälle? Anrufe, ohne dass sich jemand meldete, irgendetwas dieser Art?«
Reubold zog die Nase hoch. »Nachdem sie meine Meli geholt hatten, gab es ständig Anrufe, diese Presseheinis ließen uns keinen Tag in Ruhe und auch die Polizisten. Wissen Sie, an diesem Tag habe ich aufgehört zu leben. Und bei Elsa ist auch alles kaputtgegangen.«
»Elsa ist Ihre Frau?«
»Ja, wir sind verheiratet, aber sie ist nicht mehr meine Frau. Sie ist nur noch hier, weil ihr die Energie fehlt, die Koffer zu packen. Seit dem Tag, als Meli verschwand, ist alles zwischen uns kaputt. Da ist nur noch … Leere.« Robert Reubold zeigte auf die Bierflaschen. »Das ist das Einzige, was mir geblieben ist.«
»Arbeiten